Organspende: Wie machen es eigentlich andere EU-Länder?
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Eine Transplantationsmedizinerin hält das Herz eines Verstorbenen in den Händen.
© Quelle: Bernd Wüstneck/ZB/dpa/Symbolbild
Berlin. Der Prozess einer Organspende ist in Deutschland klar geregelt: Noch zu Lebzeiten muss man dieser zustimmen, ansonsten dürfen Ärzte keine Organe zur Transplantation entnehmen. In der EU dominiert jedoch die sogenannte Widerspruchsregelung. Heißt: Man ist automatisch ein potenzieller Organspender, außer man widerspricht zu Lebzeiten.
Eine ähnliche Regelung forcierte auch der ehemalige Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU) und sein SPD-Mitstreiter Karl Lauterbach im Januar 2020, ihr Vorstoß fiel im Bundestag aber durch. Spahn-Nachfolger Lauterbach plant nun den nächsten Versuch. Ein Überblick über andere europäische Lösungen:
Österreich
Eine Person wird in der Alpenrepublik wie in etwa 20 weiteren Ländern der Europäischen Union automatisch als Organspender geführt. Österreicher können sich jedoch anders als Deutsche kostenfrei in ein Widerspruchsregister eintragen. Die politische Führung steht in der Kritik, darüber nicht ausreichend zu informieren. Denn weniger als ein Prozent der Bevölkerung sind darin eingetragen.
Es ist davon auszugehen, dass die meisten Menschen die Regelung gar nicht kennen. „Ein Zettel im Portemonnaie, ein Eintrag in einer Notfall-App auf dem Handy, ein Nein im Gespräch mit Angehörigen“ würde allerdings schon für einen offiziellen Widerspruch ausreichen, meint der Transplantationsmediziner Stephan Eschertzhuber gegenüber der „FAZ“.
Schweiz
Im direkten Nachbarland Deutschlands galt lange eine ähnliche Regulung wie hierzulande. Im Mai 2022 gab es allerdings die Wende: Die Bürgerinnen und Bürger stimmten in einer Volksabstimmung für die Widerspruchslösung. 60,2 Prozent der Befragten stimmten für die neue Regel. Damit gilt jeder Mensch als potenzieller Organsepnder, der nicht explizit dagegen gestimmt hat.
Spanien
Befürworter der Widerspruchslösung verweisen etwa auf Spanien, das auf viel höhere Spenderzahlen kommt. Auf eine Million Einwohner kommen in Spanien 46,9 Spender. Kein anderes Land erreicht diesen Wert. Eine Organentnahme darf in Spanien allerdings auch nach dem Herztod entnommen werden. Deutschland findet sich mit einer Rate von 11,2 Spendern pro Million Einwohner im unteren Bereich wieder. Hier ist eine Entnahme erst erlaubt, wenn der Hirntod festgestellt wurde.
Bulgarien: Organentnahme trotz Widerspruch möglich
Dänemark
Die Dänen haben ähnlich wie Deutschland eine Zustimmungslösung. Das heißt, die Organe können nur entnommen werden, wenn die verstorbene Person zu Lebzeiten einer Organspende zugestimmt hat. Wenn ihr Wille nicht bekannt ist, kann die Familie entscheiden. Jedoch wird auch in Deutschlands nördlichstem Nachbarland über eine Änderung diskutiert. Nach einem Bürgervorschlag hat Gesundheitsministerin Sophie Lohde ebenfalls eine Widerspruchslösung angeregt.
Bulgarien
In Bulgarien gilt grundsätzlich die Widerspruchsregelung, doch ein Zusatz macht die bulgarische Lösung einzigartig in Europa. Hier gilt eine sogenannte Notstandsregelung. Heißt konkret: Die Organentnahme ist „im Notstand“ immer zulässig. Selbst das Vorliegen eines Widerspruchs ist in solchen Fällen nicht mehr wirksam – und Organe können zur Spende entnommen werden.
Belgien
In Belgien gilt seit über 30 Jahren die Widerspruchsregelung. Sie funktioniert nach dem Motto: Wer schweigt, stimmt zu. Demnach wird jeder belgische Staatsbürger beziehungsweise jeder Einwohner, der seit mindestens sechs Monaten im Land lebt, nach seinem Tod zum potenziellen Organspender – außer er oder sie hat zu Lebzeiten ausdrücklich widersprochen.
Polen
In Polen wird man ebenfalls nach dem Tod automatisch zum Organspender, wenn man nicht zu Lebzeiten widersprochen hat. Neben der Eintragung in einem zentralen Register genügt dazu auch eine schriftliche, unterschriebene Erklärung oder eine mündliche Willensbekundung vor zwei Zeugen.
mit dpa