Theresa Mays Brexit-Chaos: Die EU bleibt hart

Am 25. November waren sie sich in Sachen Brexit noch einig: EU-Ratspräsident Donald Tusk und die britische Premierministerin Theresa May.

Am 25. November waren sie sich in Sachen Brexit noch einig: EU-Ratspräsident Donald Tusk und die britische Premierministerin Theresa May.

Brüssel. Die Ansagen waren sehr deutlich: Im Brexit-Chaos kann Großbritannien nicht auf die Hilfe der EU zählen. EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker sagte am Dienstag: „Es gibt keinen Raum für eine Neuverhandlung.“ EU-Ratspräsident Donald Tusk assistierte mit den Worten: „Wir werden den Deal nicht neu verhandeln.“ Gleichwohl sprach May am Dienstagabend noch einmal bei Juncker und Tusk in Brüssel vor vorsprechen. Ihr Kalkül ist offenbar, die Staats- und Regierungschefs der EU, die sich am Donnerstag und Freitag zum letzten Gipfeltreffen des Jahres versammeln, in letzter Minute zu Zugeständnissen zu bewegen. Doch nach Lage der Dinge wird der Plan nicht aufgehen.

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Seit May am Montag eine Abstimmung des britischen Unterhauses über das Austrittsabkommen verschoben hat, läuft es – wieder einmal – auf einen Brexit-Showdown in Brüssel hinaus. Eigentlich glaubten die Staats- und Regierungschefs, die größten Probleme mit dem Brexit bereits überwunden zu haben und sich Ende der Woche auf die EU-Finanzen und den Dauerbrenner Migration konzentrieren zu können.

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Das Problem ist die Grenze zwischen Irland und Nordirland

Am 25. November billigten sie den Brexit-Vertrag mit London. Darin ist der sogenannte Backstop für das Irland-Problem enthalten. Das ist eine Rückfalloption, die besagt: Großbritannien bleibt in der Zollunion mit der EU, wenn es bis zum Ende der Brexit-Übergangszeit am 31.12.2020 immer noch keine Lösung für die Grenze zwischen dem EU-Mitglied Irland und dem dann nicht mehr zur EU gehörenden Nordirland gibt. Dort soll eine harte Grenze, die den freien Verkehr von Personen, Waren und Dienstleistungen behindert, unbedingt vermieden werden. Ein Ende dieses Backstops können nur beide Vertragsparteien gemeinsam beschließen.

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Zahlreiche britische Abgeordnete fürchten allerdings, dass ihr Land deswegen faktisch weiter von der EU abhängig sein könnte. Als Mitglied einer Zollunion mit der EU könnte Großbritannien auch keine Handelsverträge mit anderen Staaten abschließen.

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Doch substanzielle Änderungen an der Irland-Rückfalloption wird es nicht geben. „Wir werden Irland niemals alleine lassen“, sagte Kommissionspräsident Juncker am Dienstag während einer Sitzung des Europa-Parlaments in Straßburg. Es werde nicht neu verhandelt, es gebe aber „genug Raum für weitere Klarstellungen und weitere Interpretationen, ohne die Austrittsvereinbarung wieder aufzumachen“. Die EU fürchtet, dass eine harte Grenze zwischen Irland und Nordirland das Karfreitagsabkommen aus dem Jahr 1998 gefährden könnte. Mit dem Vertrag wurde der jahrzehntelange, gewaltsame Konflikt auf der Insel beendet.

Demonstration guten Willens - nicht mehr

Nach derzeitigem Stand läuft es darauf hinaus, dass die Staats- und Regierungschefs ihrer britischen Amtskollegin am Donnerstag ein Schreiben in die Hand geben könnten. Darin könnten sie bekräftigen, dass beide Seiten mit Hochdruck, vor allem aber gemeinsam daran arbeiten wollen, den Backstop zu vermeiden oder ihn, wenn es nicht anders gehen sollte, so kurz wie möglich zu halten. Diplomaten in Brüssel sprachen am Dienstag von einer „interpretativen Erklärung“, nicht von einem rechtlich bindenden Papier. Denn das würde nach EU-Ansicht heißen, dass der Backstop seine Funktion als Versicherung für Notfallzeiten verliert.

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Die Erklärung wäre nicht mehr als eine Demonstration des guten Willens. Doch könnte das eine Art Rettungsleine für May sein. Allerdings wäre damit immer noch nicht sicher, ob das den Kritikern des Brexit-Abkommens im britischen Unterhaus ausreichen würde, um dem Vertrag zuzustimmen. Aus diesem Grund ist auch nicht ganz ausgeschlossen, dass die Staats- und Regierungschefs der EU-27 das Austrittsdatum für Großbritannien über den 29. März 2019 hinaus schieben. Das könnte zum Beispiel ein zweites Brexit-Referendum möglich machen. Das Grundproblem ist: In Brüssel weiß derzeit niemand, welche Zusicherungen May mit nach London bringen muss, um den Brexit-Deal durch das Unterhaus zu bekommen. Vielleicht wisse sie das selber nicht, sagten Diplomaten am Dienstag.

Brüssel spricht von der „Büchse der Pandora“

Nur eines ist klar: Neuverhandlungen wird es nicht geben. Wie um das zu unterstreichen, werden die Botschafter der 27 EU-Mitgliedstaaten am Mittwoch das sogenannte Zeichnungsverfahren in Gang setzen, dass Tusk und Juncker ermächtigt, das Brexit-Abkommen zu unterschreiben. Das ist eigentlich nur ein bürokratischer Akt, aber in diesen Zeiten eben auch ein Zeichen für die Entschlossenheit der EU, sich nicht in Neuverhandlungen hineinziehen zu lassen. Das wäre „wie das Öffnen der Büchse der Pandora“, sagte ein Diplomat. Längst überwunden geglaubte Streitfragen könnten plötzlich wieder zum Problem werden. Frankreich könnte Einwände wegen der Fischereirechte machen, Spanien wieder die Gibraltar-Frage stellen, und die Niederlande könnten die einheitlichen Wettbewerbsbedingungen erneut zum Thema machen.

Von Damir Fras/RND

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