US-Demokraten driften nach links
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Andrew Gillum will zum Gouverneur von Florida gewählt werden.
© Quelle: AP Photo/Steve Cannon
Washington. Es sind starke Worte, mit denen Andrew Gillum am Mittwoch zu seinen Anhängern spricht: „Wir werden einen Weg aus diesen dunklen Tagen finden. Amerika, das verspreche ich euch, wird zu seinen Werten zurückfinden.“ Gillum ist Bürgermeister von Tallahassee und zählt zu den neuen Überraschungskandidaten: Entgegen der Empfehlungen so mancher Parteifunktionäre hat sich der Afroamerikaner gegen eine etablierte Kandidatin durchgesetzt. Der 39-Jährige bewirbt sich bei den sogenannten Midterms nicht für den Kongress, sondern will an diesem Tag zum Gouverneur von Florida gewählt werden – einem Bundesstaat, dem aufgrund seiner wachsenden Bevölkerungszahl eine große Bedeutung beikommt.
„Das wird ein großer Sprung auf dem Weg ins Weiße Haus“
Gillum fährt – aus amerikanischer Sicht – einen stramm linken Kurs: Der bisherige Kommunalpolitiker fordert ein einheitliches und weitgehend kostenfreies Krankenversicherungssystem, eine drastische Senkung der Studiengebühren und eine radikale Umkehr in der Umweltschutzpolitik. Zum Schrecken seiner Parteiführung gibt er nicht viel auf die Ratschläge der altgedienten Senatoren und Abgeordneten der Demokratischen Partei - sondern lässt sich demonstrativ von Bernie Sanders unterstützen. Der Alt-Linke aus Vermont reiste in den vergangenen Wochen gleich mehrfach nach Florida, um Gillum zu unterstützen. Seine jüngste Rede klang überaus siegessicher: „Wir werden nach zwei Jahrzehnten endlich wieder den Gouverneursposten in Florida gewinnen. Das wird ein großer Sprung auf dem Weg ins Weiße Haus.“
Sanders hatte 2016 im Rennen gegen Hillary Clinton zwar verloren, aber mittlerweile setzt sich unter den Demokraten die Meinung durch, dass dieses Ergebnis allzu sehr von den Funktionären vorgegeben war. Die sogenannten Super-Delegierten - diejenigen stimmberechtigten Parteitagsmitglieder, die von der Parteiführung festgelegt werden – sollen künftig in ihrer Bedeutung kräftig gestutzt und in ihrer Zahl reduziert werden.
Spekulationen über Sanders Rolle bei den Präsidentschaftswahlen
Allein schon diese Änderung der parteiinternen Regeln, die der Basis ein stärkeres Gewicht verleiht, gilt als Sanders’ Verdienst. Ohnehin legt der Senator aus dem hohen Norden ein solches Tempo im beginnenden Wahlkampf an den Tag, das schnell vergessen wird, dass er bereits seinen 76. Geburtstag hinter sich hat. Die Niederlage aus dem vergangenen Präsidentschaftswahlkampf scheint der altgediente Politiker jedenfalls gut weggesteckt zu haben. Die ersten Medien spekulieren bereits über seine Rolle bei den Wahlen 2020.
Welchen Weg die Demokraten grundsätzlich einschlagen, ist allerdings noch nicht ausgemacht. Noch ringen die einzelnen Flügel um den Kurs, um Donald Trump den Weg in eine zweite Amtszeit zu versperren. Soll die Steuerreform, die bei vielen Amerikanern gut ankommt, zurückgenommen werden? Wie steht es um den aufgeblähten Militäretat? Und wie sieht es mit den neuen Zöllen aus, die in Gewerkschaftskreisen keineswegs rundherum abgelehnt wegen? Auf verbindliche und vor allem einheitliche Antwortet warten die Wähler zurzeit vergebens. Das zeigt sich nicht zuletzt an den Bewerbern für den Kongress und die Gouverneurswahlen am 6. November.
Alexandria Ocasio-Cortez ist der Shootingstar der Demokraten
Durcheinander gewirbelt wird das Kandidatenfeld beispielsweise auch durch Alexandria Ocasio-Cortez. Der Shootingstar der Demokraten arbeitete bis vor wenigen Monaten als Kellnerin – war früher allerdings bereits für die Senatoren Edward Kennedy und Sanders tätig.
Ende Juni prallte die 28-Jährige aus New York bei den parteiinternen Vorwahlen schließlich mit Joe Crowley zusammen. Der „King of Queens“, wie er gemeinhin unter örtlichen Parteifreunden genannt wird, sitzt seit zwei Jahrzehnten im Repräsentantenhaus und wurde eigentlich als Favorit für den Posten des Fraktionschefs gehandelt. Crowley wurde von der Wall Street finanziell unterstützt, Ocasio-Cortez hatte lediglich 200 000 Dollar in ihrer Wahlkampfschatuelle. Doch nicht das Geld entschied die Vorwahl, sondern die Wucht von Ocasio-Cortez‘ Forderungen: Ebenso wie Gillum fordert auch sie eine öffentliche Krankenversicherung für alle, die Abschaffung der Studiengebühren, und eine Erhöhung des Mindestlohns auf 15 Dollar die Stunde. Sie bezeichnet sich als „demokratische Sozialistin“ – und wird dafür von ihren Anhängern gefeiert.
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Alexandria Ocasio-Cortez gilt als Shootingstar der Demokraten.
© Quelle: Jae C. Hong/AP/dpa
Ihre Chancen auf den Einzug ins Repräsentantenhaus stehen überaus gut. Aber was heißt das für den grundlegenden Kurs der Partei?
Gute Chancen für Demokraten bei Wahl des Abgeordnetenhauses
Die „Midterm Elections“ sind traditionell die Stunde der Opposition. Das gesamte Abgeordnetenhaus und ein Drittel der Senatssitze werden neu vergeben. Bisher hatte die regierende Partei bei diesem Urnengang immer einige Sitze verloren. Für das Repräsentantenhaus stehen die Chancen der Demokraten tatsächlich gut, die Mehrheit zurückzugewinnen. Der Senat, so heißt es in den neusten Umfragen, dürfte wohl mehrheitlich bei den Republikanern bleiben.
Politikwissenschaftler wie Patrick Ukata von der „American University“ in Washington sind sich sicher: „Diese Wahl wird in der Mitte entschieden. Gillum und Ocasio-Cortez sind beeindruckende Persönlichkeiten“, sagt der Politikforscher. Aber für die Mehrheit der Demokratischen Partei würden sie nicht stehen.
Von Stefan Koch/RND