Sanierungsfall Polizei? Schlagstöcke mit Fehlern, Ratten in den Dienststellen
:format(webp)/cloudfront-eu-central-1.images.arcpublishing.com/madsack/2EGN3C2MY2OF22GVJVJDVYNORU.jpg)
Weithin sichtbar: Von den im vergangenen Jahr angekündigten neuen Jacken mit Leuchtstreifen für die niedersächsische Polizei wurden bislang nur Probeexemplare geliefert.
© Quelle: Rainer Dröse
Hannover. Viele Dienststellen sind marode, die Ausrüstung hat Mängel oder wird verspätet geliefert – und in einigen Gebäuden machen sich bereits Ratten und Mäuse breit. Die Polizei in Niedersachsen wird offenbar immer mehr zu einem Sanierungsfall. Darauf weist auch die aktuelle Antwort des Innenministeriums auf eine Anfrage der FDP im Landtag hin.
Erste 1000 Schutzhelme noch nicht bestellt
So lassen etwa die kugelsicheren Schutzhelme auf sich warten. Das Ministerium hatte die ersten 1000 Exemplare für das zweite Quartal 2019 angekündigt. Jetzt hieß es, dass die Ausschreibung noch bis Mitte Juni laufe. Erst danach könne Auskunft über den Hersteller, Lieferzeiten und eine mögliche erste Verteilung der Helme gegeben werden. Von den ebenfalls angekündigten Leuchtjacken und Überziehschutzwesten sind demnach bisher nur wenige Probeexemplare beschafft worden. Eine Ausschreibung werde vorbereitet, Aussagen über die Kosten seien noch nicht möglich, hieß es. Der FDP-Innenpolitiker Jan-Christoph Oetjen forderte den Innenminister auf, seinen Worten endlich Taten folgen zu lassen.
Von den neuen Ausrüstungsgegenständen, die Innenminister Boris Pistorius (SPD) angekündigt hatte, wurden bisher nur Schlagstöcke ausgeliefert – und diese sind sogar nach Meinung des Ministeriums nur eingeschränkt einsatzfähig. Bislang sind rund 7700 Stück zum Gesamtpreis von rund 1,17 Millionen Euro geliefert worden.
Das Ministerium räumt ein, es ergebe sich vereinzelte negative Kritik an dem Gerät namens TES aus der Größe des montierten zusätzlichen Griffstücks. Dieses könne aber technisch nicht verkleinert werden. In der Antwort des Ministeriums heißt es: „Aktuell wurde eine Marge des TES an die Landespolizei ausgeliefert, welche mängelbehaftet ist und den TES in der Funktion einschränkt.“
Sanierungsbedarf für Polizeigebäude von 127 Millionen Euro
FDP-Mann Oetjen kritisierte auch den Zustand vieler Polizeireviere. „Die Situation ist dramatisch. Es ist offensichtlich, dass in den letzten Jahren viel zu wenig in die Gebäude der Polizei investiert wurde und daher jetzt nur noch die allernötigsten Reparaturen und Instandhaltungen durchgeführt werden können.“ Nach Angaben des Ministeriums liegt der Investitionsbedarf bei 127 Millionen Euro, um alle Dienststellen im Land auf Vordermann zu bringen. Den größten Sanierungsbedarf hat demnach mit 28 Millionen Euro die Polizeidirektion Hannover.
In den vergangenen Monaten waren immer neue Mängel bei der Polizei bekannt geworden – von giftigen Stoffen, die aus alten Neonröhren ausgelaufen waren, über kaputte Duschen und Fenster bis zu Mäuseplagen und Ratten, die Ausrüstung angefressen hatten. Die Gewerkschaft der Polizei (GdP) in Niedersachsen hat in einer anonym durchgeführten Umfrage ihre Mitglieder unter anderem gebeten, Eindrücke über die baulichen Mängel der Dienststellen zu schildern. Die Ergebnisse will die GdP an diesem Freitag vorstellen.
Ausrüstung mit privater Zuzahlung
Jeder Polizist bekommt jährlich 200 Euro Bekleidungsgeld, davon müssen Uniform, Hemd und Schuhe gekauft werden. Laut Alexander Zimbehl, Landesvorsitzender der Deutschen Polizeigewerkschaft (DPolG), ist das auch „auskömmlich“. Helm, Schlagstock und andere Ausrüstungsgegenstände werden aus einem anderen Budget bezahlt, nicht von den Polizisten selbst. Der geplante Überzug für die Weste und die Leuchtjacke sollen aber aus dem „persönlichen Budget“ der Polizisten finanziert werden. Da sie nicht zur Grundausstattung gehören, müssten die Polizisten sie also unter Umständen aus eigener Tasche bezahlen. „Das ist ein Unding“, meint FDP-Innenpolitiker Jan-Christoph Oetjen.
Polizeiwache in Hannovers City wird erst Mitte 2020 fertig
Sanierungskosten der Herschelwache explodieren
Von Marco Seng