Regierung im Krisenmodus: Was Bund und Behörden planen
:format(webp)/cloudfront-eu-central-1.images.arcpublishing.com/madsack/JL4VNE7L4ZBHNKZF3RL7N7ILEU.jpg)
Bundesgesundheitsminister Jens Spahn und Bundesinnenminister Horst Seehofer in der Bundespressekonferenz.
© Quelle: imago images/Reiner Zensen
Berlin. Die Bundesregierung schaltet wegen der Ausbreitung des neuen Coronavirus in den Krisenmodus: Gesundheits- und Innenministerium setzten einen gemeinen Krisenstab ein, der regelmäßig die Lage beraten und erforderliche Entscheidungen treffen soll. Was wollen Regierung und Behörden im Einzelnen tun? Die wichtigsten Daten und Fakten zur aktuellen Lage:
Aktuelle Einschätzung
Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU) hat am Donnerstag bei einer Pressekonferenz mit Innenminister Horst Seehofer (CSU) seine Einschätzung bekräftigt: Deutschland stehe am Beginn einer Epidemie. Innenminister Horst Seehofer ergänzte, es werde eine “weitere Entwicklung nach oben geben”. Beide kündigten an, alles zu tun, um die Bevölkerung so gut wie möglich zu schützen. Dabei gehe der Gesundheitsschutz immer vor wirtschaftlichen Interessen, versicherten die Minister. Sie räumten aber auch ein, dass man noch immer zu wenig über das Virus wisse.
Krisenstab
Der Krisenstab besteht im Kern aus Vertretern des Gesundheits- und des Innenministeriums. Aber auch Mitarbeiter aus dem Auswärtigen Amt und dem Verkehrsministerium sitzen mit am Tisch. Laut Seehofer stehen zwei Aufgaben im Vordergrund: Die Infektionsketten innerhalb von Deutschland zu unterbrechen und die Übertragung der Krankheit nach Deutschland einzudämmen. Der Arm dieses Stabes reicht allerdings nicht allzu weit. Denn für viele konkrete Entscheidungen sind die Länder, die Landkreise oder die Kommunen zuständig.
Verkehr
Ab sofort werden nicht nur die Daten von landenden Fluggästen aus China in Deutschland erfasst. Auch ankommende Fluggäste aus Südkorea, Japan, dem Iran und Italien müssten nun ihre Daten angeben. Das ist laut Seehofer eine der ersten Entscheidungen des Krisenstabes. Diese “Aussteigerkarten” sollen sicherstellen, dass alle Reisenden schnell kontaktiert werden können, wenn sich herausstellt, dass ein Fluggast infiziert ist. Das Verfahren wurde von der Bundesregierung auch im Schiffsverkehr angeordnet. Beim Bahn- und Busverkehr hat der Bund dagegen kein Durchgriffsrecht. Deshalb fordert Seehofer von den Transportunternehmen eine Selbstverpflichtung, das Ausfüllen der Karten durchzusetzen.
Großveranstaltungen
Ob Konzerte, Messen oder Fußballspiele stattfinden können, ist eine kommunale Entscheidung. Seehofer sagte aber, der Krisenstab werde als Handreichung Kriterien entwickeln. Wenn sich bei einer Veranstaltung besonders viele Menschen aus Krisengebieten aufhielten, sei das anders zu beurteilen als ein Fußballspiel zwischen dem SC Ingolstadt und Unterhaching, erläuterte der Innenminister. Nach seinen Angaben wurde der Krisenstab bereits gebeten, eine Einschätzung zur Berliner Tourismusmesse ITB abzugeben, die am 4. März in Berlin beginnen soll.
Abriegelung von Städten
Spahn und Seehofer versicherten, dass diese drastische Maßnahme derzeit nicht notwendig sei. Der Gesundheitsminister betonte aber, dass das nach dem Infektionsschutzgesetz grundsätzlich möglich sei. Spahn stellte auch klar, dass das Gesetz unter anderem eine häusliche Quarantäne vorsieht, die von den Behörden angeordnet werden kann. Betroffene seien dann gesetzlich verpflichtet, sich daran zu halten.
Asylbewerber
Seehofer kündigte an, dass alle Asylbewerber auf das Coronavirus getestet werden. Die Begründung: Die meisten würden über vorbelastete Länder wie den Iran, den Irak oder Afghanistan einreisen. Nach Angaben des Innenministers kommen derzeit im Monat etwa 10.000 Asylbewerber in Deutschland an.
Schutzanzüge
Laut Spahn will sich der Krisenstab bei seiner Sitzung am Freitag auch damit beschäftigen, ob es in Deutschland ausreichend Schutzbekleidung gibt. Der internationale Markt dafür ist nach seinen Angaben aber leer gekauft. Es müsse nun zumindest darum gehen, dass die hierzulande verfügbaren Schutzanzüge und -masken auch im Lande blieben, betonte der Minister.
Verhaltensweisen
Das Robert-Koch-Institut (RKI) hat an die Bevölkerung appelliert mitzuhelfen, das Virus unter Kontrolle zu bekommen. Bei Symptomen wie Husten und Fieber sollen die Betroffenen freiwillig zu Hause bleiben – also weder zur Arbeit gehen noch mit öffentlichen Verkehrsmitteln fahren und keine großen Veranstaltungen besuchen. Vor Arztbesuchen sei es wichtig, in den Praxen anzurufen. “Auch Menschen mit ganz wenig Symptomen können andere anstecken”, sagte RKI-Präsident Lothar Wieler. Auch ältere Menschen, die wegen ihres schwächeren Immunsystems und Vorerkrankungen häufig anfälliger für das Virus sind, sollten möglichst in den eigenen vier Wänden bleiben. Wichtig für alle seien aber auch ganz banale Dinge: zum Beispiel in die Armbeuge zu niesen statt in die Hand.
Impfungen
Experten empfehlen, sich gegen Keuchhusten, Pneumokokken und gegen die reguläre Grippe impfen zu lassen. Dieser Empfehlung schloss sich Gesundheitsminister Spahn an. Die Impfungen schützen zwar nicht vor Covid-19, aber vor anderen Lungeninfektionen. Wäre jemand bereits an der Lunge erkrankt, wäre eine Ansteckung mit Sars-CoV-2 besonders gefährlich und die Behandlung nur schwer möglich.
Test auf das Coronavirus
Spahn appellierte an die Ärzteschaft, bei jeglichen Verdachtsfällen sofort auf das Virus zu testen “Lieber ein Test mehr als einer zu wenig”, gab er als Devise aus. Die gesetzlichen Krankenkassen würden die Tests bezahlen. Sollten sich hier wider Erwarten Probleme ergeben, werde er innerhalb von wenigen Tagen mit einer Rechtsänderung für Klarheit sorgen. Die schnelle Auswertung der Tests ist laut Spahn gesichert: Inzwischen seien praktisch alle Gesundheitslabore in Deutschland dazu in der Lage.
Versorgung von Erkrankten
Spahn sagte, es gebe keine offizielle Schätzung darüber, mit wie vielen Kranken oder gar Toten in Deutschland gerechnet werden muss. Die Krankenhausgesellschaft teilte mit, deutschlandweit stünden mehr als 1400 internistische Abteilungen und über 1200 Intensivstationen mit rund 28.000 Intensivbetten bereit, um Patienten zu versorgen. Laut Spahn sehen die Pandemiepläne zudem vor, bei Versorgungsengpässen normale Klinikabteilungen in Isolierstationen umzubauen.
Wirtschaft
Das Bundeswirtschaftsministerium hat eine Coronahotline eingerichtet, um Unternehmen, die unter dem Ausbruch des Virus leiden, mit Rat und Tat zur Seite zu stehen. Das gab Wirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) am Donnerstag in Berlin bekannt. Bis zu sieben Mitarbeiter in seinem Ministerium stünden dafür zur Verfügung. Medienberichte, wonach die Bundesregierung ein Konjunkturprogramm plane, wies Altmaier zurück. “Wir planen kein fiskalisches Programm im klassischen Sinne, um den Auswirkungen des Coronavirusausbruchs zu begegnen”, stellte Altmaier fest. Solche Programme hätten für gewöhnlich den Effekt eines Strohfeuers. Allerdings prüfe die Bundesregierung, ob ohnehin anstehende Maßnahmen vorgezogen werden könnten, wenn diese stimulierende Wirkung hätten. Der CDU-Politiker sagte, die Bundesregierung sei in einem Stadium von Überlegungen, wie sie bei einer weiteren Verschlechterung “notfalls“ reagiere. Als Beispiel nannte Altmaier die steuerliche Besserstellung von Personengesellschaften oder verbesserte Abschreibungsbedingungen für digitale Wirtschaftsgüter. Das sei aber abhängig vom weiteren Verlauf der Coronainfektionen. Altmaier schloss nicht aus, dass das Virus “überschaubare Auswirkungen” auf die bisherigen Wachstumsprognosen haben könne. Es sei aber noch zu früh für eine belastbare Aussage. “Im Moment haben wir keine größeren Störungen bei den Aufträgen oder den Lieferketten in Deutschland”, sagte der Minister.