Marine-Experte erklärt: Wie sinnvoll sind U-Boote und Kriegsschiffe für die Ukraine wirklich?
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Drei deutsche U-Boote der Klasse 212 A liegen am 13. April 2017 an der U-Boot-Pier in Eckernförde (Schleswig-Holstein).
© Quelle: picture alliance / Carsten Rehder/dpa | Carsten Rehder
„Ich weiß, dass ich einen neuen Shitstorm bekomme, aber ich habe eine neue kreative Idee.“ Mit diesen Worten leitete der ukrainische Vizeaußenminister Andrij Melnyk am Wochenende seine Forderung nach deutschen U-Booten und Fregatten ein. Die Deutsche Marine verfügt über sechs U-Boote der Klasse 212A. „Warum nicht eines davon in die Ukraine schicken? Dann kicken wir die russische Flotte aus dem Schwarzen Meer“, sagte Melnyk.
Fachleute wie Sebastian Bruns, Marine-Experte am Institut für Sicherheitspolitik der Universität Kiel, haben die jüngsten Forderungen Melnyks mit Kopfschütteln aufgenommen. „Ich halte es für unrealistisch, dass Deutschland auch nur eines seiner U-Boote oder Fregatten an die Ukraine abgibt“, sagt Bruns im Gespräch mit dem RedaktionsNetzwerk Deutschland (RND). U-Boote seien heute Hightechmaschinen, für deren Bedienung man jahrelang ausgebildet werden müsse. Anders als in klassischen Kriegsfilmen reiche es nicht, ein solches Boot einfach mit viel Personal zu besetzen. „Es ist schlichtweg nicht vorstellbar, dass eine deutsche Besatzung, ein deutsches Boot oder ein deutsches Kriegsschiff ins Schwarze Meer fährt und sagt: Hier ist der Schlüssel, jetzt dürft ihr fahren.“
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Aus Sicht des Experten verfügen weder Deutschland noch andere Nato-Länder über so viele Fregatten und U-Boote, dass sie ohne weiteres davon welche abgeben könnten. Vielmehr brauche der Westen einen Plan, wie er die Ukraine in Zukunft unterstützen will. „Teil der Unterstützung kann in Zukunft sein, kleinere Kriegsschiffe für die Ukraine bei der Industrie zu bestellen“, sagt Bruns dem RND.
Der ehemalige Botschafter Melnyk hat auch die Fregatte Lübeck im Blick, die vor wenigen Monaten stillgelegt wurde. Schon vor Jahren hatte es Überlegungen gegeben, der Ukraine eine oder zwei ausgemusterte Fregatten zu überlassen. „Jetzt ist es zu spät“, sagt Bruns. Die Fregatte Lübeck sei bereits im Sommer außer Dienst gestellt und demilitarisiert worden. „Es wäre höchstens eine Notfalllösung, die Fregatte Lübeck wieder instand zusetzen und der Ukraine zu übergeben.“
Ausbildung ukrainischer Soldaten an U-Booten kaum möglich
Während die Ausbildung ukrainischer Soldaten an Panzerfahrzeugen, wie dem Schützenpanzer Marder, bereits begonnen hat, sei dies bei U-Booten nicht so leicht. „Es fehlen in Deutschland die Möglichkeiten, ukrainische U-Bootbesatzungen auszubilden“, so Bruns. Er verweist auf das international renommierte Ausbildungszentrum in Eckernförde, in dem auch viele Nato-Partner ihre Seestreitkräfte trainieren lassen. Es ist auf Jahre hinaus ausgebucht, und die deutsche Marine hat selbst einen hohen Ausbildungsbedarf. Der Grund: „Die deutsche Marine hat in den vergangenen Jahrzehnten Piraten vor Somalia verfolgt und war als Seenotretter im Mittelmeer im Einsatz. Jetzt muss sie erst mal selbst wieder lernen, wie man mit U-Booten andere U-Boote jagt.“
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© Quelle: Reuters
Dabei gibt es gute Gründe, warum sich die Ukraine U-Boote und Fregatten wünscht: Seit Monaten feuert Russland von Kriegsschiffen im Schwarzen Meer Raketen auf die Ukraine ab. Auch in der vergangenen Woche gab es wieder Angriffe von der Seeseite. Mitte Januar gelang es den ukrainischen Streitkräften nach eigenen Angaben, ein weiteres Schiff der russischen Marine zu zerstören. Es handele sich um das 17. Schiff, das seit Beginn des Großangriffs am 24. Februar 2022 versenkt worden sei.
„Die Ukraine wäre mit deutschen U-Booten und Kriegsschiffen durchaus in der Lage, den Raketenangriffen von russischen Schiffen im Schwarzen Meer ein Ende zu bereiten“, erklärt Marine-Experte Bruns. Eine gestärkte ukrainische Marine würde die Risikoabwägung der russischen Marine verändern. „Russische Kriegsschiffe könnten aus Sorge, in Reichweite der U-Boote oder Fregatten zu kommen, im Hafen bleiben und nicht zu Angriffen ausfahren.“ Womöglich reiche schon ein U-Boot zur Abschreckung aus.
Seedrohne statt U-Boote
Allerdings ist es aus Sicht des Experten für Maritime Strategie und Sicherheit besser, die ukrainische Marine mit anderen Mitteln zu stärken: „Viel sinnvoller als U-Boote sind unbemannte maritime Drohnen, wie sie die Ukraine bereits im vergangenen Jahr eingesetzt hat.“ Im Oktober hatten ukrainische Seedrohnen die russische Schwarzmeerflotte bei Sewastopol angegriffen und nach eigenen Angaben drei Schiffe getroffen. Dabei soll auch das Flaggschiff „Admiral Makarow“ schwer beschädigt worden sein. Der Kreml wies die Darstellung zurück und sprach von leichten Schäden.
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Für die Ukraine gehe es nun darum, den russischen Marineschiffen eine Bedrohung entgegenzusetzen, damit sie sich nicht aus den Häfen trauen. „Dies kann die Ukraine eher mit Drohnen erreichen, als ein großes Gefecht im Schwarzen Meer mit Fregatten und U-Booten zu provozieren.“