Thüringen: Verantwortungslos mit der Demokratie gespielt
:format(webp)/cloudfront-eu-central-1.images.arcpublishing.com/madsack/SRQVZMFJPNHWXNKYPUTMOB5RME.jpg)
Der CDU-Fraktionsvorsitzende Mike Mohring.
© Quelle: imago images/Karina Hessland
Es ist wie so oft im Leben, wenn zwei sich streiten. Hinterher denkt man: Warum nicht gleich so? So wie sie in Thüringen zuletzt in eine Staatskrise hineingeschlittert sind und dabei die ganze Republik in Atem gehalten haben, so schlittern sie jetzt auch wieder heraus. Dabei war das alles so überflüssig wie ein Kropf. Dies sieht man am besten an der Einigung, die Linke, SPD und Grüne am Freitagabend mit der CDU erzielt haben.
Es war ebenso bekannt wie nachvollziehbar, dass Thüringens linker Ministerpräsident Bodo Ramelow darauf bestand, beim zweiten Anlauf im ersten Wahlgang gewählt zu werden – um nicht eine neuerliche Demütigung zu erfahren und nicht von der AfD abhängig zu sein. Auch lag auf der Hand, dass den Christdemokraten, die das Tabu einer Zusammenarbeit mit der Linken faktisch aufgeben, aufgrund der aktuellen Umfragewerte an baldigen Neuwahlen nicht gelegen sein konnte. So gesehen ist der gefundene Kompromiss rationale Politik.
Dreister geht es kaum
Dass es in Thüringen so weit gekommen ist, wie es niemals hätte kommen dürfen, ist dem Wahlergebnis geschuldet: In einem Sechs-Fraktionen-Parlament, in dem eine Fraktion namens AfD von einem Extremisten geführt wird und CDU und FDP eine Kooperation mit der Linken aus wenig überzeugenden Gründen ausschließen, lassen sich schlecht Mehrheiten bilden. Hinzu kam organisierte Verantwortungslosigkeit. CDU-Fraktionschef Mike Mohring liebäugelte anfangs mit der Ramelow-Partei, fand später aber auch nichts dabei, mit der Björn-Höcke-AfD zu stimmen. Sein FDP-Kollege Thomas Kemmerich war sogar bereit, für das Ministerpräsidenten-Amt zu kandidieren, obwohl seine Fraktion den Einzug in den Landtag nur knapp geschafft hatte. Dreister geht es nicht. Nur Proteste haben das Duo, das den Demokraten Ramelow dem völkischen Nationalisten Höcke geopfert hätte, gestoppt.
Selbst wenn nun Vernunft einkehrt, ist damit die Angelegenheit keineswegs erledigt. Hier haben Parlamentarier um des persönlichen Vorteils willen die Demokratie aufs Spiel gesetzt. Das kann andernorts jederzeit wieder passieren – und macht den nachhaltigen Schock von Erfurt aus.