„NSU 2.0“ – Anklage gegen 53-Jährigen erhoben

Eine Demonstrantin hält während einer Kundgebung in der Wiesbadener Innenstadt ein Plakat mit der Aufschrift „Solidarität mit den Betroffenen des NSU 2.0“. Ein mutmaßlicher Verfasser von rechtsextremen Drohschreiben mit dem Absender „NSU 2.0“ ist angeklagt worden.

Eine Demonstrantin hält während einer Kundgebung in der Wiesbadener Innenstadt ein Plakat mit der Aufschrift „Solidarität mit den Betroffenen des NSU 2.0“. Ein mutmaßlicher Verfasser von rechtsextremen Drohschreiben mit dem Absender „NSU 2.0“ ist angeklagt worden.

Die Staatsanwaltschaft Frankfurt hat im Zusammenhang mit den „NSU 2.0“-Drohschreiben Anklage erhoben. Dem 53 Jahre alten mutmaßlichen Verfasser wird unter anderem Beleidigung, Bedrohung und Volksverhetzung zur Last gelegt, wie die Behörde am Donnerstag mitteilte. Zuständig ist die Strafkammer des Landgerichts Frankfurt. Die Anklageschrift umfasst 120 Seiten. Der Mann wurde am 3. Mai in seiner Berliner Wohnung festgenommen und befindet sich seitdem in Untersuchungs­haft. Er soll eine Serie von Drohschreiben verschickt haben, die mit „NSU 2.0“ unterzeichnet waren in Anspielung auf die rechtsextreme Terrorzelle National­sozialistischer Untergrund (NSU).

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Der Angeschuldigte soll zwischen August 2018 und März 2021 insgesamt 116 selbst verfasste Drohschreiben verschickt haben – per E‑Mail, Fax oder SMS. Dabei habe er regelmäßig die Grußformel „Heil Hitler“ verwendet sowie sich selbst „SS-Obersturmbann­führer“ genannt.

Empfängerinnen waren Privatpersonen, Personen des öffentlichen Lebens sowie Behörden und Institutionen. Die Schreiben enthielten massive verbale Beleidigungen wie „Abfallprodukte“, „Volksschädling“ oder drastische Schimpfwörter gegen Menschen mit türkischen Wurzeln. Gedroht wurde unter anderem mit „verpiss dich lieber, solange du hier noch lebend rauskommst“ oder damit, dass Familienangehörige „mit barbarischer sadistischer Härte abgeschlachtet“ würden.

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Zur Verstärkung der Drohwirkung soll der Verfasser nicht frei zugängliche Daten der ausschließlich weiblichen Adressatinnen genannt haben. „Nach dem Ergebnis der Ermittlungen geht die Staatsanwaltschaft davon aus, dass er diese unter Einsatz einer Legende erlangt hat, indem er vorgab, Bediensteter einer Behörde zu sein“, hieß es in der Mitteilung der Staatsanwaltschaft. Der Verdacht, Polizeibeamte könnten an der Datenabfrage beteiligt gewesen sein, hat sich laut Staatsanwaltschaft nicht bestätigt.

Dem Mann werden in 67 Fällen folgende Vergehen zur Last gelegt: Beleidigung, versuchte Nötigung, Bedrohung, Verunglimpfung des Andenkens Verstorbener, Störung des öffentlichen Friedens durch Androhung von Straftaten, Verbreiten von Kennzeichen verfassungs­widriger Organisationen, öffentliche Aufforderung zu Straftaten, Volksverhetzung, tätlicher Angriff auf Vollstreckungs­beamte, Besitz kinder- und jugend­pornografischer Schriften sowie ein Verstoß gegen das Waffengesetz.

Betroffene Anwältin Basay-Yildiz fordert weitere Aufklärung

Die Frankfurter Anwältin Seda Basay-Yildiz, die die erste Adressatin der Drohschreiben war, sieht auch nach der Anklageerhebung weiteren Aufklärungsbedarf. Nach wie vor sei nicht klar, wie etwa ihre Adresse in Umlauf gekommen sei, sagte die Juristin der Deutschen Presse-Agentur am Donnerstag. Das gelte besonders für ihre zweite Adresse nach einem Umzug, die angesichts der bereits eingegangenen Drohschreiben in den polizeilichen Datenbanken mit einem Sperrvermerk versehen war.

„Zudem sind nach meiner Kenntnis in meinem Fall nicht nur persönliche Daten wie Adresse abgefragt worden, sondern es erfolgten auch gezielte Abfragen in polizeilichen Datenbanken nach Verurteilungen beziehungsweise Ermittlungsverfahren gegen mich“, sagte Basay-Yildiz. Dies sei telefonisch nicht möglich. Die These der Staatsanwaltschaft halte sie nicht für schlüssig, sagte die Juristin, die in dem Verfahren als Nebenklägerin auftreten will. „Ich rechne jedenfalls nicht mehr mit der vollständigen Aufklärung des Sachverhaltes.“

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Basay-Yildiz hatte seit 2018 mehr als 20 „NSU 2.0″-Drohschreiben erhalten, teils als Fax, teils als Email. Darin war auch ihre gesamte Familie bedroht worden. Basay-Yildiz hatte im Münchner NSU-Verfahren Angehörige der Opfer der rechtsextremen Terrorzelle als Nebenkläger vertreten.

RND/dpa

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