Querfront der Extremisten in Deutschland

In Ablehnung vereint: Warum sich Rechte und Linke nicht mit der Ukraine solidarisieren

Zug einer Demonstration der AfD unter dem Motto „Energiesicherheit und Schutz vor Inflation – unser Land zuerst“ Anfang Oktober in Berlin.

Zug einer Demonstration der AfD unter dem Motto „Energiesicherheit und Schutz vor Inflation – unser Land zuerst“ Anfang Oktober in Berlin.

Ein noch junger europäischer Nationalstaat kämpft um seine Identität gegen eine dominante Großmacht, die ihm diese abspricht – klingt das nicht nach Bedingungen, die in klassischen rechten Kreisen für Solidarität sorgen? „Tatsächlich war sich die deutsche Rechte, von AfD bis extrem rechts, ursprünglich beim Thema Ukraine uneinig“, sagt der Journalist Olaf Sundermeyer vom Rundfunk Berlin-Brandenburg gegenüber dem Redaktions­Netzwerk Deutschland (RND).

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„Ursprünglich gab es im ultranationalistischen Flügel Verbindungen zu Rechtsextremisten, die es natürlich auch in der Ukraine gibt, erinnert sei an entsprechende Kontakte von Mitgliedern der NPD sowie der Neonazi-Kleinstparteien ‚Die Rechte‘ und ‚Der Dritte Weg‘“, sagt der Experte in Sachen Rechtsextremismus.

Starke Russland-Verbundenheit in rechter Szene

Früh, bereits nach der Okkupation der Krim durch Russland 2014 und mit dem Aufkommen der Pegida-Proteste, hätte sich dann in der gemäßigteren rechten Szene „eine starke Russland-Verbundenheit durchgesetzt, die zunächst in der westdeutschen Öffentlichkeit kaum eine Rolle spielte, weil sie schwer einzuordnen war“, erklärt Sundermeyer weiter, „das hatte viel damit zu tun, dass diese ganze Protest­bewegung bis hin zur AfD, die sich sehr früh von Trans­atlantikern und proeuropäischen Kräften trennte, eine stark antisolidarische, nationalistische Ausrichtung hatte. In der aktuellen Krise gewinnt die AfD an Zustimmung mit ihrer Kampagne ,Unser Land zuerst‘ und mit Slogans wie ,Dem deutschen Volke‘.“

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Heute ist diese Kontroverse über die Ukraine-Positionierung innerhalb der Rechten geklärt.

Olaf Sundermeyer,

Rechtsextremismusexperte beim RBB

Aber auch die „grundlegende Skepsis gegen die Regierungspolitik und eine gewisse Trotzhaltung“ gegen die gesamtwestliche Solidarisierung mit der angegriffenen Ukraine spielte da hinein. „Heute ist diese Kontroverse über die Ukraine-Positionierung innerhalb der Rechten geklärt“, ist Sundermeyer überzeugt, „die Erfolge bei Wahlen und der öffentliche Zuspruch bei Protesten zu dieser deutlichen Pro-Russland-Positionierung verbunden mit tatsächlichen oder drohenden wirtschaftlichen Zumutungen als Folgen der Regierungspolitik brachten die Entscheidung“, so Sundermeyer.

Melnyk fordert weiter deutsche Unterstützung: „Davon hängt ab, ob die Ukraine überlebt“

Der ehemalige Botschafter der Ukraine, Andrij Melnyk, hat die Bundesregierung im Interview mit dem RND weiterhin zur Unterstützung aufgefordert.

Kaum Unterschiede in der Argumentation Linker und Rechter

Wobei sich die Argumentation der rechten Pro-Russland-Positionierung laut Sundermeyer in weiten Teilen nicht von der linken unterscheidet. Im Gegenteil. Sie setzt sogar auf diese Anschluss­fähigkeit.

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Eine Bevölkerung stemmt sich gemeinsam mit ihrer demokratisch legitimierten Regierung gegen die Invasion einer hochgerüsteten Autokratie, die zudem imperiale und koloniale Züge trägt – auf welcher Seite hätte wohl die Linken-Ikone Rosa Luxemburg gestanden?

Rosa Luxemburg hätte nicht gezögert, sich mit einer Gesellschaft zu solidarisieren, die ihre Freiheit gegen eine imperialistische Macht verteidigt.

Ralf Fücks,

Ex-Maoist und Geschäftsführer der Denkfabrik Zentrum Liberale Moderne

„Ich bin mir ziemlich sicher, soweit man über Tote spekulieren kann, Rosa Luxemburg hätte nicht gezögert, sich mit einer Gesellschaft zu solidarisieren, die ihre Freiheit gegen eine imperialistische Macht verteidigt“, ist sich Ralf Fücks sicher, einst Mitglied des Kommunistischen Bundes West­deutschlands, später Grünen-Politiker und heute Geschäftsführer der Denkfabrik Zentrum Liberale Moderne.

Historische Konstante zu früheren Freiheits­bewegungen im Ostblock

„Es ist ein Mysterium, warum sich die Linke mit diesem Freiheits­kampf so schwertut“, so Fücks zum RND. Und zieht eine historische Konstante zu früheren Freiheits­bewegungen im Ostblock, mit der die West-Linke auch lange gefremdelt hat. „Das fing an mit dem Prager Frühling 1968, setzte sich fort mit der polnischen Gewerkschafts­bewegung Solidarnosz und betraf auch die Maidan-Proteste gegen die Moskau-hörige Kiewer Regierung 2014.“

Wobei das Problem, welches ein Teil der Linken, „speziell die Partei, die sich so nennt“, mit der modernen Ukraine hat, laut Fücks „vor allem der Tatsache geschuldet ist, dass Kiew sich prowestlich ausrichtet – Richtung EU, Nato und Markt­wirtschaft. Es geht diesen Linken um das alte Gespenst des Antiamerikanismus, um die Ablehnung des Westens und der Nato.“

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 Ralf Fücks in der ARD-Talkshow „Hart aber fair“ im WDR.

Ralf Fücks in der ARD-Talkshow „Hart aber fair“ im WDR.

Die Methoden, mit denen diese Freiheits­bewegungen in Misskredit gebracht werden, ähneln historischen Vorbildern: „Auch in Ost-Berlin 1953 und in Budapest 1956 wurden die Aufständischen gegen die sowjetische Herrschaft als ‚Faschisten‘ denunziert – wie heute in der Ukraine. Für Russland ist der Sieg über den Hitler-Faschismus das letzte Narrativ, das nationalen Stolz mobilisiert und von den alten Sowjet-Mythen übriggeblieben ist.“

Sahra Wagenknecht spielt bewusst mit der Querfront von ganz links und ganz rechts.

Ralf Fücks,

ehemaliger Grünen-Politiker

Dass heute viele Linke, wenn es um Russland geht, zumindest argumentativ den Schulterschluss mit Rechten suchen, wird laut Fücks „billigend in Kauf genommen. Sahra Wagenknecht spielt bewusst mit der Querfront von ganz links und ganz rechts“, so Fücks. „Wenn Linke ihre Ideologie gegen die Wirklichkeit verteidigen müssen, sind sie gezwungen, auf Verschwörungs­mythen zurück­zugreifen. Ihnen bleibt ja nichts anderes übrig, weil jede Rechtfertigung für Russlands Krieg dermaßen contra-faktisch ist.“

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