Russische Partisanengruppe reklamiert Anschlag auf kremltreuen Militärblogger für sich
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Bei einem Sprengstoffanschlag in einem St. Petersburger Café ist am Sonntag der kremlnahe Militärblogger Wladlen Tatarski, der mit bürgerlichen Namen Maxim Fomin hieß, getötet worden.
© Quelle: IMAGO/ITAR-TASS
Die Schockwelle nach dem tödlichen Anschlag auf den nationalistischen Militärblogger Wladlen Tatarski hallt in Russland noch immer nach. Vor allem im russischen Machtapparat ist das Entsetzen groß über die Tat. Zeigt es doch die Verwundbarkeit des Regimes und ihrer treuesten Gefolgsleute – selbst im eigenen Land. Entsprechend schnell war die russische Führung um Aufklärung bemüht, die Strippenzieher früh ausgemacht: „Es gibt Angaben, dass die ukrainischen Geheimdienste mit der Planung dieses Terroranschlags etwas zu tun haben könnten“, sagte Kremlsprecher Dmitri Peskow am Montag. Ein absehbarer Vorwurf, der nun aber deutliche Risse bekommt – und den Kreml weiter schwer unter Druck setzen könnte.
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Grund dafür ist ein Bekennerschreiben, das seit Dienstagabend in mehreren sozialen Medien kursiert – und nicht aus der Ukraine, sondern aus Russland stammt. Konkret: von der russischen Partisanengruppe „Nationale Republikanische Armee“ (NRA). Die Untergrundorganisation – deren Existenz bis heute ungeklärt ist – reklamierte bereits den Anschlag auf die kremltreue Publizistin Darja Dugina für sich, die im vergangenen Jahr bei einer Autoexplosion in der Nähe von Moskau getötet wurde. Nun will die Gruppe auch für das zweite tödliche Attentat auf russische Propagandisten seit Beginn des russischen Angriffskriegs vor gut einem Jahr verantwortlich sein.
NRA bekannte sich auch zu Dugina-Anschlag
„Am 2. April 2023 haben wir eine Aktion gegen die Z-Aktivistengruppe und persönlich gegen den bekannten Kriegspropagandisten, Kriegsverbrecher Maxim Fomin, bekannt als Wladlen Tatarski, organisiert und durchgeführt“, heißt es in dem Schreiben der St. Petersburger Spalte der NRA, das auf dem Telegram-Kanal „Rospartizan“ veröffentlicht wurde. Die Bekenner weisen darin auch die Kremlbehauptung zurück, der Anschlag sei aus der Ukraine organisiert worden. „Diese Aktion wurde von uns in Eigenregie vorbereitet und durchgeführt, und wir haben keine Verbindung und keine Hilfe von irgendwelchen ausländischen Strukturen, geschweige denn Geheimdiensten bekommen.“
Geteilt wurde das Statement auf Twitter und Telegram auch vom russischen Oppositionellen und Ex-Duma-Abgeordneten Ilya Ponomarev. Als einziger russischer Parlamentsabgeordneter wagte er es im Jahr 2014 gegen die Annexion der Krim zu stimmen. Neben dem inhaftierten Alexej Nawalny gilt er als größter Putin-Gegner. Im Gegensatz zu Nawalny ist Ponomarev aus Russland geflohen, lebt seither im ukrainischen Exil. Einen Monat vor dem Dugina-Anschlag rief er die Russinnen und Russen auf, sich mit Waffengewalt gegen Putin zu stellen. Er war es auch, der das Attentat an der Publizistin der NRA zuschrieb.
Nun soll die Partisanengruppe für den nächsten Mordanschlag verantwortlich sein. Der kremlnahe Militärblogger Tatarski (mit bürgerlichem Namen Maxim Fomin) wurde am Sonntag bei einer Explosion in einem St. Petersburger Café, das Wagner-Chef Jewgeni Prigoschin gehört, getötet. Tatarski, der die „totale Vernichtung der Ukraine“ forderte, wollte in dem Café über seine Erfahrungen als Kriegsreporter im Kampfgebiet im Osten der Ukraine sprechen. Doch dann explodierte die Bombe, Tatarski starb, 30 weitere Menschen wurden verletzt. Die NRA betont in ihrem Schreiben: „Die von uns durchgeführte Aktion richtete sich nicht gegen Zivilisten.“ Alle Opfer seien aktive Unterstützer des Krieges.
Kriegsbefürwortender Blogger kommt bei Explosion in St. Petersburg ums Leben
Der kremlnahe Militär-Blogger Wladlen Tatarski ist tot - Russland hat die Führung in Kiew für die Ermordung verantwortlich gemacht.
© Quelle: dpa
Russische Justiz klagt 26-Jährige wegen Terrorismus an
Putin reagierte rasch auf den Tod seines treuen Propagandisten und verlieh ihm posthum einen Orden. „Für Mut und Kühnheit, die er bei der Erfüllung seiner beruflichen Pflichten demonstriert hat“, werde Tatarski mit dem Tapferkeitsorden ausgezeichnet, hieß es in einem am Montag veröffentlichten Dekret von Präsident Putin.
Als Täterin machten die russischen Sicherheitsbehörden schnell die 26-jährige Darja Trepowa aus. Sie wurde von der russischen Justiz inzwischen wegen Terrorismus angeklagt. Sie soll dem Militärblogger demnach auf Befehl aus der Ukraine eine mit Sprengstoff gefüllte Büste übergeben haben. Auf einem vom russischen Innenministerium veröffentlichten Verhörvideo hatte die Frau zuvor eingeräumt, Tatarski die Figur überreicht zu haben. Mordpläne gab sie dabei allerdings nicht zu. Ihr Ehemann erklärte, seine Frau sei davon ausgegangen, dass in der Büste eine Wanze befestigt gewesen sei, um Tatarski abzuhören.
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„Lukaschenko tut so ziemlich alles, um Russlands Angriffskrieg zu unterstützen“
Er kennt Belarus wie nur wenige: Jakob Wöllenstein, Leiter der dortigen Konrad-Adenauer-Stiftung, spricht im Interview über die Nähe des Landes zu Russland, dessen Hilfe im Ukraine-Krieg für Putin und was aus der Demokratiebewegung in Belarus wurde.
Laut der Partisanengruppe soll Trepowa mit der Tat jedoch nichts zutun haben. „Die russischen Sicherheitskräfte handeln in ihrem traditionellen Stil – sie beschuldigen und ergreifen diejenigen, die sie erreichen können, unabhängig von ihrer Beteiligung, wie es bei Darja Trepowa geschehen ist“, heißt es in dem Schreiben. Sie sei eine bekannte Figur der linken und feministischen Bewegung, die durch ihre Teilnahme an Oppositionsbewegungen ein Dorn im Auge der Behörden gewesen sein soll.
„Russland wird frei sein“
Derweil plant das russische Parlament bereits weitere Gesetzesverschärfungen. „In der nächsten Zeit schlagen wir Änderungen vor, die die Strafen für Terrorismus verschärfen“, schrieb der Chef des Sicherheitsausschusses im Parlament, Wassili Piskarjow, am Montag auf seinem Telegram-Kanal. Die Änderungen beträfen nicht nur Terroranschläge selbst, sondern auch Beihilfe und Terrorpropaganda, kündigte der einflussreiche Abgeordnete der Kremlpartei Geeintes Russland an. Dies sei nötig, um Russland vor der wachsenden Gefahr aus der Ukraine zu schützen, behauptete Piskarjow. Keiner, der einen Anschlag ausführe, plane oder auch nur rechtfertige, dürfe „um die schärfsten Strafen“ herumkommen.
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Die Untergrundbewegung ruft in ihrem Bekennerschreiben auch deshalb russische Menschenrechtsaktivistinnen und -aktivisten dazu auf, Trepowa „und anderen unschuldigen Menschen“ zu helfen, die in die Fänge der Behörden geraten. Weiter appellierte die NRA an das russische Volk allen drohenden Strafen zum Trotz, „dem kriminellen russischen Regime bis zu seiner vollständigen Zerstörung Widerstand zu leisten“. Ihr Bekennerschreiben schlossen die Partisanen mit dem hoffnungsvollen Ausruf: „Russland wird frei sein!“