Sanktionen: 18 Firmen bei Nord Stream 2 abgesprungen

Das russische Rohrverlegeschiff „Akademik Tscherski“ liegt derzeit im Ostseehafen Wismar und wird hier mit weiterer Technik ausgerüstet.

Das russische Rohrverlegeschiff „Akademik Tscherski“ liegt derzeit im Ostseehafen Wismar und wird hier mit weiterer Technik ausgerüstet.

Berlin. Mindestens 18 europäische Unternehmen haben bislang ihre Teilnahme an dem umstrittenen Gaspipelineprojekt Nord Stream 2 auf Druck der USA beendet oder ihren Rückzug zugesichert. Das geht aus einem Bericht des US-Außenministeriums an den US-Kongress hervor, der bisher nicht veröffentlich ist, aber der Nachrichtenagentur dpa in Washington vorliegt. Unter den genannten Firmen ist der Industriedienstleister Bilfinger aus Mannheim und der zur Münchener Rück gehörende Versicherer Munich Re Syndicate Limited. Beide Unternehmen bestätigten auf Anfrage des RedaktionsNetzwerks Deutschland (RND), dass sie für Nord Stream 2 tätig gewesen sind. Offen blieb, wie lange dieses Engagement zurückliegt und damit auch die Frage, wie aktuell der Bericht des US-Außenministeriums ist.

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Bilfinger: „Die Arbeiten sind abgeschlossen“

Bei der Bilfinger SE in Mannheim, einem auf die Wartung von Industrieanlagen spezialisierten Dienstleister mit weltweit 30.000 Beschäftigten und einem Jahresumsatz von 3,5 Milliarden in 2020, hieß es, man habe „Leistungen im Zusammenhang mit dem Projekt Nord Stream 2 erbracht“. Diese Leistungen, so Pressesprecherin Esther Döringer, hätten sich in einem für Bilfinger vergleichsweise kleinen Projektrahmen von rund 15 Millionen Euro bewegt. Und: „Die Arbeiten sind abgeschlossen.“ Dieses Zitat ist dahingehend interpretierbar, dass das Engagement länger zurückliegt und Bilfinger vom aktuellen Sanktionsdruck der USA nicht mehr betroffen ist.

Ähnlich klingt es auch beim Versicherungskonzern Münchener Rück, der seit 2009 unter Marke Munich RE firmiert. „Die Vertragsbeziehung zwischen Nord Stream 2 und unserem Tochterunternehmen Munich Re Syndicate Ltd wurde beendet“, teilte Pressesprecher Axel Rakette mit, wollte sich jedoch zu weiteren Details nicht äußern, da man „grundsätzlich keine Auskunft zu individuellen Kundenbeziehungen“ gebe.

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Auch beim Bundeswirtschaftsministerium gab man sich bedeckt: „Etwaige Verhandlungen oder Gespräche führen wir auch weiter nicht öffentlich und kommentieren diese auch nicht“, teilte Sprecherin Susanne Ungrad mit.

Bei den meisten Firmen, die in dem Bericht genannt werden, handelt es sich um Versicherungskonzerne, die überwiegend in Großbritannien ansässig sind. Aber auch die Schweizer Zurich Insurance Group und die Axa Group mit Sitz in Paris haben ihre Mitarbeit an Nord Stream 2 beendet. Die Zurich Insurance teilte gegenüber RND mit, man habe sich „eng mit dem U.S. Department of State abgestimmt“, um die Sanktionen zu erörtern. „Wir haben alle unsere Versicherungsdeckungen gekündigt, die unter dem im Januar in Kraft getreten National Defense Authorization Act für 2021 sanktionsfähig waren“, erklärte Zurich-Sprecher Thomas Baer und versicherte, man werde „weiterhin eng mit dem U.S. Department of State sowie allen anderen Aufsichtsbehörden weltweit zusammenarbeiten, um sicherzustellen, dass alle unsere Aktivitäten im Einklang mit den geltenden Gesetzen und Vorschriften stehen.“

Sprecher Ned Price: „Sanktionen wirken“

Der Sprecher des US-Außenministeriums, Ned Price, sagte am Montag, der Rückzug zahlreicher Firmen aus dem Projekt zeige, dass das Vorgehen der US-Regierung wirke. Er betonte, die USA hielten die Sanktionsdrohungen aufrecht. „Wir haben deutlich gemacht, dass Unternehmen Sanktionen riskieren, wenn sie an Nord Stream 2 beteiligt sind.“ Aktuell haben die USA Sanktionen gegen das russische Unternehmen KVT-RUS verhängt, das den Rohrverleger „Fortuna“ betreibt, der auf der Ostsee unterwegs ist. Diese Strafmaßnahme hatte noch die Regierung unter Präsident Donald Trump kurz vor dem Ende ihrer Amtszeit im Januar auf den Weg gebracht.

In dem von US-Außenminister Antony Blinken unterzeichneten Bericht wird laut dpa ausdrücklich auch auf die Haltung der Bundesregierung eingegangen. „Die deutsche Regierung steht weiterhin voll hinter dem Nord-Stream-2-Projekt“, heißt es. Die Bundesregierung betone, dass es sich um ein notwendiges Wirtschaftsprojekt handele. „Deutschland lehnt US-Sanktionen als Angriff auf die Souveränität Deutschlands und der EU entschieden ab.“

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Die USA laufen Sturm gegen das Projekt, weil sie eine zu große Abhängigkeit ihrer Partner in Europa von Russland befürchten. Kritiker der US-Sanktionen halten entgegen, die Amerikaner würden eigene wirtschaftliche Interessen verfolgen und wollen ihr aus Gesteinsschichten gepresstes Fracking-Gas in Europa verkaufen, das etwa 25 Prozent teurer ist als russisches Erdgas. Ende 2019 waren die Bauarbeiten an der Ostseepipeline kurz vor der Fertigstellung gestoppt worden, nachdem die USA ein erstes Sanktionsgesetz (Peesa) gegen die Spezialschiffe in Kraft gesetzt hatten, die die Rohre verlegten. Der republikanische Senator Ted Cruz, der als Lobbyist der US-Gasindustrie gilt, hatte damals einen Drohbrief an das Management des Hafens Mukran auf der Insel Rügen geschrieben, wo die Rohre für Nord Stream 2 mit Beton ummantelt und gelagert wurden.

Schwesig: „So geht man nicht miteinander um“

Mecklenburg-Vorpommerns Ministerpräsidentin Manuela Schwesig (SPD) nannte es gegenüber dem RND „absolut inakzeptabel, dass die USA Unternehmen drohen, die sich am Bau einer rechtsstaatlich genehmigten Erdgasleitung beteiligen“. Sie sei im September selbst im Hafen Mukran gewesen, der Drohschreiben von amerikanischer Seite erhalten habe. So gehe man unter befreundeten Nationen nicht miteinander um. „Die Ostseepipeline wird für die Energiewende in Deutschland gebraucht. Die Bundesregierung hat die Ostseepipeline immer befürwortet. Ihr Bau ist rechtsstaatlich genehmigt. Niemand, der sich an ihrem Bau beteiligt, tut etwas Rechtswidriges“, betonte Schwesig.

Deutschland müsse selbst entscheiden können, woher und auf welchem Weg es Energie beziehe, sagte die Schweriner Regierungschefin. Sie hoffe sehr, dass es der Bundesregierung gelinge, mit der amerikanischen Regierung eine Lösung zu finden.

Die Republikaner machen indes weiter Stimmung gegen das Projekt und üben dabei auch Kritik an der Regierung des neuen demokratischen US-Präsidenten Joe Biden. So erklärte Senator Cruz am vergangenen Wochenende: „Die Biden-Regierung signalisiert, dass sie bereit ist, zuzulassen, dass die Pipeline mit katastrophalen Folgen für die amerikanische nationale Sicherheit und für die Energiesicherheit unserer europäischen Verbündeten fertiggestellt wird.“

Litauens Außenminister Gabrielius Landsbergis schlug einen Baustopp von Nord Stream 2 bis zu den russischen Parlamentswahlen vor. „Geben wir Wladimir Putin die Gelegenheit, diesen Herbst eine freie Wahl zur Staatsduma unter Beteiligung der Opposition abzuhalten. Bis dahin lasst uns die Nord-Stream-2-Pipeline stoppen“, wurde er nach dem EU-Außenministertreffen in einer Mitteilung des Außenamts in Vilnius zitiert. Litauen ist wie die USA und einige EU-Staaten gegen die Pipeline.

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