Studie: Private Krankenversicherungen schlechter als gesetzliche Krankenkassen
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Privatversicherungen zahlen mitunter nicht alle empfohlenen Schutzimpfungen
© Quelle: imago/Jochen Tack
Berlin. Private Krankenversicherungen bieten selbst in teuren Premium-Tarifen durchweg weniger Leistungen als gesetzliche Kassen und damit nur einen unzureichenden Schutz bei Krankheit. Das ist das Ergebnis einer Studie im Auftrag der Grünen-Bundestagsfraktion, die dem Redaktionsnetzwerk Deutschland (RND) vorliegt.
Danach werden bei den Top-Tarifen der Versicherer im Schnitt mehr als ein Viertel (27 Prozent) der als unverzichtbar definierten Mindestanforderungen nicht erfüllt. Bei der gesetzlichen Krankenversicherung werden hingegen nur drei Prozent der Kriterien gerissen. „Die wiederkehrende Behauptung, die gesetzliche Krankenversicherung sei nur zweitklassig, wird mit dieser Untersuchung klar widerlegt“, sagte Grünen-Gesundheitsexpertin Maria Klein-Schmeink dem RND. Stattdessen könnten etliche der untersuchten Privattarife nicht einmal elementare Leistungen garantieren, kritisierte sie.
Für die Studie hat das Beratungsunternehmen PremiumCircle 103 Mindestkriterien definiert. 100 davon sind Bestandteil des Leistungskatalogs der gesetzlichen Kassen. Dazu gehören unter anderem die ambulante und stationäre Behandlung, Arzneimittel, Kuren, Zahnbehandlungen, Transporte oder Präventionsangebote wie Impfungen. Zusätzlich aufgenommen wurden höhere Leistungen beim Zahnersatz und eine Kostenübernahme bei Sehhilfen ohne Altersbeschränkung, was nach Ansicht der Studien-Autoren zu elementaren Bestandteilen einer Krankenversicherung gehören müsste.
Große Lücken bei Kuren
Untersucht wurden die jeweils leistungsstärksten Tarife von 32 privaten Versicherungsunternehmen mit Kosten zwischen 480 und 730 Euro im Monat, zum Teil mit einer Selbstbeteiligung von bis zu 1000 Euro. Dabei zeigte sich eine enorme Spannweite bei der Erfüllung der Kriterien. Am besten schnitt der Premiumtarif der Barmenia ab, der 99 der 103 Kriterien erfüllt. Auf dem letzten Platz landet der Top-Tarif der Mecklenburgischen Versicherung mit nur 32 erfüllten Anforderungen.
Große Lücken im Vergleich zur gesetzlichen Versicherung gibt es bei den Privattarifen insbesondere bei Kuren und der Rehabilitation. Hier erreichen fast die Hälfte der Tarife die Mindestkriterien nicht. So ist oftmals die stationäre Rehabilitation nach einem Klinikaufenthalt nicht vertraglich garantiert. Lücken bestehen auch bei der Palliativversorgung, der häusliche Krankenpflege, der Psychotherapie sowie bei Impfungen. In der stationären Versorgung gehen viele Tarife dagegen über die Mindestkriterien hinaus, weil zum Beispiel Einzelzimmer bezahlt werden. Auch beim Zahnersatz leisten die Privaten oft mehr als die gesetzlichen Kassen.
Viele Privatversicherte in schlechteren Tarifen
Die Autoren der Studie weisen zur Einordnung der Ergebnisse auf zwei Punkte hin: Zum einen müsse berücksichtigt werden, dass die überwiegende Mehrheit der Privatversicherten gar nicht in den untersuchten leistungsstarken Tarifen versichert sind, sondern in Tarifen mit einem geringeren Leistungsumfang. Zum anderen erinnern sie daran, dass in der gesetzlichen Krankenversicherung insbesondere bei Fachärzten längere Wartezeiten bestehen. Zudem sei der Leistungsumfang nicht lebenslang garantiert, sondern von politischen Entscheidungen abhängig.
Die Grünen knüpfen mit der Untersuchung an eine ähnliche Studie aus dem Jahre 2012 an. Diese war damals auch auf Anregung des heutigen Gesundheitsministers Jens Spahn (CDU) entstanden. Spahn hatte damals die Privatbranche dazu aufgerufen, sich auf einen Mindestversicherungsschutz zu einigen. Die Grünen forderten angesichts der neuen Ergebnisse mehr Transparenz und leichtere Wechselmöglichkeiten in der privaten Krankenversicherung. Wer mit seiner Versicherung unzufrieden sei, müsse diese ohne finanzielle Verluste verlassen können, verlangte Klein-Schmeink. In der gesetzlichen Versicherung müssten zudem Defizite etwa beim Zahnersatz zügig behoben werden. Fraktionschefin Katrin Göring-Eckardt forderte erneut die Einführung einer Bürgerversicherung. Das grüne Modell verbinde Wahlfreiheit mit Solidarität und einer guten Versorgung für alle, sagte sie dem RND.
Von Timot Szent-Ivanyi/RND