Steinmeier wirbt für einen „demokratischen Patriotismus“
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Frank-Walter Steinmeier mit Wolfgang Schäuble und Angela Merkel im Bundestag
© Quelle: AP Photo/Michael Sohn
Berlin. Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier hat die Ausrufung der Republik am 9. November 1918 als „Meilenstein der deutschen Demokratiegeschichte“ gewürdigt. Der 9. November 1918 habe in der Erinnerungskultur nie den Platz gefunden, der ihm zustehe, sagte Steinmeier in einer Gedenkstunde des Bundestages in Berlin. Die Weimarer Republik werde fast nie von ihrem Anfang her gedacht, sondern meist ausgehend von ihrem Ende im Jahr 1933 durch die Machtübernahme der Nationalsozialisten.
Vor 100 Jahren hatte der Sozialdemokrat Philipp Scheidemann vom Berliner Reichstagsgebäude aus die erste deutsche Republik ausgerufen. Zugleich steht der 9. November auch für eines der dunkelsten Kapitel in der deutschen Geschichte: Am 9. November 1938 inszenierten die Nationalsozialisten die reichsweiten Pogrome gegen die Juden. Die gewaltsame Verfolgung und spätere Vernichtung der jüdischen Bevölkerung nahm damit ihren Anfang. Mit der DDR-Grenzöffnung am 9. November 1989 wiederum wurde der friedlichen Vereinigung der beiden deutschen Staaten der Weg geebnet.
Der 9. November 1918 stehe „für den Durchbruch der parlamentarischen Demokratie“, sagte Steinmeier: „Und deshalb verdient er einen herausragenden Platz in der Erinnerungskultur unseres Landes!“ Denn wer heute glaube, die Demokratie sei mittlerweile eine Selbstverständlichkeit und der Bundestag ein „Alltagsgegenstand, ganz wie ein altes Möbelstück“, der solle auf das Jahr 1918 blicken. „Nein, dieses Parlament ist keine Selbstverständlichkeit und erst recht keine Nebensache“, sagte Steinmeier. Es sei eine historische Errungenschaft, „und für diese Errungenschaft, für dieses Erbe müssen wir streiten“.
„Nicht alle diese Menschen sind Gegner der Demokratie – aber sie alle fehlen der Demokratie“
Der 9. November sei von Ambivalenz geprägt. „Am 9. November erinnern wir Deutsche an beides: an Licht und an Schatten unserer Geschichte“, sagte der Bundespräsident mit Verweis auf die Novemberpogrome von 1938. Sie stünden „für den unvergleichlichen Bruch der Zivilisation, für den Absturz Deutschlands in die Barbarei“.
„Wir können stolz sein auf die Traditionen von Freiheit und Demokratie, ohne den Blick auf den Abgrund der Schoah zu verdrängen“, sagte der Bundespräsident und warb für einen „demokratischen Patriotismus“ anstelle eines „aggressiven Nationalismus“.
Steinmeier warnte in der Gedenkstunde zum „Schicksalstag der Deutschen“: „So wenig der Demokratie am 9. November 1918 ihr Scheitern schon vorherbestimmt war, so wenig ist heute, 100 Jahre später, ihr Gelingen garantiert!“ Es gebe ein wachsendes Unbehagen an der Parteiendemokratie, bis hinein in die Mitte der Gesellschaft. „Wir erleben, wie manche die Parlamente gar nicht mehr als Orte für politische Lösungen ansehen wollen“, sagte der Bundespräsident: „Nicht alle diese Menschen sind Gegner der Demokratie - aber sie alle fehlen der Demokratie.“ Gerade die Geschichte der Weimarer Republik zeige, wie Bürger gebraucht würden, die bereit seien, Verantwortung zu übernehmen und sich den Mühen demokratischer Politik zu stellen.
Von RND/dpa/epd/ngo