Russland-Expertin packt aus: Erstaunliche Parallelen zwischen Trump und Putin
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Fiona Hill, ehemalige Beraterin für Russland im Weißen Haus, sagte gegen Donald Trump im ersten Amtsenthebungsverfahren aus. Nun hat sie ein Buch veröffentlicht.
© Quelle: J. Scott Applewhite/AP/dpa
Washington. Wladimir Putin nahm wenig Notiz von Fiona Hill, einer herausragenden amerikanischen Russland-Expertin, wenn sie bei offiziellen Abendessen neben ihm saß. Putins Leute platzierten sie bewusst an seiner Seite, wählten eine „unscheinbare Frau“, wie sie es formulierte - sollte doch sichergestellt werden, dass die ungeteilte Aufmerksamkeit dem russischen Präsidenten galt, nichts und niemand von ihm ablenkte.
Sie selbst sprach fließend Russisch, verfolgte die Gespräche der Männer, die sie zu übersehen schienen, genau - und schrieb später alles auf, wie sie der Nachrichtenagentur AP in einem Interview sagte. „Wenn ich ein Mann wäre, hättet ihr nicht so in meinem Beisein gesprochen“, habe sie gedacht. „Aber macht ruhig weiter, ich höre zu.“
Auch Trump stellte auf taub
Hill erwartete nicht, erneut unsichtbar zu sein, als sie später als Russland-Beraterin von US-Präsident Donald Trump im Weißen Haus arbeitete. Sie kannte sich äußerst gut mit Putin aus, konnte sozusagen in seinen Kopf schauen, und war Mitverfasserin eines vielgepriesenen Buches über ihn. Aber auch Trump legte keinen Wert auf sie, ignorierte sie in Treffen immer wieder, verwechselte sie einmal mit einer Sekretärin und nannte sie „Darling“.
Aber erneut hörte Hill zu, Trump wurde für sie zu einem offenen Buch, wie Putin. Das Ergebnis ist „There is Nothing for You Here“, übersetzt ungefähr „Es gibt hier nichts für dich“ - ihr neues Buch, das jetzt in den USA erschienen ist und bereits viel Aufmerksamkeit geerntet hat.
Dabei ist Hill im Gegensatz zu anderen, die nach ihrer Zeit im Dienst der US-Regierung ausgepackt haben, offenbar nicht davon beseelt, Skandalöses zu bieten. Das Buch zeichnet ein eher nüchternes und vielleicht daher um so alarmierenderes Porträt des 45. Präsidenten der USA. Zurückhaltend im Ton ist es ein Verriss, beschreibt, wie eine Karriere, die sich darum drehte, die russische Bedrohung zu verstehen und handzuhaben, in der Erkenntnis mündete, dass die größte Bedrohung für Amerika aus dem Innern kommt.
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Der ehemalige Präsident Donald Trump ignorierte die Russland Expertin Fiona Hill in Treffen immer wieder, verwechselte sie einmal mit einer Sekretärin und nannte sie „Darling“.
© Quelle: Al Drago / Bloomberg via Getty Images
Hills prominente Rolle im ersten Impeachmentverfahren
Der Stil des Buches erinnert an Hills maßvolle, aber fesselnde Zeugenaussage im - gescheiterten - ersten Amtsenthebungsverfahren gegen Trump. Es war während dieser Prozedur im Kongress, dass Hill der US-Öffentlichkeit und darüber hinaus ein Begriff wurde. Vorher war sie bereits in Washingtoner Kreisen hoch respektiert, aber ihre Karriere vollzog sich nicht im Rampenlicht. Hill arbeitete von 2006 bis Ende 2009 - unter den Präsidenten George W. Bush und Barack Obama - als auf Russland spezialisierte Analystin im Nationalen Sicherheitsrat (NSC) der USA, dann von 2017 bis 2019 als Russland-Sonderberaterin in der Trump-Regierung und Leitende Direktorin für russische und europäische Angelegenheiten im NSC.
In ihrem Buch beschreibt Hill im Detail, wie sie - quasi als Fliege an der Wand - Trump erlebt hat. Demnach war er ein Präsident mit einem Heißhunger für Lobpreisungen und wenig bis Null Appetit fürs Regieren, ein Mann, der so davon besessen war, was andere über ihn sagen, dass die US-Beziehungen zu anderen Staaten damit standen oder fielen, wie schmeichelnd sich ausländische Führungspersonen äußerten.
„Eitelkeit und ein fragiles Selbstwertgefühl“
„Von seinem Stab und jedem, der in seinen Orbit kam, verlangte Trump ständige Aufmerksamkeit und Lobhudelei“, schreibt Hill. Insbesondere in internationalen Angelegenheiten hätten seine „Eitelkeit und sein fragiles Selbstwertgefühl“ eine „akute Verwundbarkeit“ dargestellt.
Hill schildert, wie Putin Trump manipulierte, indem er ihm Komplimente machte oder sie ihm vorenthielt - ein Manöver, das der Autorin zufolge bei diesem Präsidenten mehr wirkte als Schmutz oder Erpressungsversuche es hätten tun können. Als sich Trump 2018 auf einer gemeinsamen Pressekonferenz mit Putin in Helsinki in Sachen russische Einmischung in die Wahl 2016 anscheinend auf die Seite des Kremlchefs schlug und damit seinen eigenen Geheimdienstbehörden widersprach, rastete Hill fast aus.
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Laut Russlandexpertin Hill soll Putin Trump mit Komplimenten manipuliert haben.
© Quelle: Evan Vucci/AP/dpa
„Ich wollte die ganze Sache beenden“, schreibt sie. „Ich dachte daran, eine Szene zu machen oder einen Anfall vorzutäuschen und mich selbst rückwärts in die Reihe der Journalisten hinter mir stürzen zu lassen. Aber das hätte nur noch zu dem erniedrigenden Spektakel beigetragen.“
Trumps vergeudetes Talent
Hill sah aber in Trump auch ein seltenes, wenngleich letztendlich vergeudetes Talent. Er habe die Sprache vieler Durchschnittsmenschen gesprochen, die gleichen Dinge verachtet, ohne einen Filter agiert, das gleiche Essen gemocht und mit Wonne die ermüdenden Normen der Elite zerfetzt. „Er hatte klar ein Gefühl dafür, was Leute wollten“, sagte Hill der AP. Er habe zwar persönlich nicht die gleichen Erfahrungen gemacht, „aber er verstand es“.
Doch diese Fähigkeiten wurden aus ihrer Sicht vergeudet. Anstatt mit ihrer Hilfe die Menschen zum Guten zu mobilisieren, habe er sie nur genutzt, um sich selbst zu dienen - nach dem Motto „Ich, das Volk“ („Me The People“), wie der Titel eines Buchkapitels lautet.
Trump bewunderte Putin als „äußerst knallharten Typen“
Trump bewunderte Putin wegen seines Reichtums, seiner Macht und Berühmtheit, betrachtete ihn, wie Hill es formuliert, als den „äußersten knallharten Typen“. Trump habe nach und nach dem autokratischen und populistischen Kreml-Führer mehr geähnelt als jeder andere der jüngsten amerikanischen Präsidenten, sagt Hill. „Manchmal war sogar ich erschrocken, wie krass offensichtlich die Ähnlichkeiten waren.“
Hill nennt die Entwicklung des modernen Russlands, das unter Putin langsam in den Autoritarismus verfallen sei, ein „abschreckendes Beispiel“ für die USA - ein Vorbote dessen, was drohe, wenn die politische Spaltung im Land nicht überwunden werde.
RND/AP