Reparationszahlungen an Polen: Linkenpolitikerin kritisiert Blockadehaltung der Bundesregierung
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Blick auf das zerstörte Warschau im November 1944. Polen beziffert die Gesamtschäden durch die deutsche Besatzung auf 1,3 Billionen Euro.
© Quelle: EPU CAF/dpa
Berlin. Die aus Polen stammende und seit 1990 in Deutschland lebende Linken-Politikerin Zaklin Nastic (42) hat Verständnis für die polnischen Reparationsforderungen gegenüber der Bundesrepublik bekundet und deren vollständige Ablehnung kritisiert. „Ich halte die komplette Ablehnung jeglicher Reparationsforderungen, sowohl aus Polen als auch aus Griechenland, durch die Bundesregierung für moralisch ziemlich verwerflich“, sagte Nastic dem RedaktionsNetzwerk Deutschland (RND). Man könne das nicht auf eine rein rechtliche Frage reduzieren, wie dies Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) tue und wie es schon dessen Vorgängerin Angela Merkel (CDU) getan habe, sagte Nastic, die in der Linksfraktion im Bundestag als Sprecherin für Menschenrechte fungiert. Das Ganze habe auch etwas mit einem respektvollen Umgang gegenüber seinem direkten Nachbarn zu tun.
Warschau hatte zum 83. Jahrestag des deutschen Überfalls auf Polen am 1. September 1939 Reparationsleistungen von der Bundesrepublik gefordert und dazu ein Gutachten vorgelegt, das die durch deutsche Besatzung erlittenen Zerstörungen auf 1,3 Billionen Euro beziffert.
5,2 Millionen getötete polnische Bürger
Nastic sagte dazu, der polnischen Bevölkerung ginge es nicht um eine „kalte rationale Analyse“, sondern um eine hochemotionale Frage, da das durch die Nazis verursachte Leid noch lange nicht vergessen sei. Die Linken-Politikerin nannte in diesem Zusammenhang 5,2 Millionen getötete polnische Bürger, die gezielte Ermordung der polnischen Intelligenz, die Zwangsarbeit von zwei Millionen nach Deutschland deportierten Polen und die massiven Schäden an Gebäuden, Sakralbauten, in Industrie und Landwirtschaft.
Dies könne man auch nicht mit den an Polen 1945 abgetretenen deutschen Ostgebieten Ostpreußen, Schlesien und Pommern sowie dem Leid der von dort Vertriebenen aufrechnen. „Polen musste selbst im Osten des Landes Gebiete an die UdSSR beziehungsweise an die heutige Ukraine abtreten“, argumentierte Nastic und fügte an: „Wollen wir wirklich eine Debatte anstoßen, die dazu führen könnte, dass die nationalkonservative polnische PiS-Regierung noch Ansprüche auf Teile der Ukraine stellt?“
Gefragt sei vielmehr ein respektvoller Umgang von deutscher Seite gegenüber dem Nachbarland und ein Ausbau der Erinnerungskultur, betonte Nastic, die zugleich unmissverständlich klarmachte, dass sie die Instrumentalisierung „eines so ernsten Themas“ durch die PiS-Regierung für Wahlkampfzwecke und das Schüren von Feindbildern strikt ablehnt.
Nastic: Völkerrechtlich nicht zulässig
In Warschau hat sich inzwischen auch die Opposition den Forderungen der Regierung angeschlossen. Am vergangenen Mittwoch hatte das Parlament die Bundesregierung aufgefordert, die volle Verantwortung für alle Folgen zu übernehmen, die Polen durch den Zweiten Weltkrieg entstanden sind. Für diese Resolution stimmte die große Mehrheit von 418 der 437 anwesenden Abgeordneten. Das Wort Reparationen wurde gestrichen und durch Wiedergutmachung ersetzt.
Nastic sagte, die Bundesregierung könne sich nicht einfach auf die Formel zurückziehen, dass mit dem 1990 zwischen der BRD, der DDR und den Siegermächten USA, UdSSR, Großbritannien und Frankreich ausgehandelten Zwei-plus-vier-Vertrag alles erledigt sei. Weder Polen, noch Griechenland oder andere reparationsberechtigte Länder hätten mit am Tisch gesessen. Wenn jedoch Vereinbarungen zulasten von Drittstaaten getroffen werden, sei das völkerrechtlich nicht zulässig, so Nastic.
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64 Prozent der Polen halten die Forderungen für richtig
Die Linken-Politikerin verwies auf aktuelle Umfragen, wonach 64 Prozent der Polen die an Deutschland gerichteten Forderungen für richtig halten. Die Polen hätten nicht vergessen, dass auch frühere Bundesregierungen alles getan hätten, um sich aus der Verantwortung für Reparationszahlungen zu stehlen. „Dabei unter den Tisch fallen zu lassen, dass Polen sehr wohl auch in den 1970er-Jahren und während der Zwei-plus-vier-Verhandlungen auf seine Ansprüche verwiesen hat, ist unredlich“, sagte Nastic.
Die „hochmütige abweisende Position der Bundesregierung“ schade den deutsch-polnischen Beziehungen. Es sei falsch, sich zu weigern, über das Thema auch nur zu verhandeln. Die deutsche Blockadehaltung sei angesichts der historischen Schuld keineswegs angemessen, sagte die Politikerin, die sowohl die deutsche wie auch die polnische Staatsbürgerschaft besitzt.