Unruhen in USA ebben nicht ab: Was wo passiert
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Polizisten zielen in Pittsburgh während eines Protests auf Demonstranten. Nach dem Tod des Afroamerikaners George Floyd bei einem brutalen Polizeieinsatz in Minneapolis haben die Ausschreitungen in US-Metropolen in der fünften Nacht in Folge angedauert.
© Quelle: Michael M. Santiago/Pittsburgh P
Washington. Nach dem Tod des Afroamerikaners George Floyd bei einem brutalen Polizeieinsatz in Minneapolis haben Ausschreitungen in US-Metropolen in der fünften Nacht in Folge angedauert. In Minneapolis im Bundesstaat Minnesota setzten sich Demonstranten in der Nacht zum Sonntag erneut über eine Ausgangssperre hinweg. Sicherheitskräfte drängten Demonstranten mit Tränengas zurück, wie der Sender CNN berichtete. In zahlreichen anderen Städten in den USA kam es Medienberichten zufolge zu Unruhen und auch zu Plünderungen. Behörden in insgesamt 25 Städten in 16 US-Bundesstaaten erließen demnach Ausgangssperren. Dennoch kam es vielerorts zu Protesten.
Mindestens zwei Personen kamen am Samstag durch Schüsse ums Leben, eine in Detroit und eine in Indianapolis. Viele wurden verletzt, in 17 Städten wurden nach Zählung der Nachrichtenagentur AP insgesamt fast 1400 Protestierer verhaftet.
Was in Indianapolis genau geschah, ist unklar. Sicher ist nur: In der Nähe der Demonstrationen wurde mindestens ein Mensch erschossen, zwei weitere wurden verletzt. Auf Twitter schrieb die Polizei, ihre Beamten seien nicht beteiligt gewesen.
Die Ereignisse folgen auf den Tod des Afroamerikaners George Floyd. Der 46-Jährige war am Montag nach einem brutalen Polizeieinsatz gestorben. Einer der vier beteiligten Polizisten wurde am Freitag des Mordes angeklagt und festgenommen: der Beamte, der Floyd sein Knie minutenlang in den Nacken gedrückt hatte. Der Afroamerikaner hatte mehrfach um Hilfe gefleht, bevor er das Bewusstsein verlor, wie von Passanten aufgenommene Videos zeigten.
Gewaltsame Ausschreitungen auch in Los Angeles
Auch in der kalifornischen Metropole Los Angeles verhängten die Behörden eine nächtliche Ausgangssperre. Bürgermeister Eric Garcetti teilte mit, die Maßnahme sei notwendig, um “den Frieden wiederherzustellen”. Nach Angaben der Polizei kam es im Stadtzentrum zu “großen und gewalttätigen Protesten”. Demonstranten hielten sich nicht an die Ausgangssperre. Auf Fernsehbildern war zu sehen, wie in Los Angeles Gebäude brannten und Läden geplündert wurden.
Vor dem Weißen Haus in Washington verhinderten Sicherheitskräfte am Samstagabend, dass sich Demonstranten dort erneut – wie am Vorabend – versammelten. Ein schwarzer Demonstrant trug ein Schild mit der Aufschrift: “Bin ich der Nächste?” Demonstranten skandierten George Floyds Namen. Auf Fernsehbildern aus Washington war zu sehen, wie ein Gebäude im Stadtzentrum brannte.
“Ein Land im Chaos”
“Das ist ein Land im Chaos”, sagte ein CNN-Moderator. In New York zogen Demonstranten vor den Trump Tower. Auch in Los Angeles, Georgia und in der Hauptstadt Washington wurde die Nationalgarde wegen der Unruhen mobilisiert, wie CNN meldete.
In Minneapolis galt in der Nacht zu Sonntag in der zweiten Nacht in Folge eine Ausgangssperre. Minnesotas Gouverneur Tim Walz hatte alle Bewohner dazu aufgefordert, zu Hause zu bleiben. Wegen der Proteste hatte Walz am Samstag erstmals seit dem Zweiten Weltkrieg die gesamte Nationalgarde des Bundesstaates mobilisiert.
Die Nationalgarde teilte mit, mehr als 4100 der insgesamt bis zu 10.000 mobilisierten Soldaten würden in der Nacht zum Sonntag eingesetzt, um in Minneapolis und Umgebung für Ordnung zu sorgen. Die anderen Soldaten stünden für die kommenden Tage bereit. Die Nationalgarde zählt zur Reserve der US-Streitkräfte und kann in Ausnahmesituationen in Bundesstaaten eingesetzt werden.
Angriffe auf Journalisten
Während der nächtlichen Unruhen sind zudem Journalisten verletzt und angegriffen worden. Bei einer Kundgebung vor dem Weißen Haus am Samstag ging eine Gruppe Protestierender auf ein Team des Nachrichtensenders Fox News los. Reporter Leland Vittert sagte der Nachrichtenagentur AP, er und sein Fotograf Christian Galdabini seien gezielt angegriffen worden. “Wir haben eine ganz schöne Abreibung bekommen”, sagte er.
Auch in anderen Städten gab es Gewalt gegen Journalisten. In South Carolina wurde eine Fernsehreporterin von einem Stein, in Minneapolis ein Reporter von einem Gummigeschoss am Oberschenkel getroffen. Ein Fernsehreporter in Pittsburgh sagte, er sei von Demonstranten geschlagen worden und die Polizei in Louisville entschuldigte sich dafür, dass ein TV-Team von einem Polizisten mit Pfefferspraygeschossen ins Visier genommen wurde.
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Die Protestierenden unterbrachen eine Live-Aufnahme des Fox-Teams und riefen Obszönitäten gegen Fox. Sicherheitsbeamte geleiteten Vittert und Galdabini aus dem Lafayette Park, verfolgt von der aufgebrachten Gruppe, bis diese von Bereitschaftspolizisten auseinander getrieben wurde.
Fox News ist Trumps Lieblingssender
Vittert sagte, er und sein Fotograf hätten keine Zeichen getragen, dass sie von Fox seien. Bei der Demonstration habe aber ein Mann ihn fortwährend gefragt, für wen er arbeite. Er antwortete nicht, der Mann fand aber ein Foto von ihm auf seinem Handy und rief den anderen zu, dass er von Fox sei. „Die Protestierer hörten auf, gegen was auch immer zu protestieren und wandten sich gegen uns“, sagte Vittert. „Und das war ein ganz anderes Gefühl.“
Ein Korrespondent der Webseite The Daily Caller filmte Szenen, als Vittert und die Protestierenden den Park verließen. An einer Stelle nahm jemand Vitterts Mikrofon und warf es ihm in den Rücken. Eine Frau in der Gruppe trug ein T-Shirt mit der Aufschrift „I can't breathe“, die letzten Worte des bei einer brutalen Festnahme in Minneapolis umgekommen George Floyd.
In Columbia in South Carolina mischte sich nach Berichten von Fernseshendern eine Person unter die Protestierenden, die einen Hut mit dem Schriftzug „MAGA“ trug, der für Präsident Donald Trums altes Wahlkampfmotto „Make Amerika Great Again („Macht Amerika wieder großartig“) steht. Daraufhin hätten Protestierende diese Person konfrontiert. Dann seien Steine geflogen.
US-Präsident Donald Trump bevorzugt den Fernsehsender Fox und wirft anderen Medien wie CNN, MSDNC, der „New York Times“ und der „Washington Post“ immer wieder vor, Falschinformationen zu verbreiten. Auch am Samstag twitterte er wieder: „Fake News sind der Feind des Volkes!“
Trump beschuldigt linksradikale Gruppen
Trump machte überdies linksradikale Gruppen für die Ausschreitungen in amerikanischen Städten verantwortlich. “Die Gewalt und der Vandalismus werden von der Antifa und anderen gewaltsamen Gruppen des linken Flügels angeführt”, sagte Trump am Samstagabend (Ortszeit) nach dem Start von US-Astronauten vom Weltraumbahnhof Cape Canaveral. “Linksradikalen Kriminellen, Verbrechern und anderen in unserem Land und auf der Welt wird nicht erlaubt werden, unsere Gemeinden in Brand zu stecken.”
Der Republikaner Trump warf gewaltsamen Demonstranten vor, das Gedenken an George Floyd zu entehren. "Was wir jetzt auf unseren Straßen sehen, hat nichts mit Gerechtigkeit oder mit Frieden zu tun", sagte Trump. "Meine Regierung wird Mob-Gewalt beenden." Trump sagte: "Ich stehe vor Ihnen als ein Freund und Verbündeter jedes Amerikaners, der nach Gerechtigkeit und Frieden strebt." Er sei aber strikt gegen jene, die diese "Tragödie" ausnutzen wollten, um zu plündern oder zu bedrohen. "Heilung statt Hass und Gerechtigkeit statt Chaos sind der Auftrag, den es zu erfüllen gilt."
Auch Justizminister Barr macht Linksextremisten verantwortlich
Alleine in Los Angeles waren nach Angaben vom Samstag bei Protesten nach dem Tod Floyds mehr als 500 Menschen festgenommen worden. Auch in anderen Metropolen kam es zu Festnahmen. Nach Trump machte auch US-Justizminister William Barr linke Gruppierungen für die Ausschreitungen in vielen amerikanischen Städten verantwortlich. Die Gewalt nach dem Tod Floyds sei geplant und gehe auf das Konto von "anarchistischen Linksextremisten", sagte Barr am Samstag.
Beweise legte auch er nicht vor. Barr kündigte an, die Justiz werde die Verantwortlichen für Ausschreitungen zur Rechenschaft ziehen. Wer sich für Gewalttaten in andere Bundesstaaten begebe, werde nach dem strengeren Bundesrecht strafrechtlich verfolgt, kündigte er an.
Trumps Nationaler Sicherheitsberater Robert O’Brien äußerte sich empört, dass die Beamten nichts unternommen hätten. „Ich kann mir nicht vorstellen, dass sie nicht angeklagt werden“, sagte er dem Sender ABC. Zugleich wies er den Vorwurf zurück, es gebe in der Polizei systematischen Rassismus. Es gebe ein paar „schwarze Schafe“, die rassistisch oder bösartig seien. „Diese Leute müssen wir loswerden“, mahnte er - wie den „schmutzigen Polizisten, der George Floyd getötet hat“. Der allergrößte Teil der Polizei mache aber hervorragende Arbeit.
Der designierte Herausforderer Trumps der Demokraten bei der Präsidentschaftswahl im November, Ex-Vizepräsident Joe Biden, erklärte, die vergangenen Tage hätten gezeigt, dass die Nation "wütend" sei über Ungerechtigkeit. Es sei eine typisch amerikanische Reaktion, gegen Polizeigewalt zu demonstrieren. Sinnlose Zerstörung und Gewalt sei aber keine akzeptable Reaktion.
RND/dpa/AP