Der Spion, der hier studierte: Die größten Spionagefälle der USA und Russlands
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Eine rote Ampel mit Spionsymbol.
© Quelle: picture alliance
Der US-Journalist Evan Gershkovich wurde in Russland am Donnerstag wegen Spionagevorwürfen festgenommen. Er hatte laut seiner Zeitung, dem „Wall Street Journal“, in Jekaterinburg recherchiert, und war später in Moskau einem Haftrichter vorgeführt worden. Ein Gericht in Moskau hat Haftbefehl erlassen. Seit dem Ende des Kalten Krieges ist es das erste Mal, dass russische Behörden einen ausländischen Journalisten wegen Spionagevorwürfen festnehmen. Gershkovich drohen bei einer Verurteilung 20 Jahre Haft in einem Straflager. Das „Wall Street Journal“ weist die Vorwürfe gegen ihn zurück.
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US-Amerikaner Paul Whelan in Russland zu 16 Jahren Haft verurteilt
Doch ist es nicht das erste Mal, dass die russischen Behörden einem US-Amerikaner Spionage vorwerfen. Paul Whelan wurde 2018 in Russland festgenommen, ebenfalls vom Inlandsgeheimdienst FSB. Kurz vor Weihnachten reiste der ehemalige US-Marinesoldat wegen einer Hochzeit eines Ex-Kollegen nach Moskau. Zu dem Zeitpunkt arbeitete er nicht mehr für die Marine, sondern war Direktor für globale Sicherheit bei Borgwarner – einem internationalen Automobilzulieferer mit Sitz in Michigan. Im bekannten Hotel Metropol, wo die Hochzeit stattfinden sollte, wurde Whelan am 28. Dezember 2018 festgenommen und Anfang Januar offiziell angeklagt. In der „New York Times“ bezweifelten ehemalige CIA-Beamte, dass ein Geheimdienst einen Mann mit Militärakte rekrutieren würde. Im Juni 2020 wurde der IT-Experte zu 16 Jahren Haft verurteilt. Seit Dezember 2020 ist er im Hochsicherheitsgefängnis IK-17, etwa acht Stunden von Moskau entfernt, inhaftiert.
Im Juli 2022 sah es kurzzeitig so aus, als ob Whelan im Zuge eines Gefangenenaustausches freikommen könnte. Doch der 53-Jährige blieb in Haft. Denn für den verurteilten Waffenschmuggler russischen Viktor Bout kam die US-amerikanische Basketballspielerin Brittney Griner frei. Die russische Regierung habe ein Ultimatum gestellt, berichtete die „New York Times“: Entweder komme Griner frei oder keiner. Der Bruder von Whelan habe dem Handeln der USA zugestimmt, „den Deal, der möglich war, zu machen, anstatt auf einen zu warten, der nicht zustandekommen würde“.
Weiterem US-Bürger wird Spionage in Russland vorgeworfen
Anfang des Jahres gab das russische FSB bekannt, dass sie einen Kriminalfall gegen einen US-Bürger eröffnen. Darüber berichtete auch der „Guardian“. Wer genau diese Person ist, wurde nicht bekannt gegeben. Das FSB wirft der Person Spionage im „biologischen Bereich“ vor.
Russe soll Infos über Nuklearwaffen an USA weitergegeben haben
Der gebürtige Russe Igor Sutjagin wurde bereits 1999 festgenommen, nachdem er Informationen über russische Nuklearwaffen an die USA weitergeben haben soll. Doch erst 2004 wurde er zu 15 Jahren Lagerhaft verurteilt. Sutjagin selbst gab an, dass die Informationen aus frei zugänglichen Quellen stammen sollten. Amnesty International erklärte den Atomphysiker zu einem politischem Gefangenen – dem ersten Fall nach dem Ende der Sowjetunion 1991. Sein Fall landete vor dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte – das ihm teilweise recht gab. 2010 kam Sutjagin durch einen Gefangenenaustausch nach London, wo er sich niedergelassen haben soll.
Fall Skripal löste diplomatische Krise zwischen Westen und Russland aus
Sergej Skripal war Oberst des russischen Militärnachrichtendienstes GRU. Er lief 1995 zum britischen Geheimdienst MI6 über und soll Informationen über russische Agenten weitergegeben haben. Etwa vier Jahre später wurde Skripal als Informant enttarnt und verhaftet. Er saß sechs Jahre in Haft und kam 2010 durch einen Gefangenenaustausch nach Großbritannien. 2018 wurde er zusammen mit seiner Tochter Yulia mit einem Nervengift der Nowitschok-Gruppe vergiftet, was eine diplomatische Krise zwischen dem Westen und Russland auslöste. Yulia und Sergeij Skripal überlebten den Anschlag. Nach der Vergiftung wiesen die USA 2018 etwa 60 Verdächtige aus, denen Spionage für Russland vorgeworfen wurden. Laut der Nachrichtenagentur Reuters hätten sich zu dem Zeitpunkt etwa 100 russische Spioninnen und Spione in den USA aufgehalten, die sich als Diplomaten ausgegeben hätten. Europäische Staaten haben zum gleichen Zeitpunkt insgesamt 50 Verdächtige ausgewiesen.
Auch „illegale“ Spione enttarnt
Auch nach dem Kalten Krieg haben sich die USA und Russland gegenseitig immer wieder Spionage vorgeworfen. So hat die USA erst vorige Woche Details über einen Mann veröffentlicht, der als „illegaler“ Spion für Russland gearbeitet haben soll. „Illegale“ Spione sind solche, die keine offizielle Beziehung zur russischen Regierung haben, sich also auch nicht als Diplomaten ausweisen.
Erst vorige Woche hatte die USA die Anklage gegen einen Mann veröffentlicht, dem vorgeworfen wird, als Spion unter einer falschen Identität den Internationalen Gerichtshof in Den Haag infiltrieren zu wollen, wie unter anderem der britische „Guardian“ berichtete. Er soll sich als brasilianischer Staatsbürger mit dem Namen Victor Muller Ferreira ausgegeben und in den USA Internationale Beziehungen studiert haben. Im vergangenen April wurde er bei seiner Landung in den Niederlanden, er wollte ein Praktikum beim Internationalen Gerichtshof antreten, festgenommen. In Brasilien wurde er im Juli wegen Urkundenfälschung zu 15 Jahren Haft verurteilt.
Er soll vor dem russischen Angriffskrieg Informationen über die Haltung von Gelehrten gegenüber Russland in den USA gesammelt haben. Insbesondere interessierte den 37-Jährigen eine mögliche militärische Reaktion auf die Invasion, wie der Sender CNN berichtete.
2010 arbeitete die gebürtige Russin Anna Chapman als Immobilienmaklerin in New York. Am 27. Juli des Jahres wurde sie zusammen mit neun anderen Agenten vom FBI wegen Spionage verhaftet. Nur eine Woche später wurden die zehn Agenten gegen vier andere, darunter Sutjagin und Skripal, am Flughafen Wien ausgetauscht. Nach ihrer Rückkehr nach Russland übernahm Chapman eine führende Rolle in der Jugendorganisation der Putin-Partei Einiges Russland. Später soll sie als Moderatorin bei russischen Privatsendern aufgetreten sein.
RND/goe