Union und Grüne erhöhen Druck auf Scholz: Kanzler soll sich in Flüchtlingsdebatte einschalten
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Bundeskanzler Olaf Scholz bei einer Kabinettssitzung.
© Quelle: IMAGO/Jochen Eckel
Berlin. In die heftige Debatte um eine Aufstockung der Bundesmittel für die Kommunen zur Versorgung von Geflüchteten sollte sich nach Ansicht der Grünen der Bundeskanzler möglichst vor dem Bund-Länder-Gipfel am 10. Mai einschalten. Die Migrationsexpertin der Grünen-Bundestagsfraktion, Filiz Polat, pochte am Dienstag auf ein klares Signal von Olaf Scholz „zur angemessenen finanziellen Unterstützung der Kommunen mit dem Ziel einer fairen Kostenteilung zwischen Bund und Ländern“. Es wäre umso besser, wenn dieses Signal früher als beim Flüchtlingsgipfel komme, sagte Polat dem RedaktionsNetzwerk Deutschland (RND) am Dienstag.
Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) hatte in der vorigen Woche Empörung in Ländern und Kommunen hervorgerufen, weil sie es als „seltsam“ bezeichnete, dass Kommunen Anfang April davon sprechen, dass das Geld vom Bund zur Unterbringung von Geflüchteten in diesem Jahr nicht ausreichen werde. Die SPD-Bundestagsfraktion beklagte unterdessen, dass einzelne Landesregierungen wie etwa NRW die Gelder „nicht eins zu eins“ an die Städte und Gemeinden weiterleiteten.
80 Prozent mehr Asylanträge
Wie angespannt die Lage bei der Versorgung von Geflüchteten ist, zeigt auch die am Dienstag vom Bundesamt für Migration und Flüchtlinge veröffentlichte die sogenannte Asylgeschäftsstatistik für März. Im ersten Quartal 2023 haben demnach insgesamt 87.777 Personen einen Asylantrag in Deutschland gestellt. Gegenüber dem Vergleichszeitraum des Vorjahres sei das ein Anstieg um 80,3 Prozent teilte das BAMF mit. Ukraine-Geflüchtete tauchen in der Statistik gar nicht auf: Sie müssen in Deutschland keinen Asylantrag stellen, sondern können sich als arbeitssuchend melden.
Für die Unionsfraktion im Bundestag sind das alarmierende Zahlen. „Die Migrationskrise muss endlich Chefsache innerhalb der Bundesregierung werden“, sagte Alexander Throm, innenpolitischer Sprecher der Unionsfraktion, dem RND. Von Kanzler Scholz höre man aber immer noch kein Wort. „So kann es nicht weitergehen, die Grenzen der Belastbarkeit sind vielerorts erreicht“, sagte Throm. Die irreguläre Zuwanderung müsse deutlich reduziert werden. Stephan Thomae, Parlamentarischer Geschäftsführer der FDP-Bundestagsfraktion, sieht dagegen keinen Grund zur Kritik an Scholz: „Die gesamte Bundesregierung, auch der Bundeskanzler, nimmt die Flüchtlingssituation sehr ernst.“
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Clara Bünger, Sprecherin für Flucht- und Rechtspolitik der Linken, lehnte Forderungen nach einer verschärften Abschottung und einer Begrenzung der Aufnahme von Geflüchteten ab. Das sei keine Lösung und verbiete sich aus Gründen der Humanität und des Völkerrechts, sagte sie dem RND. Stattdessen müssten Bund, Länder und Kommunen nachhaltig in bezahlbaren Wohnraum und die öffentliche Infrastruktur investieren.
Pro Asyl: Neue Pauschalregelung für Gemeinden
Der Sprecher der Menschenrechtsorganisation Pro Asyl, Tareq Alaows, unterstützte das Begehren der Kommunen nach mehr finanziellen Hilfen. Die Regierung müsse sich von pauschalen Summen entfernen und stattdessen „pro aufgenommener Person eine Pauschale für Integration und Unterbringung an die jeweilige Kommune zahlen“, sagte Alaows dem RND.
Er kritisierte außerdem, dass die rechtlichen Rahmenbedingungen die Geflüchteten in der Wahl einer Unterkunft einschränken: „Besonders im ländlichen Raum finden viele Geflüchtete eine Wohnung, in der sie alternativ unterkommen könnten. Allerdings können sie ihre Gemeinschaftsunterkunft nicht verlassen, weil die Behörden das nicht erlauben.“ Mit einem anderen gesetzlichen Rahmen könnte man hier seiner Meinung nach die Gemeinschaftsunterkünfte entlasten.
Dorf in Nordfriesland hat mehr Flüchtlinge als Einwohner
Auf rund 700 Einwohner kommen im Dorf Seeth knapp 800 Geflüchtete und Asylsuchende. Sie wohnen in einer Landesunterkunft am Dorfrand.
© Quelle: dpa
Der stellvertretende Vorsitzende der SPD-Bundestagsfraktion, Dirk Wiese, stellte sich hinter seine Parteikollegin Faeser: „Ich bin Bundesinnenministerin Nancy Faeser sehr dankbar, dass sie zum wiederholten Male die relevanten Akteure zu einem Spitzentreffen zusammengebracht hat“, sagte er dem RND mit Blick auf den vergangenen Flüchtlingsgipfel im Februar. „Wie wir sicherstellen können, dass die Hilfen des Bundes auch wirklich bei den Kommunen ankommen, wird ein Thema der Ministerpräsidentenkonferenz im Mai sein“, sagte er dem RND.