Neue Drogenbeauftragte: „Bei Cannabis gibt es kein Schwarz oder Weiß“

Die neue Drogenbeauftragte Daniela Ludwig

Die neue Drogenbeauftragte Daniela Ludwig

Berlin. Als Anfang September bekannt wurde, dass die bisherige Verkehrspolitikerin Daniela Ludwig neue Drogenbeauftragte der Bundesregierung wird, erntete sie bei der Opposition und im Netz überwiegend Häme und Spott. Sie werde als hinterwäldlerische CSU-Politikerin nichts ändern, ohnehin habe sie keine Ahnung von Drogenpolitik, wurde ihr vorgehalten. Drei Wochen später empfängt die 44-Jährige zum Interview in München. Dabei wird klar, dass sie sich in viele der für sie neuen Themen bereits eingearbeitet hat. Und sie macht ganz und gar nicht den Eindruck, als solle mit ihr alles beim Alten bleiben.

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Frau Ludwig, angesichts des weltgrößten kollektiven Besäufnisses auf dem gerade zu Ende gegangenen Oktoberfest stellt sich die Frage: Darf Bayern, darf die CSU die Drogenbeauftragte der Bundesregierung stellen?

Freilich. Wir haben in Bayern eine lange Tradition mit Volksfesten. Und ja, da wird Bier getrunken. Aber das Problem sind doch nicht die Feste, das Problem sind diejenigen, die ihre Grenzen nicht kennen, die im Alltag ein Problem mit Alkohol oder Drogen haben. Im Übrigen wird es schwerfallen, Politiker aus anderen Bundesländern zu finden, die mit solchen Festen gar nichts zu tun haben.

Selbst wenn die große Koalition das Jahresende überlebt, haben Sie nur noch eineinhalb Jahre Zeit, um eigene Schwerpunkte zu setzen. Was haben Sie sich vorgenommen?

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Bei vielen Themen in der Drogen- und Suchtpolitik bestehen völlig verhärtete Fronten, etwa beim Umgang mit Cannabis. Es gibt kaum Dialog, aber viel Konfrontation. Damit möchte ich Schluss machen.

Wie?

Alle Seiten anhören, aber insbesondere diejenigen, die vor Ort in den Kommunen mit Süchtigen arbeiten und in der Suchtprävention tätig sind. Außerdem will ich so schnell wie möglich den Sachverständigenbeirat der Drogenbeauftragten einsetzen, um die Expertise von Praktikern einzuholen und alle Seiten an einen Tisch zu bekommen.

Wollen Sie bei Cannabis die harte Linie Ihrer Vorgängerin fortsetzen, oder sind Sie für eine Freigabe?

Es gibt beim Thema Cannabis kein Schwarz oder Weiß, kein Entweder-oder. Sowohl diejenigen, die weiter für ein hartes Durchgreifen eintreten, als auch die Verfechter einer totalen Freigabe sollten erkennen, dass es nicht um das Rechtbehalten geht, sondern um eine Antwort auf die Frage: Was hilft am Ende der Gesundheit?

Das heißt?

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Ich werde mir zum Beispiel auch anschauen, wie andere Staaten damit umgehen, etwa Portugal.

Dort ist der Besitz von Cannabis für den Eigenbedarf nur noch eine Ordnungswidrigkeit. Könnte eine derartige Entkriminalisierung, die auch in der SPD diskutiert wird, ein Weg sein?

Wie gesagt, ich will zuerst alle Seiten anhören. Es liegt aber auf der Hand, dass wir uns um diese Frage kümmern müssen. Vor allem die Jugendlichen fühlen sich beim Thema Cannabis nicht mehr von der Politik verstanden und vertreten. Ich plädiere hier für ein unvoreingenommenes Herangehen ohne Scheuklappen. Es darf nicht um Ideologie gehen, sondern einzig und allein um den Schutz der Gesundheit.

Haben Sie einen Zeitplan?

Alle zerren an mir, aber ich will mich von keiner Seite unter Druck setzen lassen. Es gibt andere Probleme, die wir jetzt ganz schnell lösen müssen.

Was ist das aus Ihrer Sicht?

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Wir brauchen sehr schnell die seit Jahren diskutierte Ausweitung des Tabakwerbeverbots. Mit Werbeplakaten an Bushaltestellen und in Kinospots werden von der Tabakindustrie ganz gezielt Jugendliche angesprochen. Wir wissen aus Studien, dass das verfängt. Es ist blamabel, dass Deutschland das letzte Land in der EU ist, wo diese Werbung noch uneingeschränkt erlaubt ist. Sie muss weg.

In der Union gibt es Versuche, E-Zigaretten auszunehmen. Unterstützen Sie das?

Ich fordere ein Werbeverbot für alle Rauchprodukte – egal, ob herkömmliche Zigarette, E-Zigarette, Verdampfer oder Erhitzer, egal, ob mit Tabak und Nikotin oder ohne. Wir brauchen bis zum Jahresende eine klare Regelung, die keinerlei Schlupflöcher lässt.

Warum auch die E-Zigarette einbeziehen, selbst wenn sie kein Nikotin enthält?

Mir sagen viele Raucher, dass die E-Zigarette hilft, vom Tabakprodukt wegzukommen. Das will ich gar nicht kleinreden. Wir dürfen aber nicht zulassen, dass Jugendliche zum Dampfen verführt werden. Wenn die Tabakindustrie mit Liquids wirbt, die nach Kaugummi und Popcorn schmecken, dann ist doch ganz klar, dass sich das nicht an den Erwachsenen richtet, der umsteigen will. Hier geht es um das Ansprechen von Jugendlichen.

In CDU und CSU wird argumentiert, man wolle keine Verbotspartei sein.

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Es geht um den Schutz der Jugend. Da müssen andere Argumente hintangestellt werden.

Mehrere Länder fordern über den Bundesrat ein Rauchverbot im Auto, wenn Minderjährige dabei sind. Unterstützen Sie das?

Ich sehe den guten Willen, die Öffentlichkeit stärker für das Thema zu sensibilisieren. Allerdings haben gute Aufklärungskampagnen schon dazu geführt, dass das Rauchen im Auto massiv abgenommen hat. Den Weg sollten wir fortsetzen. Ich werde mich dafür einsetzen, unsere Kampagne „Rauchfrei unterwegs“ mit der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung deutlich auszuweiten.

Also keine Gesetzesverschärfung?

Ein Verbot kann doch gar nicht wirkungsvoll verfolgt werden. Dann lieber Aufklärung und Prävention. Das wirkt besser.

Suchtforscher sagen, dass ein höherer Preis das wirksamste Mittel gegen das Rauchen ist. Wie stehen Sie zu einer Erhöhung der Tabaksteuer?

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Es gilt die Zusage der Union, keine Steuern zu erhöhen. Im Übrigen zeigt die in den vergangenen Jahren stark zurückgegangene Zahl der Raucher, dass Rauch- und Werbeverbote sowie alle unsere Präventionsbemühungen sehr erfolgreich sind.

Zu Ihrem neuen Tätigkeitsbereich gehört auch das Glücksspiel. Ihre Vorgängerin beklagte Wildwestzustände im Internet. Sehen Sie das auch so?

Mit Wildwest sind die Zustände beim Onlinespiel treffend beschrieben. Wir müssen prüfen, wo wir Grenzen einziehen können, um den Schutz der Spieler zu gewährleisten. Leider sind die zuständigen Länder bis auf Schleswig-Holstein bisher untätig geblieben. Ich fordere die Länder auf, nach dem Vorbild von Schleswig-Holstein Lizenzen an seriöse Anbieter zu vergeben, um die Spreu vom Weizen zu trennen. Dann wäre schon viel gewonnen.

Ihre Parteikollegin Dorothee Bär kämpft für die Förderung des E-Sports. Kritiker nennen das ein „Reinwaschen von suchtgefährdenden Aktivitäten“.

Die Idee, Deutschland zu einem E-Games-Standort zu machen, unterstütze ich voll und ganz. Da gibt es keine Differenzen mit Doro Bär. Wir können unsere Kinder doch nicht ausschließen von all den neuen Medien und Entwicklungen. Sie müssen vielmehr frühzeitig lernen, damit umzugehen. Deshalb wird es keine Verteufelung von mir geben. Es ist wie bei der Frage nach den Festen und dem Alkohol: Nicht die Games sind das Problem, sondern Menschen, die nicht Maß halten können.

RND

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