Ukraine-Hilfe: Spendenbereitschaft lässt langsam nach
:format(webp)/cloudfront-eu-central-1.images.arcpublishing.com/madsack/2UVWNN2TUNELJECZWSUTCEJRLM.jpeg)
Mitarbeiter der Caritas packen Nothilfepakete für ukrainische Geflüchtete. Die Caritas registriert weiterhin ein hohes Engagement durch ehrenamtliche Helferinnen und Helfer.
© Quelle: Philipp Spalek/Caritas internati
Berlin. Fünf Monate nach Beginn des russischen Angriffskrieges in der Ukraine lässt die Spendenbereitschaft in Deutschland allmählich nach. Das ergab eine Umfrage des RedaktionsNetzwerks Deutschland (RND) bei deutschen und ukrainischen Hilfsorganisationen.
So teilte Brot für die Welt, das Hilfswerk der evangelischen Landeskirchen und Freikirchen in Deutschland, mit, dass die Hilfsbereitschaft für die Betroffenen des Ukraine-Krieges weiterhin groß sei. „Nichtsdestotrotz sind die täglichen Spendeneingänge nicht mehr so hoch wie in den ersten Wochen des Krieges“, sagte Pressesprecher Thomas Beckmann.
Rückgang normal
„Das ist unserer Erfahrung nach allerdings völlig normal und vergleichbar mit anderen Katastrophen – besonders da zu Beginn des Krieges sehr viele Spenden für die Arbeit der Diakonie-Katastrophenhilfe eingegangen sind“, so Beckmann. Brot für die Welt unterstützt die Menschen, die unter den Folgen des Ukraine-Kriegs leiden, zusammen mit seiner Schwesterorganisation Diakonie-Katastrophenhilfe, die bisher rund 60 Millionen Euro an Spenden für Betroffene des Krieges erhalten hat.
Auch das Deutsche Rote Kreuz (DRK) bestätigte „einen rückläufigen Trend in den eingehenden Spenden“. „Diese Tendenz ist mit voranschreitender Zeit in Krisen- und Katastrophensituationen leider üblich“, sagte Kommunikationsreferentin Annkatrin Tritschoks. Da ein Ende des Krieges derzeit leider nicht absehbar sei, gehe man davon aus, dass „noch auf Jahre großer Unterstützungsbedarf bestehen wird“. Die Arbeit des DRK sei darauf ausgerichtet, humanitäre Hilfe auch dann zu leisten, wenn Krisen vielleicht aus dem Fokus der Öffentlichkeit gerückt sind.
Der in Berlin ansässige und vor allem von jungen Ukrainern getragene Verein Vitsche (Zusammen) organisiert derzeit zwei Hilfskampagnen und spürt ebenfalls, dass die Spenden im Vergleich zur Anfangszeit im Frühjahr geringer werden. „Wir machen aber gerade die Erfahrung, dass kulturelle Veranstaltungen gut angenommen werden und dort auch die Spendenbereitschaft höher ist“, sagte eine Vitsche-Sprecherin.
Auch würden konkrete projektbezogene Kampagnen von den Menschen besser unterstützt, beispielsweise wenn Geld für ein Auto gesammelt wird, dass freiwilligen Helfern in der nordukrainischen Stadt Charkiw zur Verfügung gestellt werden soll. Über einen Mangel an Freiwilligen kann Vitsche nicht klagen. Zwar sei mancher Helfer nach fünf Monaten ausgebrannt, aber es stießen auch neue junge Leute hinzu, die in ihrer Freizeit helfen wollten, heiß es.
Viele Freiwillige
Das Deutsch-Ukrainische Forum (DUF) in Berlin sammelt selbst keine Spenden, hilft aber großen und kleinen Hilfsorganisationen bei der Koordinierung von Spendenlieferungen. „Aktuell organisieren wir unter anderem gemeinsam mit ukrainischen Partnern die längerfristige Lebensmittelversorgung für etwa 10.000 Binnenflüchtlinge in der Ukraine“, sagte DUF-Vizevorsitzender Gerald Praschl.
Finanziert wird dies über 500.000 Euro Spenden aus dem Topf der Aktion Deutschland Hilft, einem Bündnis deutscher Hilfsorganisationen. Wie Praschl weiter berichtete, hätten in den ersten Kriegswochen viele private Hilfsangebote das DUF erreicht, insbesondere mit Angeboten zu Unterkünften. Das habe jetzt nachgelassen, auch weil viele Ukrainer schon wieder zurückkehren würden. Praschl: „Das kann sich aber jederzeit wieder ändern.“
Das Deutsch-Ukrainische Forum dringt darauf, dass eine Lösung für die Gültigkeit ukrainischer Führerscheine gefunden wird. Diese sind nach seinen Worten sechs Monate nach Einreise in Deutschland nicht mehr gültig und müssen durch eine Prüfung erneuert werden, da es sich bei der Ukraine nicht um ein EU-Mitgliedsland handelt. „Hier sollte es verlängerte Übergangsregeln geben“, fordert Praschl.
Problem Führerscheine
Thomas Mähnert, Mitglied des Bundesvorstands der Johanniter-Unfallhilfe, sagte: „Wir können aktuell keine nachlassende Spendenbereitschaft für unsere Ukraine-Hilfsaktivitäten feststellen. Auch für unsere laufenden Spendenaktionen, die die weiterführenden Konsequenzen aus dem Ukraine-Krieg in den Mittelpunkt rücken, so zum Beispiel die weltweite Ernährungskrise, ist dies noch nicht erkennbar.“ Sicherlich müsse man aber in der zweiten Jahreshälfte mit entsprechenden Rückgängen rechnen, so Mähnert.
Das hohe Level der Hilfsbereitschaft wie zu Beginn des Krieges sei nicht über viele Monate haltbar, hieß es bei der Caritas in Köln. „Wir stellen fest, dass mehr Menschen aus der privaten Unterbringung in kommunale Unterkünfte ziehen. Und wir stellen fest, dass weniger Sachspenden und Nachfragen ankommen“, sagte Irene Porsch, Flüchtlingsbeauftragte der Caritas im Erzbistum Köln.
Dort würden sich bei der Caritas und der Aktion Neue Nachbarn mindestens 11.000 Menschen für Vertriebene aus der Ukraine und für Geflüchtete aus weiteren Ländern engagieren. Porsch: „Das findet täglich und hochverbindlich statt, und hier ist kein Rückgang festzustellen.“ Ehrenamtliche würden beispielsweise beim Bettenaufbau in neu zu schaffenden Unterkünften der Städte oder beim Ausfüllen von Formularen helfen.
900.000 Geflüchtete registriert
Viele Helfende engagieren sich nach Porschs Worten auch längerfristig, etwa beim Aufbau allgemeiner Anlaufstellen, als Lotsinnen und Lotsen durch den Behördendschungel, in Willkommenstreffs, als Jobpatinnen und Jobpaten und für Kinder- und Jugendfreizeitangebote. Hier würden auch Menschen helfen, die selbst vor einigen Jahren nach Deutschland geflüchtet sind.
In Deutschland sind inzwischen über 900.000 Geflüchtete aus der Ukraine registriert. Wie viele sich tatsächlich in Deutschland aufhalten, lässt sich nicht genau sagen, weil ukrainische Staatsangehörige ohne Visum in die Europäische Union einreisen können und sich auch nicht registrieren lassen müssen, wenn sie keine Sozialleistungen in Anspruch nehmen wollen. Über 90 Prozent der Geflüchteten sind Frauen und Kinder beziehungsweise Jugendliche unter 18 Jahren.