„Eklatanter Fachkräftemangel“: Verbände fordern mehr Personal für Jugendschutzeinrichtungen
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An der Straßenecke zur Zufahrtsstraße zum Kinder- und Jugendhilfezentrum, in dem eine Zehnjährige tot aufgefunden wurde, liegen Blumen und Grablichter auf dem Gehweg.
© Quelle: Daniel Vogl/dpa
Nach dem mutmaßlichen Tötungsdelikt in einer Einrichtung der Kinder- und Jugendhilfe in Wunsiedel, bei dem eine Zehnjährige ums Leben kam, fordern Sozialpolitiker und Verbände mehr Mittel und Personal für die Betreuung in Jugendschutzeinrichtungen.
Leni Breymaier, familienpolitische Sprecherin der SPD-Bundestagsfraktion, sieht in den gesetzlichen Rahmenbedingungen nicht das Problem. „Die pädagogischen Mitarbeitenden leisten herausragende Arbeit, arbeiten allerdings zu häufig am Anschlag“, erklärt Breymaier im Gespräch mit dem RedaktionsNetzwerk Deutschland (RND). Sie verweist auf verbindliche Gewaltschutzkonzepte und regelmäßige Überprüfungen der Einrichtungen durch die Aufsichtsbehörden.
Kinder und Jugendliche sind in Jugendhilfeeinrichtungen in Deutschland sicher untergebracht. Viele Kinder und Jugendliche fühlen sich in den Einrichtungen häufig sicherer als in ihrem familiären Umfeld.
Martin Adam, Präsident des Bundesverbands freier Träger der freien Kinder-, Jugend- und Sozialhilfe
Hinzu komme, dass die Anforderungen an das Personal durch Pandemie- und Fluchterfahrungen der Kinder und Jugendlichen eher noch steigen würden. „Und das alles vor dem Hintergrund des bestehenden Fachkräftemangels.“ Für die aktuellen Herausforderungen in der Kinder- und Jugendhilfe bedürfe es daher weiterer Anstrengungen in Kommunen, Ländern und Bund, betont Breymaier.
„Individuelle Betreuung häufig nicht möglich“
Auch Martin Adam, Präsident des Bundesverbands freier Träger der freien Kinder-, Jugend- und Sozialhilfe (VPK), sieht kein Problem in der Sicherheit der Einrichtungen, beklagt aber ebenfalls eine angespannte Personallage. „Kinder und Jugendliche sind in Jugendhilfeeinrichtungen in Deutschland sicher untergebracht. Viele Kinder und Jugendliche fühlen sich in den Einrichtungen häufig sicherer als in ihrem familiären Umfeld“, sagt er dem RND.
Gleichwohl betont er: „Die personelle Ausstattung der Gruppen könnte besser sein. Aufsichtspflicht und gesetzliche Grundleistungen werden sicher überall sichergestellt, aber individuelle Betreuung und persönliche Begleitung sind häufig nicht möglich.“ Gründe dafür sei neben fehlenden Fachkräften vor allem die unzureichende Bewilligung von Personalstellen. „Unsere Gesellschaft ist leider nicht bereit, ausreichende finanzielle Mittel für die Betreuung von jungen und alten Menschen zur Verfügung zu stellen“, erklärt Adam.
Personalmangel vor allem in den Großstädten
Stephan Hiller, Geschäftsführer des Bundesverbands Caritas Kinder- und Jugendhilfe, beobachtet ebenfalls, dass den Einrichtungen die Fachkräfte fehlen. Jede Einrichtung müsse je nach pädagogischem Konzept einen Personalschlüssel erfüllen, sagt er dem RND. „Wenn der Personalschlüssel ständig unterschritten wird, muss die Gruppe in einer Einrichtung geschlossen werden.“
In Ballungszentren wie Berlin oder Köln komme das auch durchaus vor. „Dort ist ein besonders eklatanter Fachkräftemangel zu beobachten“, sagt Hiller. Denn die Bedingungen seien in den deutschen Ballungszentren besonders prekär. Es herrsche ein erhöhter Bedarf an Personal. „Gleichzeitig ist durch einen unattraktiven Gehaltstarif der Fachkräfte das Leben und Wohnen in diesen Ballungszentren kaum bezahlbar.“
Wie am Mittwoch bekannt wurde, hatte eine Angestellte der Kinder- und Jugendhilfe ein zehnjähriges Mädchen, das in der Einrichtung wohnte, tot aufgefunden. Weitere Details waren am Donnerstag noch offen. Der Fall wirft auch die Frage auf, ob die Betreuung in Kinder- und Jugendheimen gewährleistet ist.
Zehnjährige tot in bayerischem Kinderheim gefunden
Es stehen zwei Jungen im Alter von elf Jahren und ein 16-Jähriger im Fokus der Ermittler.
© Quelle: dpa
Staatsanwaltschaft: kein Sexualdelikt
Die Ermittler gehen bei der Suche nach der Ursache für den Tod des Mädchens von einem Tötungsdelikt aus. Erste rechtsmedizinische Untersuchungen hätten Hinweise erbracht, dass eine Fremdeinwirkung für den Tod des Mädchens ursächlich sein dürfte. Es gebe aber nach dem bisherigen Stand der Ermittlungen keine Tatverdächtigen und keine Beschuldigten. Es richte sich kein konkreter Tatverdacht gegen eine oder mehrere Personen. Es befinde sich folglich auch kein Beschuldigter in Gewahrsam. Auch gehen die Ermittlungsbehörden derzeit nicht von einem Sexualdelikt aus.
Die Deutsche Presse-Agentur hatte am Mittwoch unter Berufung auf Sicherheitskreise berichtet, dass drei Jungen, zwei Elfjährige und ein 16-Jähriger, in den Fokus der Ermittler gerückt waren.