Putins Panzerpanik: Was droht den Russen wirklich?
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Ein Kampfpanzer der Bundeswehr vom Typ Leopard 2 A6 fährt während einer Gefechtsvorführung über den Übungsplatz. Solche Panzer der Bundeswehr soll die Ukraine nun bekommen.
© Quelle: Philipp Schulze
Im Kreml wächst die Angst vor empfindlichen Rückschlägen in der Ukraine, nachdem immer mehr westliche Staaten die Regierung in Kiew mit Kampfpanzern unterstützen wollen. Kremlsprecher Dmitri Peskow bezeichnete die Bereitstellung von Leopard-Panzern als desaströsen Plan. Das Potenzial der Panzer in den Händen der ukrainischen Streitkräfte werde überschätzt. „Es handelt sich um einen weiteren Trugschluss, einen ziemlich tiefgreifenden.“ Neben Deutschland wollen auch Finnland, Großbritannien, Frankreich, die Niederlande, Norwegen, Polen, Spanien und die USA der Ukraine Kampfpanzer vom Typ Leopard 2, Abrams oder Challenger 2 überlassen. Was kann der Leopard wirklich ausrichten?
Die westlichen Kampfpanzer erhöhen die Angriffsfähigkeit der Ukraine enorm, sodass die russischen Streitkräfte auf stärkeren Widerstand stoßen, sind sich Militärexperten einig. „Allerdings muss man die gestiegene Angriffsfähigkeit der Ukraine in Relation zu den russischen Ressourcen setzen“, betont Oberst a. D. Wolfgang Richter von der Stiftung Wissenschaft und Politik (SWP). Und die baut Russland derzeit massiv aus: „Wir sehen derzeit viele Züge mit Hunderten neuer gepanzerter Kampffahrzeuge in die Ukraine rollen“, sagte Richter dem RedaktionsNetzwerk Deutschland (RND).
Verteidigungsminister Pistorius begrüßt Panzerlieferungen
Für den SPD-Politiker war nach eigenen Worten dabei zentral, dass die US-Amerikaner ihrerseits Kampfpanzer vom Typ Abrams schicken wollen.
© Quelle: Reuters
Der Westen liefert weniger als die Hälfte der nötigen Menge
Wie bedeutend die westlichen Kampfpanzer für die Ukraine sind, kann man nur bewerten, wenn man einen Kräftevergleich mit den russischen Fähigkeiten anstellt. Doch wie viele Kampfpanzer Russland für die neue Offensive bereitstellt, ist offen. Daher lässt sich noch nicht absehen, ob die Leopard-Lieferungen tatsächlich eine strategische Wende im Krieg bedeuten. Aus Sicht des Generalstabschefs der Ukraine, Walerij Saluschnyj, seien 300 Kampfpanzer, 600 bis 700 Schützenpanzer und 500 Artilleriesysteme notwendig. Nun liefert der Westen aber weniger als die Hälfte: 100 bis 150 Kampfpanzer, rund 100 Schützenpanzer und etwa 70 Artilleriesysteme.
„Wenn der Ukraine dreimal so viele russische Kampfpanzer gegenüberstehen, nützt auch die verbesserte Durchschlagskraft des Leopard wenig“, sagt Richter. Für ihn ist klar, dass sich Russland offenbar auf eine neue Offensive vorbereitet. Die Russen hätten noch sehr große Reserven, die sie jetzt offenbar reaktiviert hätten. „Es ist zwar nicht das neueste Material, aber es sind große Mengen.“
Die Russen setzen längst auf Masse, haben in den vergangenen Monaten alte sowjetische Panzer reaktiviert, darunter die längst überholten T-62. „Der Leopard ist den Kampfpanzern sowjetischer Bauart im Zweikampf überlegen“, sagt Oberst a. D. Richter. Dennoch dürfe man den Kampfpanzer nicht überschätzen. Duellsituationen im Gefecht seien eher die Ausnahme. Normalerweise werden Kampfpanzer im Gefecht der verbundenen Waffen eingesetzt, also im Verbund mit anderen Waffensystemen wie Schützenpanzern und Flugabwehrpanzern. Ob eine Einheit dabei ihre Panzerstärke ausspielen kann, hängt von vielen Faktoren ab. Im Nahkampf in einem Stadtzentrum oder gar im Wald, so Richter, könnten die Leoparden ihre Vorteile nicht ausspielen.
Ukrainische Soldaten beginnen Panzerausbildung
Es muss schnell gehen: In nur rund acht Wochen dauernden Ausbildungen sollen Ukrainer den Kampf mit dem Schützenpanzer Marder erlernen.
© Quelle: dpa
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Konfliktforscher über Panzerlieferung: „Dritter Weltkrieg ist russisches Schreckensszenario“
Der Konfliktforscher Thorsten Bonacker spricht im Interview über die angekündigte Lieferung von Leopard-Panzern von Deutschland an die Ukraine. Und darüber, warum das Szenario eines dritten Weltkriegs „jeder sachlichen Grundlage entbehrt“.
„Ein Albtraum für die Logistiker“
Fraglich ist, ob und wie viele Kampfpanzer rechtzeitig vor dem nächsten Großangriff in der Ukraine eintreffen werden. Laut Gardekommandant Markus Reisner vom österreichischen Bundesheer besteht die Gefahr, dass die Leoparden zu spät und in zu geringer Zahl eintreffen.
Die Russen bringen sich bereits in Stellung, im Westen haben die Planungen für die Leopard-Lieferungen und die Ausbildung der ukrainischen Soldaten begonnen. Die Ausbildung der Soldaten wird schätzungsweise sechs Wochen dauern. Polen will die ersten 14 Leopard-Kampfpanzer an die Ukraine übergeben, sobald die ersten ukrainischen Soldaten die Ausbildung abgeschlossen haben. Bundesverteidigungsminister Boris Pistorius nannte für die Kampfpanzer aus Deutschland einen späteren Zeitpunkt. Ziel sei es, dass die Leoparden aus deutschen Beständen „Ende März, Anfang April“ in der Ukraine seien.
Die US-Kampfpanzer Abrams könnten sogar erst nach vielen Monaten oder gar Jahren die Ukraine erreichen. Hinzu kommt, dass für jedes neue Modell auch die Logistik ausgebaut werden muss. Es geht um Munition und Ersatzteile für die nächsten Monate, bei den Abrams auch um die Kerosinlogistik. „Das ist ein Albtraum für die Logistiker“, sagt Militärexperte Richter angesichts der vielen verschiedenen Panzer in kleinen Stückzahlen aus dem Westen. Die Heereslogistiker müssten die Streitkräfte mit ganz unterschiedlichen Ersatzteilpaketen und Munitionssorten versorgen. „Das ist eine solche Vielfalt, dass man hier längst nicht mehr von Standardisierung sprechen kann.“ Das Kerosingemisch für die Abrams sei eine zusätzliche Belastung, weil die anderen Panzer mit Diesel fahren. Aus den USA hieß es, die Abrams für die Ukraine müssten erst noch gebaut werden. Gut möglich, dass sie dann direkt mit Dieselantrieb gebaut werden.