Meuthen nach AfD-Austritt: „Verachtung für Andersdenkende“ bei einigen Parteimitgliedern
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„Ich glaube, dass die AfD eine Entwicklung nimmt, die keinen weiteren politischen Erfolg in diesem Land verheißt, weil sie sich einfach in eine Richtung bewegt, die diesen Erfolg nicht hergibt“, sagt Ex-Parteichef Jörg Meuthen.
© Quelle: imago images/Reiner Zensen
Berlin. Der aus der AfD ausgetretene bisherige Vorsitzende Jörg Meuthen sieht die Partei auf einem Kurs zu politischer Erfolglosigkeit. „Ich glaube, dass die AfD eine Entwicklung nimmt, die keinen weiteren politischen Erfolg in diesem Land verheißt, weil sie sich einfach in eine Richtung bewegt, die diesen Erfolg nicht hergibt“, sagte er am Freitagabend im „heute journal“ des ZDFs. „Und ich muss Ihnen sagen, aufgrund meiner eigenen Positionen: Das halte ich dann auch für richtig.“
Besonders erschütternd sei für ihn, „bei nicht ganz wenigen Parteimitgliedern immer wieder eine tiefe, auch verbal artikulierte Verachtung für Andersdenkende wie auch für die etablierten und bewährten Mechanismen der parlamentarischen Demokratie erleben zu müssen“, schrieb Meuthen am Samstag auf Facebook.
AfD-Chef Tino Chrupalla bewertet die Lage der Partei nach dem Abgang seines bisherigen Co-Vorsitzenden ganz anders: „Insgesamt, sag ich ganz ehrlich, hat Jörg Meuthen mit dem heutigen Tage die Spaltung der AfD beendet“, sagte Chrupalla in der Nacht zum Samstag in der ZDF-Sendung „heute journal update“. „Das ist wichtig und richtig.“ Er werde die Partei jetzt „zusammenführen, zusammenhalten“. „Wir werden sie auf einen erfolgreichen Kurs führen. Wir haben schon einige Austritte verkraftet.“ Er sehe das „durchaus positiv“.
Meuthen hatte seinen Parteiaustritt am Freitag damit begründet, große Teile der Partei hätten sich für einen immer radikaleren Kurs entschieden. „Ich will eine konservative Politik, keine reaktionäre, ich will eine freiheitliche, keine beliebige, ich will eine patriotische, aber keine nationalistische Politik“, sagte er im ZDF. „Das sind die Positionen die ich habe, und es geht eindeutig in eine andere Richtung (...).“
Angesprochen auf Aussagen Meuthens, wonach er Teile der Partei nicht auf dem Boden der freiheitlich demokratischen Grundordnung sieht, entgegnete Chrupalla: „Das ist natürlich absoluter Quatsch, was er dort erzählt hat.“
Politologe Funke: Meuthens Rückzug war absehbar
Der vollständige Rückzug Meuthens sei absehbar gewesen, sagte der Politologe Hajo Funke. „Sein Verständnis dieser Partei war, nur so weit nach rechts zu gehen, dass sie auch im Westen so viel Wahlerfolge erzielt, dass sie zu einem Bündnispartner zwischen rechts und ganz rechts werden kann.“ So sehr Meuthen in seinen ersten Jahren die Rechtsextremen unterstützt und damit in die Mitte der Partei gerückt habe, so sehr sei er später zu der Überzeugung gelangt, dass die Partei einem „rechtsextremen Irrweg verfallen“ sei.
Funke, der mehrere Bücher über die Entwicklung der Partei geschrieben hat, schlussfolgerte: „Unter dem Druck stagnierender Umfragen, dem Austritt Jörg Meuthens, ausufernder Parteispendenskandale und einer chaotischen und zuletzt radikalisierten Abwehr der Pandemierealität“ stehe die AfD nun „in der schwersten Krise seit ihrer Gründung“.
Mit Blick auf die Rechtsaußenströmung um den Thüringer AfD-Landeschef Björn Höcke sagte Meuthen: „Ich habe nie einen Hehl daraus gemacht, dass die Positionen, die etwa ein Björn Höcke vertritt, ganz und gar nicht meine Positionen sind.“ Aber wenn man eine größere Partei werden wolle, dann versuche man zu integrieren. „Dieser Integrationskurs ist gescheitert, weil die versucht haben – und das nicht ganz erfolglos – nicht ‚der Flügel‘ zu sein, sondern wie mal jemand ganz Kluges gesagt hat, der ganze Vogel. Und das geht nicht.“
Die AfD-Bundestagsabgeordnete Joana Cotar sagte am Samstag im Deutschlandfunk, sie teile die Kritik von Meuthen nicht. „Die Basis, die Meuthen gewählt hat, ist immer noch dieselbe. Der größte Teil der Partei ist freiheitlich-konservativ“. Jeder in der Partei stehe zum Grundgesetz, so Cotar. Man habe die AfD immer versucht, in die rechte Ecke zu schieben, um nicht mit der AfD diskutieren zu müssen. Meuthen zählte Cotar lange Zeit zu denjenigen Mitgliedern im Bundesvorstand, die ihn in seinen Bemühungen für einen weniger radikalen Kurs unterstützten.
Erika Steinbach tritt der AfD bei
Als Reaktion auf Meuthens Austritt kündigte die ehemalige CDU-Politikerin Erika Steinbach ihren Eintritt in die AfD an. „Der bewusst zerstörerische Austritt von Jörg Meuthen, der wohlsituiert sein Europamandat behält, ist für viele, die hinter ihm standen, ein Schlag ins Gesicht“, erklärte sie am Freitagabend auf Twitter. „Das hat die AfD nicht verdient. Deshalb werde ich jetzt einen Mitgliedsantrag stellen.“ Steinbach (78), früher Bundestagsabgeordnete und lange Zeit Präsidentin des Bundes der Vertriebenen, war 2017 aus der CDU ausgetreten und ist Vorsitzende der AfD-nahen Desiderius-Erasmus-Stiftung.
Einen Zusammenhang zwischen seinem Abgang und der Empfehlung eines EU-Parlamentsausschusses, Meuthens Immunität für Ermittlungen aufzuheben, bestritt Meuthen. „Hat damit absolut nichts zu tun“, sagte er dem Fernsehsender Welt. Er habe darum gebeten, die Immunität schnell aufzuheben, „damit das aufgearbeitet werden kann“. „Die Vorwürfe, die da im Raum stehen, sind gegenstandslos.“ Das Verfahren steht dem Vernehmen nach in Zusammenhang mit der AfD-Spendenaffäre.
RND/dpa