Spahn: Keine Pflicht-Quarantäne für Klinikpersonal
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Ein Schild mit der Aufschrift “Infektionsgefahr” in einem Labor
© Quelle: Felix Kästle/dpa
Berlin. Muss die Schließung von Klinik-Stationen oder ganzen Krankenhäusern in Kauf genommen werden, weil mit dem Coronavirus in Kontakt gekommene Ärzte oder Pfleger vorsorglich zwei Wochen aus dem Verkehr gezogen werden? Nein, sagt nun das Bundesgesundheitsministerium. Nein, sagen auch die Deutsche Krankenhausgesellschaft (DKG) und führende Virologen.
Die Empfehlung des zuständigen Robert-Koch-Instituts (RKI), nach der betroffene Ärzte oder Pfleger 14 Tage zu Hause bleiben sollten, könne jederzeit an die Bedingungen vor Ort angepasst werden, stellte eine Sprecherin von Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU) am Montag klar. Die Krankenhausgesellschaft unterstützte den Vorschlag, das medizinische Personal lieber täglich zu testen, als es im Verdachtsfall sofort in Quarantäne zu schicken.
Virologe: “Die Versorgung bricht zusammen”
Das Gesundheitsministerium reagiert mit seiner Klarstellung auf die Ankündigung der Berliner Charité, die RKI-Empfehlungen nicht mehr eins zu eins umsetzen zu wollen. “Wenn wir das gesamte medizinische Personal, das mit Infizierten Kontakt hatte, in Quarantäne schicken, bricht die medizinische Versorgung für die Bevölkerung zusammen”, hatte der Direktor des Instituts für Virologie an der Charité, Christian Drosten, in einem Zeitungsinterview gewarnt. Er schlug daher vor, auf eine generelle Quarantäne des Klinikpersonals nach einem Kontakt mit einem Infizierten zu verzichten. Stattdessen solle es tägliche Tests geben. Dann würden Pfleger oder Ärzte maximal einen Tag nach einer Infektion noch arbeiten, bevor sie bei einem positiven Test in Quarantäne geschickt würden. In dieser Zeitspanne seien die Betroffenen wahrscheinlich noch gar nicht ansteckend, argumentierte der Experte.
Tägliche Tests sinnvoll
“Tägliche Tests des Personals erscheinen uns sinnvoller, als Krankenhäuser oder Stationen zu schließen”, sagte auch ein Sprecher der Krankenhausgesellschaft. Hier müsse aber die Finanzierung gesichert sein, forderte er. Auch nach Einschätzung der DKG können vor Ort Gesundheitsämter und Kliniken gemeinsam entscheiden, von den eigentlichen Empfehlungen des RKI abzuweichen. Das gelte auch für Quarantänemaßnahmen des Krankenhauspersonals.
Die Stadt und die Region Aachen hatten bereits am Dienstag angekündigt, von den Empfehlungen des RKI zum Coronavirus abzuweichen, um den Betrieb von Krankenhäusern sicherzustellen. Dort werden seitdem beim Auftreten einer Infektion die Mitarbeiter ohne Krankheitssymptome nicht mehr vorsorglich unter Quarantäne gestellt. Die bisherige Regelung könne ganze Stationen lahmlegen und perspektivisch sogar den Betrieb ganzer Krankenhäuser, begründeten die Krisenstäbe die Entscheidung.
Über 500 Fälle in Deutschland
Laut RKI ist die Zahl der bestätigten Infektionen mit dem neuartigen Coronavirus in Deutschland inzwischen auf über 500 gestiegen. Der Erreger ist mittlerweile in 15 Bundesländern nachgewiesen, die meisten registrierten Fälle seit Jahresanfang gibt es in Nordrhein-Westfalen, gefolgt von Baden-Württemberg und Bayern. In Sachsen-Anhalt wurde bislang keine Infektion gemeldet. Viele Patienten sind inzwischen wieder gesund.
Trotz der raschen Ausbreitung von Sars-CoV-2 hat sich Gesundheitsminister Spahn gegen Reisebeschränkungen innerhalb der EU ausgesprochen. “Ich fände jede Maßnahme, die zur Einschränkung des Reiseverkehrs über die Grenze führt, angesichts dessen, was wir über das Virus Stand heute wissen, weiterhin nicht für angemessen”, sagte der CDU-Politiker am Freitag vor einem EU-Sondertreffen in Brüssel. “Und wenn wir da einen Konsens hätten heute, fände ich das ein wichtiges Signal.”