Ehemalige Spitzenpolitikerin

Silvana Koch-Mehrin über sexuelle Belästigung in der FDP: „Da waren immer wieder Hände auf meinem Knie“

Silvana Koch-Mehrin, ehemalige Vizepräsidentin des Europäischen Parlaments, bei einer Versammlung in Mexiko 2015.

Silvana Koch-Mehrin, ehemalige Vizepräsidentin des Europäischen Parlaments, bei einer Versammlung in Mexiko 2015.

Nach ihrer Karriere als FDP-Politikerin hat Silvana Koch-Mehrin ein Buch über ihre Ängste und schweren Schicksalsschläge geschrieben. Darin spricht sie auch offen über ihre Zeit als Spitzenpolitikerin ihrer Partei. In einem Interview mit dem „Stern“ äußerte sich die 51-Jährige nun auch über den heftigen Gegenwind männlicher Parteikollegen und dass sie immer wieder sexueller Belästigung ausgesetzt war.

Weiterlesen nach der Anzeige
Weiterlesen nach der Anzeige

Sexismusvorwürfe gegen die FDP

„Ja, ich wurde angefasst. Einfach so“, sagte Koch-Mehrin im Interview. „Da waren immer wieder Hände auf meinem Knie. Man hat meine Brust berührt, mir ungefragt sanfte Rückenmassagen verabreicht.“ Dabei sei es jedoch nicht geblieben. „Ständig gab es Zoten und Anzüglichkeiten – Sätze wie: ‚Ich würde so gern mit Ihrer Eiskugel tauschen.‘ Oder: ‚Ich habe nichts gegen Frauenbewegungen. Hauptsache, Sie sind rhythmisch.‘ Und ein Parteifreund hat in einer abendlichen Runde mal über mich gesagt ‚Ihre Zukunft liegt zwischen ihren Beinen‘. Ich saß in Hörweite.“

Die Politikerin habe sich in diesen Situationen nicht gewehrt: „Ich habe geschwiegen und es ausgehalten“, so die 51-Jährige. „Ich wollte dazugehören. (...) Ich wehrte mich nicht, sondern begann es mir schönzureden, mich selbst infrage zu stellen. So nach dem Motto: Vielleicht sehe ich das alles ja zu eng. Vielleicht ist das alles ja auch witzig, und ich kriege es nur nicht mit. Aber witzig fühlte es sich definitiv nicht an.“

Weiterlesen nach der Anzeige
Weiterlesen nach der Anzeige
Die FDP-Spitzenkandidatin für die Europawahl, Silvana Koch-Mehrin, am Sonntag, 7. Juni 2009, nach Bekanntgabe der ersten Hochrechnung während der FDP-Wahlparty in der Geschäftsstelle der Freien Demokratischen Partei in Berlin gemeinsam mit dem Parteivorsitzenden Guido Westerwelle.

Die FDP-Spitzenkandidatin für die Europawahl, Silvana Koch-Mehrin, am Sonntag, 7. Juni 2009, nach Bekanntgabe der ersten Hochrechnung während der FDP-Wahlparty in der Geschäftsstelle der Freien Demokratischen Partei in Berlin gemeinsam mit dem Parteivorsitzenden Guido Westerwelle.

Zwar seien nicht alle Männer so, betonte Koch-Mehrin. Dennoch gehe es ihr um die Grenzverletzung einiger Männer. „Und um die zu erkennen, muss man keine Seminare buchen. Anstand, Respekt, einander achten, Macht nicht missbrauchen – darum geht es.“

Koch-Mehrin: „Bei wichtigen Ämtern ging ich leer aus“

Viele Parteifreunde hätten der ehemaligen FDP-Spitzenpolitikerin zudem den Erfolg nicht gegönnt, nachdem sie 2004 die FDP zurück ins Europäische Parlament geführt hatte. „Der Wahlkampf war total auf mich zugeschnitten. Und ich habe gewonnen. Und mit mir wurden sechs weitere Männer gewählt. Und am Wahlabend sagten einige mir sinngemäß: Toll gemacht. Du kannst ja weiterhin da draußen rumschweben. Bei den wichtigen Posten und Ämtern aber sollte ich leer ausgehen. Das wollten manche der Kollegen unter sich ausmachen.“ Diese Reaktionen hätten die 51-Jährige sehr geprägt: „Das war schon eine krasse Lektion. Man sagt ja immer ironisch ‚Freund, Feind, Parteifreund‘. Aber ich habe gelernt, dass da viel Wahrheit drinsteckt.“

Sie habe sich dennoch durchsetzen können, wurde Vorsitzende der FDP im Europäischen Parlament, stellvertretende Fraktionsvorsitzende der europäischen Liberalen und ins FDP-Präsidium berufen. „Vor allem auch dank Guido Westerwelles Unterstützung. Er war großartig. Und auch die Chefs der Landesverbände haben gesagt: Leute, so geht es nicht.“

Weiterlesen nach der Anzeige
Weiterlesen nach der Anzeige

Koch-Mehrin war von 2004 bis 2014 Mitglied des Europäischen Parlaments, davon knapp zwei Jahre Vizepräsidentin. 2011 wurden ihr Plagiate in ihrer Dissertation an der Universität Heidelberg vorgeworfen, woraufhin sie ihren Doktortitel verlor und ihren Rücktritt bekannt gab.

Immer wieder werden Vorwürfe der sexuellen Belästigung innerhalb der Parteienlandschaft laut. Erst im Februar dieses Jahres hatten Parlamentarierinnen wie Claudia Roth (Grüne), Anne Spiegel (Grüne) und Anja Schulz (FDP) von Sexismus und sexueller Belästigung im Bundestag berichtet.

RND/al

Mehr aus Politik

 
 
 
 
 
Anzeige
Anzeige

Verwandte Themen

Letzte Meldungen

 
 
 
 
 
 
 
 
 

Spiele entdecken