In Trumps Schatten
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Donald Trump, ehemaliger Präsident der USA, applaudiert bei einer Wahlkampfveranstaltung in Latrobe, Pennsylvania.
© Quelle: Jacqueline Larma/AP/dpa
Washington. Die beiden Städte in Pennsylvania sind gerade 420 Kilometer voneinander entfernt – ein Klacks für amerikanische Verhältnisse. Doch am Samstagabend schienen sie auf zwei verschiedenen Planeten zu liegen. „Die Demokratie steht buchstäblich auf dem Wahlzettel“, warnte der 46. US-Präsident Joe Biden in Philadelphia mit ernster Stimme vor einem Sieg der Republikaner bei den Zwischenwahlen. An seiner Seite stand Barack Obama, der 44. Präsident. „Sie wollen Euer Land zerstören“, barmte derweil Donald Trump, die Nummer 45, im Örtchen Latrobe bei Pittsburgh gegen die Demokraten.
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05.11.2022, USA, Philadelphia: Joe Biden, Präsident der USA, und Barack Obama (l), ehemaliger Präsident der USA kommen zu einer Wahlkampfveranstaltung für den demokratischen Gouverneurskandidaten von Pennsylvania Shapiro und den demokratischen Senatskandidaten, Vizegouverneur Fetterman. Foto: Patrick Semansky/AP/dpa +++ dpa-Bildfunk +++
© Quelle: Patrick Semansky/AP/dpa
Das asynchrone Nebeneinander der beiden Wahlkampfveranstaltungen kurz vor den Midterms an diesem Dienstag illustriert nicht nur die extreme Polarisierung der amerikanischen Gesellschaft. Die parallelen Auftritte vermitteln auch einen Vorgeschmack auf das Szenario einer immer wahrscheinlicheren erneuten Trump-Kandidatur und einer Neuauflage des Präsidentschaftsrennens gegen Joe Biden im Jahr 2024.
Gewaltsame Störungen drohen
In mehrfacher Hinsicht werden dafür am Dienstag die Weichen gestellt: Es geht um die Handlungsfähigkeit von Biden in seinen verbleibenden zwei Amtsjahren, die ordnungsgemäße Durchführung der durch gewaltsame Störungen und unzählige Anfechtungen bedrohten Urnengänge und letztlich um die Frage, ob die nächsten Präsidentschaftswahlen zu Gunsten von Trump manipuliert werden könnten. „Die Zwischenwahlen sind kein Witz“, mahnte Obama denn auch eindringlich: „Wenn die Demokratie stirbt, werden Menschen getroffen. Es hat reale Konsequenzen.“
Formal wird bei den Midterms über die Neubesetzung des Repräsentantenhauses, von einem Drittel des Senats und zwei Dritteln der Gouverneursposten abgestimmt. Doch über allem schwebt die Frage, welche Macht rechte Verschwörungsideologen, Nationalisten und Demokratieverächter künftig in den USA haben. Die Republikaner haben nach einer Erhebung der Washington Post rund 300 Kandidaten aufgestellt, die den Ausgang der Präsidentschaftswahl 2020 bestreiten. Einige von ihnen bewerben sich in den Bundesstaten für Innenministerposten und wären dann für die Durchführung der nächsten Wahlen zuständig.
Zweifel als PR-Strategie
Schon der Urnengang am Dienstag ist der erste Lackmustest. In Arizona wurden bereits in den vergangenen Wochen bewaffnete selbsternannte „Wahlbeobachter“ in der Nähe der Einwurfboxen für die Frühwahl gesichtet. „Wir sind auf alles vorbereitet“, sagte Bill Gates, der oberste Wahlaufseher in Maricopa County, das die Millionenmetropole Phoenix einschließt, am Donnerstag bei einem ungewöhnlichen gemeinsamen Auftritt mit seinen Kollegen aus Georgia und Michigan. „Wir erwarten größere Störungen in Huntington Place (einem Stadtteil von Detroit, d. Red.)“, berichtete Jocelyn Benson, die Innenministerin von Michigan.
Nicht nur die Stimmabgabe, sondern auch die Auszählung und Erfassung der Ergebnisse könnte von radikalen Rechten gestört werden. Weil die Briefwahlstimmen in vielen Bundesstaaten erst später ausgezählt werden dürfen und extrem knappe Ergebnisse erwartet werden, könnte es vielerorts Tage oder sogar Wochen bis zum Endergebnis dauern. Das droht die öffentliche Stimmung weiter anzuheizen und Verschwörungslügen zu befeuern. Gleichzeitig wird das Trump-Lager die Auszählung vom ersten Tag an mit einer Salve von Klagen anfechten. Grundsätzlich sei das ein legitimes Recht, sagt Benson: „Aber hier ist es eine klare PR-Strategie, um Zeit zu gewinnen, Zweifel zu säen und die Wahl zu untergraben.“
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Wenn das Ergebnis dann irgendwann feststeht, drohen den Demokraten harte Zeiten. Die meisten Beobachter erwarten, dass sie ihre bislang hauchdünne Mehrheit im Repräsentantenhaus verlieren. Präsident Biden hätte dann von Januar an keine parlamentarische Mehrheit mehr und könnte nur mit Dekreten regieren.
Ein Rechtsruck der Republikanerfraktion
Zudem dürften sich innerhalb der republikanischen Fraktion die Machtverhältnisse massiv zu Gunsten des Trump-Lagers verschieben. Die Rechtsextreme Marjorie Taylor Greene hat schon eindrücklich ihren Anspruch auf eine führende Rolle angemeldet. Sie und ihre Kollegen dürften Untersuchungsausschüsse etwa über die Geschäfte des ehemals drogensüchtigen Biden-Sohns Hunter einsetzen und dem Präsidenten mit einem Amtsenthebungsverfahren das Leben schwer machen. Es droht eine zweijährige Blockadepolitik. Kevin McCarthy, der mutmaßliche künftige Mehrheitsführer der Republikaner, hat schon erklärt, dass das Parlament auch die Ukraine-Politik des Präsidenten nicht mehr vorbehaltlos unterstützen werde.
Noch radikaler wären die Konsequenzen, falls auch die Mehrheit im Senat verloren geht, was die Demokraten unbedingt verhindern wollen. Dann nämlich könnte Biden keine Personalentscheidungen etwa bei der Besetzung von Botschafter- oder Richterposten mehr durchsetzen, und der Kongress hätte die Mehrheiten, um extreme Gesetze wie ein komplettes nationales Abtreibungsverbot zu beschließen. Joe Bidens schärfstes Schwert wäre dann sein Vetorecht. Der mächtigste Mann der Welt befände sich in der Defensive.
Trumps frühe Rückkehr – gut fürs Ego und Gerichtsprobleme
Das käme seinem Vorgänger Donald Trump gerade recht. Seit Monaten spielt dieser mit Andeutungen über eine mögliche erneute Kandidatur. Er werde es „sehr, sehr, sehr wahrscheinlich“ machen, sagte er am vorigen Donnerstag. Nicht nur der extreme Narzissmus des 76-Jährigen spricht für diese Variante. Auch könnte sich der Ex-Präsident durch einen solchen Schritt gegen seine zahlreichen juristischen Probleme zu immunisieren versuchen. Schon am Montag der kommenden Woche werde Trump seinen Hut offiziell in den Ring werfen, wird in Washington gemunkelt.
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Offenbar will der Ex-Präsident den Schwung einer möglichen „roten Welle“ bei den Midterms für sich nutzen. Rot ist in den USA die Farbe der Republikaner. Nicht deren gesamte Partei dürfte freilich über das Timing von Trumps-Ego-Show glücklich sein. In Georgia droht nämlich im Dezember eine Stichwahl der beiden Senatskandidaten, und Trumps drohende Rückkehr ins Weiße Haus könnte dort ungewollt die linksliberalen Wähler mobilisieren.
Auch diese listige Ironie der Geschichte wäre eine Wiederholung: Vor zwei Jahren hatte genau dieser Effekt dem Demokraten Raphael Warnock in Georgia zum unverhofften Sieg und Joe Biden zur Senatsmehrheit verholfen.