Unruhen in Kasachstan, Krise in der Ukraine – Wie Deutschland und Nato reagieren
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Das Bild der Nachrichtenagentur Tass zeigt Sicherheitskräfte, die in Almaty in Kasachstan gegen die Unruhen eingesetzt werden.
© Quelle: imago images/ITAR-TASS
Berlin. In der Ukraine-Krise will die Nato den Dialog mit Russland suchen, droht aber zugleich mit schweren wirtschaftlichen, finanziellen und politischen Sanktionen gegen Moskau, sollte es zu einem Einmarsch in der Ostukraine kommen. „Die Nato wird sich in gutem Glauben und inhaltlich mit Russland austauschen“, sagte Generalsekretär Jens Stoltenberg am Freitag nach einer Videokonferenz mit den Außenministern der Bündnisstaaten. „Aber wir müssen auch auf die Möglichkeit vorbereitet sein, dass die Diplomatie scheitert.“ Was das im Detail bedeutet, sagte Stoltenberg nicht. Er bedauerte, dass Moskau den Truppenaufmarsch an der Grenze zur Ostukraine nicht beendet, sondern noch verstärkt habe.
Vor dem geplanten Treffen im sogenannten Nato-Russland-Rat in der kommenden Woche scheint jedoch klar zu sein: Der russische Vorschlag für ein Abkommen mit der Nato ist für die Allianz offenbar nicht akzeptabel. Demnach müsste die Nato einwilligen, dass die Ukraine und andere Staaten keine Mitglieder des Bündnisses werden. Stoltenberg sagte dagegen, wie jeder andere Staat habe auch die Ukraine das verbriefte Recht, seinen eigenen Weg zu gehen.
Eigentlich sollte es bei der Videokonferenz ausschließlich um den Ukraine-Russland-Konflikt gehen. Das ist schon schwierig genug, aber ein weiteres Thema überschattete die außenpolitische Sicherheitslage, und wieder ging es um eine ehemalige Sowjetrepublik.
Die Unruhen in Kasachstan, der Versuch der Regierung, diese gewaltsam niederzuschlagen, der Schießbefehl gegen die Demonstranten, die Entsendung russischer Truppen – die Außenminister konnten das nicht ausblenden. Stoltenberg sagte, die Nato sei sehr besorgt. „Die Gewalt muss ein Ende haben“, sagte er.
Appell an die russische Regierung
Der Sprecher des Auswärtigen Amtes in Berlin hatte zuvor einen Appell an die russische Regierung gerichtet. Die hat im Rahmen des Vertrags über kollektive Sicherheit (OVKS), einer Art Nato-Gegenbündnis, Soldaten nach Kasachstan geschickt. Auch für die OVKS gelte die Verpflichtung, Menschenrechte zu schützen, sagte der Außenamtsprecher. Militärangehörige seien oftmals nicht ausreichend ausgebildet, mit zivilen Aufständen umzugehen. In Kasachstan protestieren Bürger – gegen gestiegene Preise und ganz allgemein gegen die autoritäre Regierung.
Für Nils Schmid, den außenpolitischen Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion, haben die Unruhen in Kasachstan für Russland eine ganz besondere Bedeutung: „Es ist ein Menetekel für Russland: Kasachstan ist ein Spiegelbild Russlands. Es ist gas- und ölfixiert und autoritär regiert. Die Stabilität wird erkauft durch Repression und Korruption“, sagte Schmid dem RedaktionsNetzwerk Deutschland (RND). „Die Instabilität Kasachstans zeigt die Schwäche Russlands.“
An der Entsendung russischer Truppen werde deutlich, wie Russland auf seine Nachbarstaaten blicke. „Es sieht sie nicht als unabhängig, sondern nimmt sich das Recht heraus, in innere Verhältnisse einzugreifen und unliebsame Entwicklungen zu korrigieren.“
Die Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) müsse die Lage in Kasachstan auf die Tagesordnung setzen. „Es ist wichtig, dass sich die OSZE dieses Falles annimmt“, sagte Schmid. „Auch für Kasachstan müssen die OSZE-Prinzipien gelten. Die Souveränität des Landes muss auch von Russland anerkannt werden, es muss dort selbständig entschieden werden können, wer regiert. Außerdem ist auch die kasachische Regierung auf die Einhaltung von Menschenrechten verpflichtet. Das Niederschießen von Demonstranten ist damit absolut nicht vereinbar. Friedhofsruhe darf nicht mit Stabilität verwechselt werden.“
Die OSZE kommt in der nächsten Woche zu einer Sitzung zusammen – auch hier stand zunächst vor allem die Ukraine auf der Tagesordnung.
Eine direkte Auswirkung der Entwicklung in Kasachstan auf den Ukraine-Konflikt sei nicht zu erwarten, meint Schmid. „Allerdings dürfte Russland kein Interesse an mehreren akuten Krisen zur gleichen Zeit haben.“ Auch die Lage des zwischen Armenien und Aserbaidschan umkämpften Berg-Karabach sei nach wie vor brisant.
Wadephul: Kasachische Führung muss Weg von Gesprächen statt Gewalt gehen
Der Vizevorsitzende der Unions-Fraktion, Johann Wadephul (CDU), erklärte, das Eingreifen ausländischer, allen voran russischer Truppen hebe die Unruhen auf eine weltpolitische Ebene.
„Die Staatengemeinschaft muss an Russland den dringenden Appell richten, sich nicht zum Handlanger eines autokratischen Regimes zu machen, das augenscheinlich dazu bereit ist, die grundlegenden Rechte des eigenen Volkes mit Füßen zu treten und unverhältnismäßige Gewalt anzuwenden.“ Die kasachische Führung müsse den Weg von Gesprächen statt von Gewalt gehen und darauf verzichten, „sich auf fremde Bajonette abzustützen“, so Wadephul weiter.
Russlands Präsident Wladimir Putin gerate durch Kasachstan mit seiner Ukrainepolitik aus dem Tritt, sagte Wadephul. Er sei nun unter Druck. „Das bietet dem Westen die Möglichkeit, Putin zu verdeutlichen, dass seine Politik der Machtdemonstrationen, Erpressungen und unverhohlener Aggressionen falsch ist, sondern er stattdessen zu einer Politik des Dialogs zurückkehren sollte“, sagte Wadephul.