Massaker am eigenen Volk: Freispruch für Ex-Anführer der Roten Khmer aus Mangel an Beweisen?
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Die Begeisterung währt nur kurz: Die Ankunft der Roten Khmer in Pnomh Penh bedeutet für die Einwohner Vertreibung, Internierung, Tod. Szene aus Angelina Jolies Film „Der weite Weg der Hoffnung“.
© Quelle: AP
Phnom Penh. Die Verteidiger des letzten überlebenden Führungsmitgliedes der Roten Khmer haben im Berufungsprozess die Beweise für dessen Verurteilung wegen Völkermord in Zweifel gezogen. Die Aussagen zweier Zeugen seien schwach, sagte Khieu Samphans Verteidigerin Anta Guissé am Dienstag vor dem Sondergericht.
Auch habe die Staatsanwaltschaft nicht nachgewiesen, dass es sich bei dem Massaker in Svay Rieng tatsächlich um Völkermord handele. Khieu Samphan müsse deshalb aus Mangel an Beweisen freigesprochen werden.
Rote Khmer bringen im Kambodscha 1,7 Millionen Menschen um
Der heute 90-Jährige war während der Herrschaft der radikal kommunistischen Roten Khmer eine Zeit lang Staatsoberhaupt. Diese versuchten, in Kambodscha alle Spuren dessen auszurotten, was sie als verdorbenes bürgerliches Leben betrachteten. Wer Widerspruch wagte, landete in den berüchtigten „Killing Fields“, andere kamen durch Hunger, Überarbeitung oder Verweigern medizinischer Hilfe ums Leben.
Insgesamt sind unter den Roten Khmer zwischen 1975 und 1979 schätzungsweise 1,7 Millionen Menschen getötet worden, bis vietnamesische Truppen ihrer Herrschaft ein Ende setzten.
Völkermord-Vorwurf: Gibt es genügend Beweise?
Khieu Samphan wurde 2018 wegen Verbrechen gegen die vietnamesische Minderheit in Kambodscha verurteilt. Er selbst wies die Anklage als vietnamesische Propaganda zurück. Ihm sei zwar klar, dass es unter den Roten Khmer Leid gegeben habe, aber ein Mörder sei er nicht.
Im Berufungsprozess erklärten seine Anwälte, es gebe nicht genügend Beweise für Völkermord. Eine Zeugin habe 2018 nicht einmal mehr gewusst, wer ihr über das Massaker an vier vietnamesischen Familien berichtet habe. „Wir wissen nicht, wer die Täter waren, wir wissen nicht, wer die getöteten Familien waren und wir haben es mit unbestätigtem Hörensagen zu tun“, sagte Guissé. Außerdem machte die Verteidigung Verfahrensfehler im Prozess geltend.
Eine Vertreterin der Opfer sagte dagegen, es sei unlogisch, zu argumentieren, dass ein Massenmord nur durch Aussagen von Augenzeugen belegt werden könne. In solchen Fällen gebe es oft keine Überlebenden, die ihre Erlebnisse schildern könnten, sagte Anwältin Magan Hirst. Die Anklage hatte bereits am Montag auf die Gesamtheit der Beweise gegen Khieu Samphan verwiesen.
Der 90-Jährige sollte am Donnerstag aussagen. Das Urteil im Berufungsverfahren wird erst für kommendes Jahr erwartet. Ein Freispruch galt als unwahrscheinlich. Doch selbst in diesem Fall bliebe Khieu Samphan im Gefängnis, weil er bereits 2014 wegen Verbrechen gegen die Menschlichkeit zu lebenslanger Haft verurteilt worden ist - ein Urteil, das 2016 bestätigt wurde.
RND/AP