„Steht der Sache im Weg“: Scholz lehnt Ukraine-Reise wegen Steinmeier-Ausladung ab
:format(webp)/cloudfront-eu-central-1.images.arcpublishing.com/madsack/OK2MPUFD5RHHPPDRPBAYW4OX2I.jpeg)
Berlin: Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD, l) spricht in der ZDF-Sendung «Was nun, Herr Scholz?» neben Moderator Peter Frey. Scholz wollte in der Live-Sendung seinen Kurs zum Ukraine-Krieg erklären.
© Quelle: Thomas Kierok/ZDF/dpa
Bei aller Solidarität mit der Ukraine sitzt die Verstimmung bei Olaf Scholz über Präsident Wolodymyr Selenskyj offensichtlich tief. Warum er nicht wie viele andere Politiker nach Kiew reise, wird der Bundeskanzler am Montagabend in der ZDF-Sendung „Was nun?“ gefragt. Ein Millionenpublikum erlebt einen spürbar verärgerten Regierungschef, als der die Ausladung von Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier als Grund dafür angibt, dass er selbst erst einmal nicht fährt.
Deutschland leiste große militärische und finanzielle Hilfe, betont Scholz. Das könne nicht funktionieren, „dass man dann sagt, der Präsident kann aber nicht kommen“. Er meint es ernst. „Das kann man nicht machen“, betont er. Und: „Das steht der Sache im Weg.“
Wann er dem seit fast neun Wochen im Ausnahmezustand und Todesgefahr regierenden ukrainischen Präsidenten diesen diplomatischen Fehltritt nachsehen wird, lässt Scholz offen. Mögen Unionsfraktionschef Friedrich Merz und der Linke-Politiker Gregor Gysi und auch Außenministerin Annalena Baerbock (Grüne) ruhig in die Ukraine fahren - der Kanzler wird sich mit einem Besuch noch Zeit lassen. Das ist seine Botschaft.
+++ Alle Entwicklungen im Liveblog +++
„Russland darf nicht gewinnen und die Ukraine darf nicht verlieren“, stellt Scholz als Ziel klar. Russland sei eine der am meisten hochgerüsteten Nuklearmächte der Welt, eine Weltmacht auch in diesem Sinne, deshalb müsse das Ziel sein, dass diese gewaltsame Politik Russland nicht gelingt.
Waffenlieferungen gelten völkerrechtlich nicht als Kriegseintritt
Die Ausbildung ukrainischer Soldaten und Soldatinnen macht Deutschland völkerrechtlich betrachtet nicht zur Kriegspartei.
© Quelle: dpa
Entschlossenheit und neue alte Fragzeichen
„Putin hat seine ganze Operation nicht zu Ende gedacht“, erklärt der Bundeskanzler. Der Kremlchef habe nicht gedacht, dass die Ukraine solchen Widerstand leistet, dass der Westen sie so umfangreich unterstützt und dass die Länder so viele Sanktionen gegen Russland verhängen. „Das ist der Fehler in seinem Kalkül: Wir werden ohne ein Einvernehmen mit der Ukraine nicht die Sanktionen aufheben. Er muss sich mit der Ukraine einigen und das wird er nicht mit einem Diktatfrieden hinkriegen, das wird er nicht hinkriegen, indem er seine Bedingungen vorschreibt.“ Deutschland werde auch weiterhin nicht akzeptieren, dass Russland die Krim völkerrechtswidrig annektiert hat.
Der SPD-Politiker wirkt dabei aufgeräumt und entschlossen. Er will den Eindruck zerstreuen, dass er unklare Botschaften sende. Aber er wirft neue Fragen auf beziehungsweise lässt alte offen.
Ob Deutschlands Freiheit heute in der Ukraine verteidigt werde - so wie sie nach den Worten des einstigen SPD-Verteidigungsministers Peter Struck in Afghanistan verteidigt wurde? Scholz muss erst überlegen, dann sagt er, was für Afghanistan gegolten habe, gelte auch jetzt. Die Ukraine kämpfe für Freiheit und Rechtstaatlichkeit und Deutschland werde die ukrainische Armee dabei weiter unterstützen.
Auch Deutschlands Hilfe habe dazu beigetragen, dass sie so lange durchhalten könne gegen „einen so übermächtigen Gegner“. Nun will Moderatorin Bettina Schausten wissen, ob das große Zögern vorbei sei? Scholz beklagt sich, dass die Begrifflichkeiten durcheinandergingen, wenn es um schwere Waffen gehe und er sagt: „Wir liefern ziemlich gefährliche Waffen von Anfang an.“ Er wolle weiter „besonnen und mit klarem Verstand handeln“. Es sei ein Fehler, sich „mit dem rhetorischen Wort ‚schwere Waffen‘“ aufzuhalten. „Wir könnten ein vierstündiges Seminar abhalten, was schwere Waffen genau wären.“ Er habe „immer schnell entschieden, zusammen mit allen anderen, mich mit den Verbündeten abgestimmt“. Schlauer wird man dadurch nicht unbedingt.
Scholz: „Deutsche Alleingänge sind mir suspekt“
Scholz hatte am Wochenende deutlich gemacht, dass er trotz Vorwürfen der Opposition an seinem Kurs festhält. „Ich treffe meine Entscheidungen schnell – und abgestimmt mit unseren Verbündeten. Übereiltes Agieren und deutsche Alleingänge sind mir suspekt“, sagte er der „Bild am Sonntag“.
Bei einer Maikundgebung betonte Scholz: „Wir werden die Ukraine weiter unterstützen, mit Geld, mit humanitärer Hilfe, aber auch das muss gesagt werden: Wir werden sie unterstützen, dass sie sich verteidigen kann, mit Waffenlieferungen, wie viele andere Länder in Europa das auch machen.“
Unklarheit in Sachen Ölembargo
Unklar bleibt das deutsche Pochen auf ein Ölembargo gegen Russland. Am Vorabend hatte Baerbock in der ARD-Sendung „Anne Will“ erklärt: „Wir werben auch innerhalb der EU dafür, jetzt im sechsten Sanktionspaket der EU den Ölausstieg als Europa gemeinsam zu gehen.“ Scholz sagt: „Wir können allmählich aus der Kohle raus, wir können etwas schneller auf Öl verzichten.“ Längerfristig könne Deutschland auf Gas verzichten. Was nun?
Ob er sich mit Wladimir Putin an einen Tisch setzen werde, wenn der Kremlchef nicht vom G20-Gipfel im Herbst in Indonesien ausgeschlossen werde, wird Scholz noch gefragt. Er weicht aus. Er will den Gastgeber Indonesien nicht düpieren und bemüht sich um einen Zusammenhalt der Verbündeten. Er beantwortet die Frage nicht. Aber es ist nicht vorstellbar, dass Scholz bei einem G20-Gipfel neben Putin sitzt.
RND/scs/kd/mit dpa