Regionen mit hoher Nitratbelastung

Deutschlands rote Äcker: Wieso die Änderungen der Düngeverordnung den Landwirten stinken

Viele landwirtschaftliche Flächen in Deutschland gelten wegen hoher Nitratbelastung durch Düngung mit Gülle als rote Zonen .

Viele landwirtschaftliche Flächen in Deutschland gelten wegen hoher Nitratbelastung durch Düngung mit Gülle als rote Zonen .

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Berlin. Viele Äcker in Deutschland sind rot. Auf den Karten, die die Nitratbelastung zeigen, sind im vergangenen Jahr viele so eingefärbte Zonen hinzugekommen – was nun bei vielen Bäuerinnen und Bauern für Ärger sorgt, weil sie in diesem Jahr um ihre Ernte fürchten. In den betroffenen Flächen gilt das Grundwasser als besonders mit Nitrat belastet. Der Stoff ist unter anderem in Gülle enthalten, die Landwirte zum Düngen benutzen.

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Wenn ein Bauer Gülle ausbringt, sickert Nitrat in den Boden und damit ins Grundwasser. Im menschlichen Körper können sich krebserregende Stoffe bilden, wenn er zu viel Nitrat aufnimmt. Das Umweltbundesamt misst deshalb die Menge des Nitrats im Grundwasser. Auch die EU beobachtet das Thema und hat Regeln dazu aufgestellt. Diese wurden in Deutschland aber lange unzureichend von der Bundesregierung umgesetzt, weshalb die EU-Kommission mit Strafzahlungen drohte.

Im vergangenen Jahr hat die Bundesregierung dann reagiert. Den Regeln zufolge sind Zonen rot, wenn ein Wert von 50 Milligramm Nitrat pro Liter Grundwasser überschritten wird oder der Wert über 37,5 Milligramm liegt und zugleich ein steigender Trend erkennbar ist. Außerdem gilt ein Grundwasserreservoir auch dann als belastet, wenn es zwar insgesamt in einem guten Zustand ist, aber eine einzelne Messstelle im Gebiet die Werte überschritten hat.

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Teilweise haben sich rote Zonen verdreifacht

Seit die roten Zonen im Dezember neu ausgewiesen wurden, ist deren Fläche gestiegen. In Nordrhein-Westfalen und Mecklenburg-Vorpommern haben sich diese Flächen verdreifacht. In beiden Bundesländern gilt nun rund ein Drittel der landwirtschaftlichen Gebiete als stark belastet. In diesen Gebieten müssen Bauern die Menge der Düngemittel um 20 Prozent reduzieren. Das kann dazu führen, dass die Ernten kleiner ausfallen und deren Qualität sinkt, was wiederum finanzielle Verluste für Landwirte zur Folge haben kann.

Viele Bauern gehen deswegen auf die Barrikaden. „Die Neuausweisung der nitratbelasteten Gebiete geht an der Realität vorbei“, kritisiert der Präsident des nordrhein-westfälischen Bauernverbandes, Bernhard Conzen, im Gespräch mit dem RedaktionsNetzwerk Deutschland (RND).

Schlupflöcher in einigen Bundesländern

Landwirtschaftsexpertin Reinhild Benning von der Deutschen Umwelthilfe bewertet die neuen Regeln positiv. Einige Bundesländer hätten bislang versucht, Schlupflöcher zu schaffen. „Niedersachsen und Nordrhein-Westfalen haben in der Berechnungsformel Lücken im Modell, sodass die Flächen bisher stark verkleinert wurden“, sagt sie. Benning findet: „Das ist nicht gerechtfertigt - wie groß die Flächen sind, sollte sich nach den Messstellen richten.“ Ihre Forderung: „Jeder Betrieb sollte gegenüberstellen wie viel Gülle er hat und wieviel Fläche er hat - und nur so viele Tiere halten, wie er auch an Gülle ausbringen kann.“

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Das nordrhein-westfälische Landwirtschaftsministerium lobte die alte Vorgehensweise hingegen noch im vergangenen Jahr als „in Nordrhein-Westfalen entwickelten Methodik unter Einbeziehung der tatsächlichen regionalen Stickstoffüberschüsse“, die „verursachergerechter“ und „stärker differenziert“ sei. Dass das nun gekippt wurde, kritisieren die Bauern. Sie bemängeln, dass die Messstellen nach den neuen Regeln teilweise mehrere Kilometer von den Landwirtschaftsflächen entfernt liegen.

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Der Fokus allein auf die Messtellen reiche nicht aus und liefere allenfalls einen groben Überblick. Der Landwirt „wird durch die jetzt von der EU erzwungenen Vorgaben faktisch in Sippenhaft genommen, obwohl der Einfluss seiner aktuellen Bewirtschaftungspraxis auf das Messergebnis nicht belegbar ist“, beklagt der Bauernverband Nordrhein-Westfalen in einer Pressemitteilung.

Regierung plant weitere Änderungen

Benning sieht einen zu laschen Umgang mit dem Thema Gülle. „Deutschland hat zugelassen, dass Zuchtbetriebe zu viel Gülle produzieren und zum anderen, dass nicht kontrolliert wurde, wo denn diese Gülle bleibt“, bemängelt die Landwirtschaftsexpertin der Deutschen Umwelthilfe. Benning spricht von „Umwelt-Dumping“: „In Deutschland ist es dadurch einfacher Gülle zu entsorgen, als in anderen Ländern.“ Ein Gutachten des Bundesverband der Energie- und Wasserwirtschaft zeigte 2021, dass durch die alten Regeln jährlich Kosten durch Umweltschäden in Höhe von drei Milliarden Euro entstanden sind.

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Indem die „roten Zonen“ neu ausgewiesen wurden, hat die Bundesregierung einen Rechtsstreit mit der EU-Kommission vermieden, ebenso wie Strafzahlungen von 880.000 Euro am Tag. Vom Tisch ist das Thema aber noch immer nicht: Zeitnah soll eine weiter Änderung des Düngegesetzes ins Kabinett. Dem Entwurf zufolge sollen die Verursacher hoher Nitratwerte in die Pflicht genommen werden. Einzelne Landwirte kann es dann noch härter treffen: Wer wiederholt die zulässigen Bilanzwerte nicht einhält, begeht künftig eine Ordnungswidrigkeit.

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