„Werden erheblichen Schaden erleiden“

Lindner will Ländern 300 Millionen Euro für regionale Wirtschafts­förderung streichen

Bundesfinanzminister Christian Lindner will ein Förderprogramm der regionalen Wirtschaft beträchtlich kürzen.

Bundesfinanzminister Christian Lindner will ein Förderprogramm der regionalen Wirtschaft beträchtlich kürzen.

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Berlin. Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) will das Förderprogramm „Gemeinschaftsaufgabe Verbesserung der Regionalen Wirtschaftsstruktur“ (GRW), das besonders den strukturschwachen Ländern in Ostdeutschland zugutekommt, um fast die Hälfte kürzen. Das ergibt sich nach Informationen des RedaktionsNetzwerks Deutschland (RND) aus einem Schreiben des Bundesfinanzministeriums an das von Robert Habeck (Grüne) geführte Bundeswirtschaftsministerium.

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Demnach sollen die Mittel aus diesem Topf im Bundeshaushalt 2024 von jetzt 650 auf dann 350 Millionen Euro sinken. Sie werden von den Ländern jeweils im Verhältnis 1:1 kofinanziert, sodass nicht nur 300, sondern insgesamt 600 Millionen Euro verloren gingen. Seit Anfang der 1970er-Jahre wurden mit GRW-Mitteln in strukturschwachen Regionen über 150.000 Investitionsvorhaben von Unternehmen und zum Ausbau der kommunalen wirtschaftsnahen Infrastruktur gefördert. Gegen Lindners Vorhaben regt sich nun überparteilich Widerstand.

Eine deutliche Kürzung der GRW wäre ein Angriff gegen den ländlichen Raum und strukturschwache Regionen.

Michael Kellner (Grüne),

Parlamentarischer Staatssekretär im Bundeswirtschaftsministerium

Kritik von allen Seiten

Der Parlamentarische Staatssekretär im Bundeswirtschaftsministerium, Michael Kellner (Grüne), bestätigte dem RND die Kürzungspläne und sagte: „Die Bund-Länder Programme wie die Gemeinschaftsaufgabe Verbesserung der Regionalen Wirtschaftsstruktur halten unser Land zusammen und sorgen für zusätzliche Investitionen in ländlichen Regionen, wo diese ohne solche Unterstützung nicht stattfinden würden.“

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Als Mittelstandsbeauftragter der Regierung und Ostdeutscher sei er „zutiefst von dem Nutzen des Programms überzeugt“, fuhr er fort: „Eine deutliche Kürzung der GRW wäre ein Angriff gegen den ländlichen Raum und strukturschwache Regionen. In gesellschaftlich polarisierten Zeiten, gerade zwischen Großstädten und ländlichen Räumen, brauchen wir gleichwertige Perspektiven für Beschäftigte, Familien und Unternehmen.“ Nötig seien gleichwertige Lebensverhältnisse in Stadt und Land.

Thüringens Ministerpräsident Bodo Ramelow (Linke) sagte dem RND: „Für uns ist das ein erneuter Schlag in die Magengrube. Dadurch werden wir einen erheblichen Schaden erleiden. Die Ungleichheit wird erheblich verstärkt. Das zahlt bei der AfD ein.“ Kritisch äußerte sich auch der Wirtschaftsminister von Sachsen-Anhalt, Sven Schulze (CDU). Er erklärte: „Wir rechnen mit diesem Geld. Kleine und mittelständische Unternehmen brauchen es. Wenn die Kürzung kommt, wäre das für Länder wie Sachsen-Anhalt eine Katastrophe. Ich kann den Bundesfinanzminister und den Bundeskanzler deshalb nur auffordern, darauf zu verzichten. Der Nutzen für den Bundeshaushalt stünde in keinem Verhältnis zum Schaden für uns.“

Ein Sprecher des sächsischen Wirtschaftsministers Martin Dulig (SPD) sagte: „Der Bund hat sich in seinem Koalitionsvertrag klar dazu bekannt, die GRW-Mittel dynamisch zu erhöhen. Hieran muss man festhalten. Der aktuelle Streit um den Bundeshaushalt darf nicht auf dem Rücken der GRW ausgetragen werden. Eine Mittelkürzung wäre ein fatales Signal des Bundes an Unternehmen und Kommunen.“

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Mit Etat 2024 im Verzug

Eigentlich wollte Lindner bereits im Frühjahr Eckpunkte für den Bundeshaushalt 2024 vorlegen, verzichtete aber dann darauf. Stattdessen hat er den anderen Ministerien zuletzt mitgeteilt, mit wie viel Geld sie im kommenden Jahr rechnen können. Berichten zufolge sollen alle Ressorts weniger bekommen – mit Ausnahme des Verteidigungsministeriums.

Schleswig-Holsteins Finanzministerin Monika Heinold (Grüne) hatte zu Wochenbeginn gesagt, die Bund-Länder-Programme sollten ihrer Kenntnis nach um mindestens 900 Millionen Euro zusammengestrichen werden, und hinzugefügt: „Wenn es stimmt, dass Bundesfinanzminister Lindner eine Milliarde Euro Landesförderung streichen will, mit der offenen Ansage, sich damit zurückzuholen, was er für die Flüchtlingsfinanzierung zugesagt hat, wäre das perfide.“ Der stellvertretende Vorsitzende der FDP-Bundestagsfraktion, Christoph Meyer, erwiderte daraufhin: „Wieder einmal zeigt die Raub- und Beutegemeinschaft der Länder ihr wahres Gesicht.“ Ramelow zufolge „schlägt das dem Fass den Boden aus“.

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