Trump kritisiert Krisenmanagement: “Reißt euch zusammen und kämpft”
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St. Paul: Ein Demonstrant steht gegenüber eines brennenden Gebäudes, das einst ein Scheckeinlösegeschäft war.
© Quelle: John Minchillo/AP/dpa
Washington. Die Lage in den USA spitzt sich weiter zu: US-Präsident Donald Trump muss mittlerweile mehrere Brandherde löschen. Die Massenarbeitslosigkeit durch die Corona-Krise, seinen Kleinkrieg mit Twitter und die Absage von Angela Merkel auf eine persönliche Einladung zum diesjährigen G7-Gipfel in den USA. Doch über all dem stehen die Proteste gegen Rassismus und Polizeibrutalität nach dem gewaltsamen Tod des Afroamerikaners George Floyd. In vielen US-Städten gehen Tausende Menschen auf die Straße – dabei kommt es immer wieder zu Ausschreitungen und Randalen.
Vor allem in Floyds Heimatstadt Minneapolis ist die Lage teils chaotisch. Der US-Bundesstaat Minnesota hat zusätzlich mehr als 1000 Nationalgardisten als Verstärkung einberufen. Sie würden die 700 Soldaten unterstützen, die wegen der Proteste bereits im Einsatz seien, erklärte die Nationalgarde von Minnesota am Samstag über Twitter. Es handle sich um den größten Einsatz der Einheit in ihrer 164-jährigen Geschichte, hieß es weiter.
Gouverneur Tim Walz hatte zuvor in der Nacht zum Samstag eingeräumt, dass die bereits massiv verstärkten Sicherheitskräfte in den Städten Minneapolis und St. Paul angesichts der gewaltsamen Proteste immer noch überfordert seien. Immer wieder werden im Zuge von Ausschreitungen ganze Gebäude in Brand gesteckt. Geschäfte von Schwarzen und anderen Minderheiten würden dabei beschützt werden. “Die Menschen hängten Schilder in die Fenster mit der Aufschrift: ‚black owned business’, berichtet die in Minneapolis lebende Deutsche Berit Böhrk gegenüber der ‚Tagesschau’”.
Mittlerweile hätten sich allerdings “professionell organisierte Gruppen” unter die Demonstranten gemischt – überwiegend weiße Rassisten, so Böhrk. Insgesamt sei die Lage sehr unübersichtlich: “Mein Eindruck ist, sie (Annahme: die Einsatzkräfte) waren überrascht, wie groß die Menge an Menschen ist, die demonstrieren, und wie professionell die zum Teil vorgegangen sind. Es wirkte, als seien die Einsatzkräfte in erster Linie angewiesen worden, die kritische Infrastruktur zu schützen, und das deswegen niemand mehr da war, um die Geschäfte in der Nachbarschaft zu sichern.”
Trump gießt Öl ins Feuer
Und was macht Donald Trump? Der US-Präsident hatte der Familie von George Floyd sein Beileid ausgesprochen, äußert sich seitdem jedoch äußerst kritisch zu den anhaltenden Demonstrationen. So bezeichnete er die Menschen, die zu Tausenden auf die Straßen gehen, als “thugs” (deutsch “Schläger”). In Tweets drohte Trump mit Waffengewalt: “Diese Rowdys entehren das Andenken an Floyd und das werde ich nicht zulassen. Habe gerade mit Gouverneur Tim Walz gesprochen und ihm gesagt, dass das Militär ganz auf seiner Seite steht. Irgendeine Schwierigkeit und wir werden die Kontrolle übernehmen, aber wenn die Plünderungen beginnen, beginnt das Schießen. Dankeschön.”
Seine Drohung hat der US-Präsident nach Demonstrationen vor dem Weißen Haus mittlerweile erneuert. Falls Demonstranten am Freitag über den Zaun des Regierungssitzes gelangt wären, wären sie von “boshaften Hunden und den bedrohlichsten Waffen” begrüßt worden, schrieb Trump am Samstag auf Twitter. Dann wären sie “wirklich mindestens schwer verletzt” worden. Viele Beamte des Secret Service warteten nur auf “Action”.
Trump lobte die Sicherheitskräfte für Besonnenheit und Professionalität im Umgang mit Demonstranten. Diese hätten nicht den bei einem Polizeieinsatz getöteten Afroamerikaner George Floyd ehren wollen, sondern hätten es nur auf Krawall abgesehen. Der Protest vor dem Weißen Haus am Freitagnachmittag war vergleichsweise klein und harmlos: Demonstranten warfen einige Behelfszäune aus Metall um, die rund 30 Meter vor dem Zaun des Weißen Hauses Passanten zurückhalten.
Trump nutzt Proteste für Wahlkampf
Trump kritisiert zudem das Krisenmanagement des Bürgermeisters von Minneapolis Jacob Frey. Wenn der eines nicht zeige, sei es“STÄRKE!”, twittert sich der US-Präsident abermals in Rage. “Warum werden eigentlich alle schlecht geschützten Orte von liberalen Demokraten geführt?”, so der US-Präsident. Sein Plädoyer: “Reißt euch zusammen und kämpft.”
Joe Biden, der Trump bei der Wahl im November ablösen will, forderte einen entschlossenen Kampf gegen “systematischen Rassismus” in den USA. “Durch unser Schweigen, durch unsere Selbstgefälligkeit sind wir Komplizen der Fortsetzung des Kreislaufs der Gewalt”, sagte der designierte Präsidentschaftskandidat der Demokraten. “Leute: Wir müssen aufstehen. Wir müssen uns bewegen. Wir müssen uns ändern.”
Anwälte von Floyd zweifeln an Obduktionsergebnis
Die Anwälte des nach einem brutalen Polizeieinsatz in der US-Stadt Minneapolis gestorbenen Schwarzen George Floyd haben derweil Zweifel an den Ergebnissen einer Obduktion angemeldet. Zugleich kündigten sie nach einem Bericht des Fernsehsenders ABC am Freitag (Ortszeit) an, bei einem bekannten Gerichtsmediziner eine eigene Untersuchung in Auftrag zu geben.
Einer der Polizisten hatte bei dem Einsatz am Montag dem Haftbefehl zufolge sein Knie insgesamt acht Minuten und 46 Sekunden auf den Nacken Floyds gedrückt. Im Haftbefehl heißt es, der Gerichtsmediziner gehe nicht von Ersticken aus. Der 46-Jährige habe an Gesundheitsproblemen gelitten, die gemeinsam mit der Festsetzung und möglichen Rauschmitteln im Blut vermutlich zum Tod geführt hätten. In den letzten zwei Minuten und 53 Sekunden habe Floyd keine Lebenszeichen mehr gezeigt.
Dem weißen Ex-Polizisten wird Mord und Totschlag vorgeworfen. Ihm drohen bis zu 35 Jahre Haft.
mit Material von dpa