Übergewinnsteuer und Energiepreisdeckel: Was hat es mit den Forderungen auf sich?
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Der Gasverbrauch wird auf einem Gaszähler eines privaten Haushaltes angezeigt. (Symbolbild)
© Quelle: Bernd Weißbrod/dpa
Angesichts steigender Energiepreise und einer möglichen Gasmangellage im Winter steht die Bundesregierung unter Zugzwang. Entlastungen für die Bürgerinnen und Bürger müssen her, denn viele werden ihre Nebenkostenabrechnung kaum allein stemmen können.
Um diesem Problem zu begegnen, gibt es bereits seit geraumer Zeit vor allem zwei Vorschläge: die Einführung einer sogenannten Übergewinnsteuer und die Deckelung der Preise für Strom und Gas. Beide Forderungen sind umstritten, noch lässt sich in der Ampelregierung keine gemeinsame Tendenz erkennen. Doch worum genau geht es dabei eigentlich? Ein Überblick.
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Auf einem Konto zur Förderung erneuerbarer Energien haben sich 17 Milliarden Euro angehäuft.
© Quelle: Reuters
Was sind Übergewinne, und was soll eine Steuer darauf bringen?
Eine Krise fördert stets Verlierer und Gewinner zutage. Gestiegene Preise für Strom, Gas und auch Kraftstoffe lassen schnell erahnen, wer aktuell von der insbesondere durch den Krieg in der Ukraine ausgelösten Krise profitiert – es sind vor allem Energiekonzerne. Ihre Gewinne können also deutlich über dem liegen, was sie in einer krisenfreien oder friedlichen Periode verdienen würden. Die Differenz zwischen den normalen Gewinnen und den Zuwächsen durch Krisenzeiten werden Übergewinn genannt.
Mit einer Übergewinnsteuer wollen deren Befürworter übermäßige Krisengewinne von Unternehmen abschöpfen. Kritiker sehen diese Abgabe dagegen als willkürlichen Eingriff, der Unternehmen von Innovationen abhalten könnte. Länder wie Großbritannien oder Italien haben ähnliche Steuern für Öl- und Gaskonzerne beziehungsweise Energiekonzerne zuletzt beschlossen – teils auch befristet. Spanien plant ebenfalls die Einführung einer solchen Sonderabgabe.
Was wäre von einer solchen Steuer zu erwarten?
Laut einer Studie der parteinahen Rosa-Luxemburg-Stiftung könnte der deutsche Fiskus bis zu 100 Milliarden Euro jährlich mit der Besteuerung von Übergewinnen einnehmen. Die Autoren der Untersuchung schätzten die in der Krise erzielten Gewinne der Konzerne aus der Gas-, Öl- und Strombranche auf ein Jahr berechnet auf rund 110 Milliarden Euro. Der größte Mineralölkonzern der Welt – der saudi-arabische Staatskonzern Saudi Aramco – hatte etwa bereits vermeldet, seinen Gewinn im ersten Halbjahr 2022 um 40,7 Milliarden US-Dollar im Vergleich zum Vorjahreszeitraum gesteigert zu haben.
Wer fordert Steuern auf die Übergewinne?
Angestoßen hatte die Debatte das Bundesland Bremen. Im Mai kündigte die Regierung unter Bürgermeister Andreas Bovenschulte (SPD) an, einen Antrag für eine zeitlich befristete Sondersteuer im Bundesrat vorbringen zu wollen. Unterstützt wird die Forderung nach einer solchen Steuer unterdessen nicht mehr nur von Bovenschulte und der SPD, sondern vor allem von den Grünen.
Die Grünen-Co-Vorsitzende Ricarda Lang hat angesichts der anhaltenden Kritik an der Gasumlage die Forderung nach einer Übergewinnsteuer bekräftigt. Lang sagte am Donnerstag in Berlin: „Natürlich stört es auch mein Gerechtigkeitsempfinden, wenn Unternehmen, die an anderen Stellen große Gewinne machen, jetzt ihre Kosten frühzeitig auf die Verbraucherinnen und Verbraucher umlagern wollen.“
SPD-Chef Lars Klingbeil will Krisengewinne von Konzernen zur Entlastung von Geringverdienern und ‑verdienerinnen nutzen. „Zufallsgewinne von großen Unternehmen können wir an die Menschen mit 1500, 2000 oder 3000 Euro Einkommen umverteilen“, sagte er den Zeitungen der Essener Funke Mediengruppe (Samstag). Eine Übergewinnsteuer könne die Möglichkeiten für Entlastungen erweitern, sagte er. Das sei auch eine Frage des sozialen Zusammenhalts.
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Und wer ist dagegen?
Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) hat einer möglichen Übergewinnsteuer bereits mehrfach eine Absage erteilt. „Das Steuerrecht muss vor Willkür geschützt werden“, sagte Lindner der Düsseldorfer „Rheinischen Post“. Dass die Gewinne von Stromproduzenten „teils zufälligen“ Charakter hätten, hänge mit dem Strommarkt zusammen. Das könne nicht durch steuerliche Veränderungen angepasst werden, so Lindner.
Weiter sagte er, dass die britische Übergewinnsteuer kein Vorbild für Deutschland sei: „Der zurückgetretene britische Premier Johnson ist ein Populist und kein guter Ratgeber für uns.“ Aus Lindners Sicht gebe es beim Thema Steuern für Konzerne „Stimmungsschwankungen“. „Solche Ideen kamen zuerst bei Impfstoffherstellern auf. Dann ging es um Mineralölkonzerne, obwohl davon keiner den Sitz in Deutschland hat. Nun geht es um Stromkonzerne“, so der Finanzminister. „Wir brauchen ein Steuersystem, das für alle berechenbar und neutral ist, damit Investitionsentscheidungen getroffen werden.“
Ist die Einführung einer Übergewinnsteuer überhaupt möglich?
Das deutsche Steuerrecht kennt keine Übergewinne. Was bei einem Unternehmen nach Abzug der Kosten verbleibt, ist der Gewinn. Und dieser wird besteuert, unabhängig davon, unter welchen Bedingungen er erwirtschaftet wurde.
Bei einer Übergewinnsteuer soll jedoch zwischen Gewinnen unterschieden werden, die durch einen normalen Geschäftsbetrieb eines Unternehmens entstehen, und dem Profit, den eine Firma aufgrund außergewöhnlicher und nicht beeinflussbarer Umstände erzielt hat. Typische Situationen wären Krisen wie Naturkatastrophen oder eben ein Krieg, wie der in der Ukraine.
Was ist der Unterschied zur Forderung nach einem Preisdeckel?
Der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) fordert die Bundesregierung auf, rasch einen Gas- und Strompreisdeckel auf den Weg zu bringen – und formuliert Eckpunkte für ein entsprechendes Konzept. „Angesichts steigender Preise für Gas und Strom muss die Politik schnellstens einen Energiepreisdeckel für Privathaushalte auf den Weg bringen“, sagte DGB-Chefin Yasmin Fahimi dem RedaktionsNetzwerk Deutschland (RND). „Damit soll je Haushalt ein Grundbedarf an Gas und Strom bezahlbar bleiben“, fügte sie hinzu.
Fahimi beschreibt das Konzept so: „Für jeden Haushalt sollte ein realistischer Grundbedarf – getrennt für Strom und Gas – festgelegt werden.“ Orientierungsrahmen dafür sei der bundesdeutsche Durchschnittsverbrauch des letzten Jahres. Mehrpersonenhaushalte könnten gesondert beantragen, einen höheren Sockel zugeteilt zu bekommen. „Für diese Menge gilt ein gedeckelter, also niedrigerer Preis, quasi eine Preisgarantie“, sagte die DGB-Chefin. „Die Versorger könnten dafür vom Staat entschädigt werden“, erläuterte sie. Für jeden Verbrauch, der darüber hinaus gehe, müssten Verbraucherinnen und Verbraucher den Marktpreis für Strom beziehungsweise Gas zahlen, sagte Fahimi. So gebe es auch einen Anreiz zum Energiesparen.
Die EU-Kommission erwägt einen EU-weiten Preisdeckel nur für den Fall, dass Russland die Gaslieferungen an den Westen vollständig einstellt. Viele EU-Staaten haben daher selbst die Initiative ergriffen und Preisobergrenzen für Strom und Gas festgelegt – so etwa Frankreich, Spanien, Portugal, Belgien, Estland, Griechenland, Ungarn, Kroatien und Rumänien.
RND/sic/tms/pet/scs/dpa
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