Maduro in Venezuela zum Sieger erklärt
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Venezuelas Präsident Nicolas Maduro bleibt für weitere sechs Jahre im Amt.
© Quelle: dpa
Caracas. Venezuela steht am Abgrund - doch im Präsidentenpalast Miraflores heißt es erstmal: "Weiter so". Obwohl die Inflation durch die Decke geht, die Regale in den Supermärkten meist leer bleiben und Hunderttausende Menschen bereits die Flucht ergriffen haben, lässt sich Staatschef Nicolás Maduro in einer umstrittenen Wahl für weitere sechs Jahre im Amt bestätigen.
Nach Angaben des Wahlamtes haben 5,8 Millionen der 20,5 Millionen Wahlberechtigten im Land für Maduro gestimmt. Das sind zwar weit weniger, als die zwölf Millionen Stimmen, die der Präsident zuletzt von seinen Anhängern gefordert hatte. Für einen sicheren Sieg gegen chancenlose Konkurrenten reicht es aber immer noch locker.
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Mit markigen Worten hatte Maduro die Venezolaner zu den Urnen gerufen. Für den ehemaligen Busfahrer und Nachfolger des in Venezuela bis heute verehrten Hugo Chávez geht es stets ums große Ganze. Alles stehe auf dem Spiel, „Vaterland oder Kolonie, Frieden oder Gewalt“, sagt der sozialistische Präsident, als er am Sonntag kurz nach Öffnung der Wahllokale um 6 Uhr in der Früh seine Stimme abgibt.
Oppositionsbündnis rechnet mit Wahlbetrug
Bei seiner Wiederwahl überließ Maduro nichts dem Zufall: Er kontrolliert alle staatlichen Institutionen und hat das von der Opposition beherrschte Parlament entmachtet. Viele Oppositionelle sitzen in Haft, wurden von der Wahl ausgeschlossen oder sind ins Ausland geflohen. Das wichtigste Oppositionsbündnis MUD rechnete mit Wahlbetrug und boykottierte die Wahl. Nach Einschätzung der Regierungsgegner lag die Wahlbeteiligung bei nicht mal 30 Prozent.
„Ich wähle nicht, weil ich kein Vertrauen in das Wahlamt habe. Es wird Betrug geben“, sagt Janet Borges aus der Oppositionshochburg Chacao. Für wen würde die 47-Jährige stimmen, wenn auch die großen Oppositionsführer zur Wahl zugelassen wären? „Ich würde natürlich Leopoldo López wählen.“
Der frühere Bürgermeister von Chacao sitzt wegen Anstachelung zur Gewalt bei Protesten gegen die Regierung seit Jahren in Haft. "Das ist keine Wahl", sagt seine Ehefrau Lilian Tintori. Auch der einflussreiche Oppositionsführer Henrique Capriles darf bei der Wahl nicht antreten. Maduros drei Gegenkandidaten Henri Falcón, Javier Bertucci und Reinaldo Quijada stammen aus der zweiten Reihe und galten von vornherein als chancenlos.
Hauptrivale Falcón fordert Neuwahlen
Sein Hauptrivale Falcón beklagte jedoch Unregelmäßigkeiten bei der Präsidentschaftswahl vom Sonntag und forderte eine Neuwahl. Schon vor der Verkündigung der Ergebnisse hatten Maduros Gegner dem Urnengang jegliche Legitimität abgesprochen, da viele Wähler zu Hause geblieben seien. Der Wahl „mangelt es ohne Zweifel an Legitimität und wir lehnen es kategorisch ab, diesen Prozess anzuerkennen“, erklärte der unabhängige Kandidat Falcón vor Anhängern.
Dessen Neuwahl-Forderung schloss sich auch der drittplatzierte Kandidat Javier Bertucci an, der laut dem Wahlrat elf Prozent der Stimmen bekam. Im Falle einer erneuten Abstimmung sollte Maduro so mutig sein und nicht erneut antreten, verlangte der Fernsehprediger. Ansonsten drohe in Venezuela eine Explosion der sozialen Krise. Maduro zeigte keinerlei Anzeichen für eine Bereitschaft zu einer Neuwahl. „Die Wahlprozesse sind fürs erste beendet“, erklärte der Präsident vielmehr.
María Justo wohnt in Petare, einem der größten Slums Südamerikas. Das Armenviertel am Rande der Hauptstadt Caracas galt stets als Bastion der Chavisten, aber angesichts der Krise verlieren auch die Menschen dort langsam die Geduld mit Maduros sozialistischer Regierung. „Ich bin wählen gegangen, damit dieser Herr verschwindet“, sagt Justo. „So können wir nicht weitermachen.“
Auch wenn viele Menschen mit der Lage unzufrieden sind, verfügt Maduro noch immer über eine treue Anhängerschaft. Viele Arme haben unter Chávez erstmals Wertschätzung erfahren, haben Wohnungen und subventionierte Lebensmittelpakete erhalten, konnten zur Schule und Universität gehen.
„Dieses Volk leidet Hunger, aber es bleibt loyal“
„Dieses Volk leidet Hunger, aber es bleibt loyal“, sagt Fernando Carvajal aus dem Viertel 23 de Enero im Zentrum von Caracas. Für die Wirtschaftskrise macht der 61-jährige Händler eine Verschwörung des Auslands verantwortlich. „Das ist ein Krieg vieler Länder, die uns blockieren wollen. Das ist die internationale Ultrarechte.“
Venezuela ist ein Land im Katastrophenmodus: In den Supermärkten bleiben die Regale leer, in den Krankenhäusern sterben Kinder, weil es keine Medikamente gibt. Gewalt und Kriminalität sind völlig außer Kontrolle. Der Internationale Währungsfonds (IWF) rechnet mit sagenhaften 13 800 Prozent Inflation im laufenden Jahr, die Wirtschaftskraft dürfte um rund 15 Prozent einbrechen.
USA und EU wollen Ergebnis nicht anerkennen
Es deutet wenig darauf hin, dass sich die Lage nach dem neuerlichen Wahlsieg von Maduro nun verbessern wird. Zahlreiche Länder in der Region, die USA und die EU haben bereits angekündigt, das Ergebnis nicht anzuerkennen. „Die Regierung wird sich weiter radikalisieren“, befürchtet der Analyst Félix Seijas.
Der Politikwissenschaftler Luis Salamanca sagt angesichts der schweren Wirtschaftskrise und der Hyperinflation: „Das Land ist unregierbar.“ Ausländische Hilfe zur Bewältigung der humanitären Krise lehnt Maduro ab. Über Finanzhilfen des IWF will er auch nicht verhandeln.
Zunächst wird der Präsident wohl etwas Kosmetik betreiben: Anfang Juni will er bei der Landeswährung Bolívar drei Nullen streichen. Dann wird für eine Tasse Kaffee vielleicht nicht mehr gleich ein Millionenbetrag fällig. An den grundlegenden Problemen des einst reichen Landes ändert die Zahlenakrobatik freilich nichts.
Von RND/dpa