Diakonie-Präsident wirft Lindner Fake News vor

Streit um Kindergrundsicherung wird schärfer: Lindner will Bildungsförderung statt Geld für Familien

Kein Geld für Kinder in Armut? Finanzminister Lindner rechnet fürs nächste Jahr mit Steuereinnahmen in Rekordhöhe von über einer Billion Euro. Nicht jedoch für die Einführung einer erhöhten Kindergrundsicherung (Symbolbild).

Kein Geld für Kinder in Armut? Finanzminister Lindner rechnet fürs nächste Jahr mit Steuereinnahmen in Rekordhöhe von über einer Billion Euro. Nicht jedoch für die Einführung einer erhöhten Kindergrundsicherung (Symbolbild).

Berlin. Ungeachtet der im Koalitionsvertrag versprochenen Kindergrundsicherung zur Bekämpfung der Kinderarmut in Deutschland finden die Ampelparteien keine Lösung in ihrem Streit um das finanzielle Volumen und die inhaltlichen Schwerpunkte. Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) sagte der Deutschen Presse-Agentur mit Blick auf die 12-Milliarden-Euro-Forderung von Familienministerin Lisa Paus (Grüne), zusätzliche Milliardentransfers würden Familien nicht weiterhelfen, denn Kinderarmut sei oft in Bildungs- oder Erwerbsarmut der Eltern begründet. „Insbesondere sollten wir Spracherwerb und Bildung bei den Eltern fördern, damit sie auf dem Arbeitsmarkt ein eigenes Einkommen erzielen können“, forderte er.

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Diakonie-Präsident Ulrich Lilie sagte dazu dem RedaktionsNetzwerk Deutschland (RND): „Das geht schon in Richtung Fake News. Tatsächlich haben viele dieser Eltern Jobs im Niedriglohnsektor.“ Sie bräuchten Sozialhilfe, um überhaupt über die Runden zu kommen. „Kinder haben durch die Armut ihrer Eltern oft keine Möglichkeit, an sozialen oder kulturellen Angeboten teilzuhaben.“ Je höher die Belastung der Eltern, desto höher müsse auch die Förderung sein. Er kritisierte das „Dickicht an Verwaltungsbegriffen wie Kinderzuschlag, Sockelgeld, Kinderfreibeträgen“. Niemand blicke mehr durch.

„Die Kindergrundsicherung wird kommen“

SPD-Parteichefin Saskia Esken pochte erneut darauf, den Kreis der Bezieherinnen und Bezieher des – auf monatlich bis zu 250 Euro aufgestockten – Kinderzuschlags zu erweitern. Nur 30 Prozent der Anspruchsberechtigten bezögen diesen Zuschlag, weil das Antragsverfahren viel zu kompliziert sei. Esken sagte im ZDF, sie gehe davon aus, dass eine Summe von 12 Milliarden Euro gebraucht werde. Bislang sei das aber noch eine Schätzung. Lindner sieht kaum Spielraum im Haushalt und verweist auf die bereits erfolgte Kindergelderhöhung – ebenfalls auf 250 Euro im Monat pro Kind.

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Mit der Kindergrundsicherung sollen ab 2025 die staatlichen Leistungen für Familien und Kinder vom Kindergeld über den Kinderzuschlag bis hin zur finanziellen Unterstützung für Klassenfahrten gebündelt werden.

Kinder fördern

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Wie bringt man Kleinkindern Kompetenzen bei, die man selbst nicht besitzt? Und was braucht es, damit Kinder mit guten Voraussetzungen in die Schule gehen? Ein Interview mit der Entwicklungspsychologin Manja Attig vom Nationalen Bildungspanel.

Der stellvertretende SPD-Fraktionsvorsitzende Sönke Rix versicherte: „Die Kindergrundsicherung ist zwischen den Koalitionspartnern vereinbart – und sie wird auch kommen.“ Die Erhöhung des Kindergeldes allein reiche nicht aus, sagte er dem RND. Rix machte darauf aufmerksam, dass einige Familien davon überhaupt nicht profitierten. Denn: „Beim Bezug von Bürgergeld wird das Kindergeld beispielsweise als Einkommen verrechnet.“ Er forderte aber Paus zum Handeln auf: „Der nächste Schritt ist nun, dass die Familienministerin ein konkretes Konzept vorlegt, wie eine Kindergrundsicherung aussehen soll.“

Diakonie-Präsident: „Die Ungleichheit in unserem Land wird immer größer“

Der Präsident des Deutschen Lehrerverbandes, Heinz-Peter Meidinger, hält eine Kindergrundsicherung für ein in Teilen zu „unscharfes“ Instrument. Allein mehr Geld für die Eltern sei nicht der Königsweg, sagte er dem RND. „Ein besserer Ansatz wäre zum Beispiel, die Kinder mit Lerndefiziten aus sozial benachteiligten Familien kostenlos in verpflichtende Förderkurse zu schicken.“ Bei kostenintensiven Schulprojekten wie Skifreizeiten oder Schulfahrten sei die Unterstützung sozial benachteiligter Kinder noch unzureichend – hier könne eine Kindergrundsicherung den Betroffenen theoretisch zugutekommen. „Allerdings habe ich so meine Zweifel, ob dieses Geld am Ende wirklich zu 100 Prozent bei den Kindern selbst ankommt“, sagte er.

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Er schlug vor, das Programm Digitalpakt Schule neu aufzulegen. 500 Millionen Euro für Schülerlaptops seien bereits geflossen. „Während an manchen Schulen das Geld nicht vollständig abgerufen wurde, hat es an anderen Schulen, gerade in sozialen Brennpunkten, nicht ausgereicht. Ich könnte mir vorstellen, dieses Programm nochmals neu aufzulegen. Bei bestimmten Gruppen, zum Beispiel Schülerinnen und Schülern mit Migrationshintergrund, stehen wir in puncto Förderung noch ganz schlecht da.“

Lilie sagte: „Das Argument, dass Eltern sozial schwacher Familien Hilfsgelder nicht an ihre Kinder weitergeben, ist weit verbreitet und sehr polemisch. Eine Bertelsmann-Studie zeigt, dass gerade Eltern in solchen Verhältnissen alles dafür tun, dass es ihren Kindern besser geht.“ Er mahnte: „Die Ungleichheit in unserem Land wird immer größer.“ Gut verdienende Familien profitierten mehr vom Kindergeld, denn durch den Nettoeffekt komme bei ihren Kindern mehr an als bei den Kindern schlechter gestellten Familien. „In Deutschland leben drei Millionen Kinder in Armut, das ist jedes fünfte Kind in Deutschland. Sie müssen oft mit Entwicklungsverzögerungen leben und haben schlechte informelle Bildungsvoraussetzungen, kommen zum Beispiel aus Haushalten, wo der Fernseher den ganzen Tag läuft und die kalte Pizza auf dem Küchentisch liegt.“

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