Freisetzung radioaktiver Stoffe aus AKW Saporischschja hätte nur kleine Auswirkungen auf Deutschland
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Die Reaktorblöcke des Atomkraftwerks Saporischschja in der Ukraine.
Salzgitter. Das Bundesamt für Strahlenschutz (BfS) sieht keine akute Gefahr der Freisetzung von radioaktiven Stoffen in der Ukraine. Die Behörde teilt nach Angaben vom Donnerstag aber insbesondere die Sorge der Internationalen Atomenergie-Agentur IAEA um einen dauerhaft sicheren Betrieb des ukrainischen Atomkraftwerks Saporischschja. Vor allem diese Anlage sei immer wieder von Kampfhandlungen betroffen. Aber auch im Umkreis anderer nuklearer Einrichtungen in der Ukraine komme es zu Zwischenfällen.
Für Deutschland wären die radiologischen Auswirkungen einer Freisetzung radioaktiver Stoffe aus dem AKW Saporischschja dem BfS zufolge begrenzt. Im schlimmsten Fall, also bei einem erheblichen Austritt Radioaktivität und einer Wetterlage, die Luftmassen von der Ukraine nach Deutschland bringt, könnten in der Bundesrepublik für die Landwirtschaft festgelegte Höchstwerte überschritten werden. Dann würde eine Kontrolle von Futter- und Nahrungsmitteln erforderlich werden, gegebenenfalls auch eine Vermarktungssperre für kontaminierte Produkte. Nach den Berechnungen des BfS sei nicht zu erwarten, dass weitergehende Maßnahmen zum Schutz der Bevölkerung notwendig wären.
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BfS behält die Lage genau im Blick
Angesichts des Kriegs in der Ukraine beobachtet das Bundesamt für Strahlenschutz nach eigenen Angaben die Lage vor Ort besonders intensiv. Bis zu 500 Messwerte im gesamten Land würden täglich überprüft. Dafür stünden verschiedene Messeinrichtungen sowohl vonseiten der ukrainischen Behörden vor Ort als auch der Zivilgesellschaft zur Verfügung. Vor allem in Gebieten, in denen Kampfhandlungen stattfinden, gebe es zwar weniger verfügbare Messdaten. Ein grundsätzlicher Überblick sei aber gegeben. Zusätzlich zu den Messstationen in der Ukraine selbst überprüft das BfS auch Messdaten aus den benachbarten Ländern.
Alle vorliegenden radiologischen Messwerte bewegten sich zurzeit im normalen Bereich, hieß es weiter. Gestützt werde dies von Berichten des ukrainischen Personals. Das BfS stelle eine kontinuierliche Beobachtung der Situation in der Ukraine sicher und sei „in 24/7-Rufbereitschaft“.
BfS rät von Selbstmedikation mit Jod ab
Von einer selbstständigen Einnahme von Jodtabletten zum Schutz vor radioaktiver Strahlung rät das BfS ab. Die Einnahme schütze ausschließlich vor der Aufnahme von radioaktivem Jod in die Schilddrüse, nicht vor der Wirkung anderer radioaktiver Stoffe. Eine Selbstmedikation mit hochdosierten Jodtabletten berge gesundheitliche Risiken insbesondere für ältere Personen, habe aktuell aber keinen Nutzen.
Die deutschen Bundesländer haben einen Vorrat von insgesamt rund 190 Millionen Jodtabletten. Diese würden bei einem Ereignis, bei dem ein Eintrag von radioaktivem Jod in die Luft zu erwarten ist, in den möglicherweise betroffenen Gebieten durch die Katastrophenschutzbehörden verteilt.
Radioaktives Jod hat eine Halbwertszeit von wenigen Tagen. Das bei dem Reaktorunfall von Tschernobyl im Jahr 1986 freigesetzte radioaktive Jod ist mittlerweile vollständig zerfallen und kann deshalb nicht mit dem Wind nach Deutschland transportiert werden.
RND/epd