Gedenken an Opfer des Nationalsozialismus

„,Nie wieder‘ meinte nicht alle Opfergruppen“: Zeitzeugin erinnert an verfolgte Minderheiten

Eine Inschrift zum Gedenken an die Verfolgung von Homosexuellen während des Nationalsozialismus steht auf dem Sockel einer Statue. Der international begangene Holocaust-Gedenktag am 27. Januar erinnert an die Befreiung des deutschen Vernichtungslagers Auschwitz 1945.

Eine Inschrift zum Gedenken an die Verfolgung von Homosexuellen während des Nationalsozialismus steht auf dem Sockel einer Statue. Der international begangene Holocaust-Gedenktag am 27. Januar erinnert an die Befreiung des deutschen Vernichtungslagers Auschwitz 1945.

Bundesweit wird an diesem Freitag der Opfer des Nationalsozialismus gedacht. Bundestagspräsidentin Bärbel Bas eröffnete die Gedenkveranstaltung im Bundestag, an der auch Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier teilnimmt. Im Mittelpunkt der Gedenkfeier stehen in diesem Jahr Menschen, die wegen ihrer sexuellen Orientierung oder Identität von den Nationalsozialisten verfolgt wurden. „Eine Opfergruppe, die lange um Anerkennung kämpfen musste“, sagte Bärbel Bas in ihrer Begrüßung.

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Auch die Holocaust-Überlebende Rozette Kats kommt zu Wort. Sie gehöre zwar nicht zu einer sexuellen Minderheit, aber wisse, wie es sei, ein Doppelleben zu führen, erzählt sie. Denn sie ist eines der jüdischen Kinder, deren Eltern ermordet wurden und die versteckt worden waren. Erst mit sechs Jahren erfuhr sie, dass sie eigentlich gar nicht Rita hieß, sondern Rozetta, und Jüdin war.

Holocaust-Gedenktag: Zeitzeugin im Bundestag erinnert an verfolgte Minderheiten
BERLIN, GERMANY - JANUARY 27: Gay activist Klaus Schirdewahn receives applause after his speech during a special session of the Bundestag to commemorate victims of the Nazis during Holocaust Remembrance Day, which this year is placing special emphasis on victims who were homosexuals, on January 27, 2023 in Berlin, Germany. Holocaust Remembrance Day, which falls on the anniversary of the January 27, 1945 liberation of the Auschwitz concentration camp, commemorates the millions of people murdered and persecuted by the Nazis from the 1930s and into World War II. The victims include over five million Jews, as well as political opponents, Roma, other religious groups and homosexuals. (Photo by Maja Hitij/Getty Images)

Der Bundestag gedenkt anlässlich des Holocaust-Gedenktags der Opfer des Nationalsozialismus.

Zeitzeugin Katz über Opfergruppen, die vergessen werden

„Ich hatte Angst, ich verstand nicht, was mit meinen Eltern geschehen war“, sagt Katz. „Was bedeutet jüdisch?“ Erst 1992 traf sie Menschen, die ebenfalls als Kinder versteckt worden waren. „Ein Coming-out aus meinem Versteck“, sagt Katz. „Ich war endlich nicht mehr die Einzige.“

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Sie kritisiert, dass bestimmte Opfergruppen der Nationalsozialisten lange vergessen wurden. „Das Versprechen ‚Nie wieder‘ meinte nicht alle Opfergruppen der Nationalsozialisten“, sagt sie. Auch sei der Begriff „asozial“ eine Definition der Nazis, die Verhaftungen wegen Sexualität verschleierte – aber lange weiter genutzt wurde. „Ich wünsche mir, dass jede Form von Diskriminierung nicht als normal empfunden wird, sondern als schreckliche Abweichung, die es zu überwinden gilt.“

In einem Interview mit der „Jüdischen Allgemeinen“ hatte sie bereits gesagt, das Thema liege ihr „sehr am Herzen“. Viele ihrer Freundinnen und Freunde seien zudem homosexuell. „Ich habe dem aber nie Beachtung geschenkt, sie sind einfach meine Freunde. Als ich aus Berlin angefragt wurde, habe ich gern zugesagt. Dem liegt ein sehr schöner Gedanke zugrunde: Solidarität von einer Gruppe zur anderen.“

Vertreter der queeren Community sprechen

Auch ein Vertreter der queeren Community, Klaus Schirdewahn, spricht vor dem Hintergrund seiner Verhaftung nach Paragraf 175 im Jahr 1964 über die Bedeutung des Gedenkens an die im Nationalsozialismus verfolgten sexuellen Minderheiten. Ein Paragraf, der Homosexualität kriminalisierte und erst 1994 gestrichen wurde.

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„Dass ich jetzt vor Ihnen sprechen kann, ist nicht selbstverständlich“, sagte er. „Bis vor fünf Jahren galt ich als vorbestraft, weil ich als 17-Jähriger angeklagt und schuldig gesprochen wurde. Wegen meiner Gefühle für einen anderen Mann.“

Auch die offen homosexuell lebende Schauspielerin Maren Kroymann und Schauspieler Jannik Schümann haben an der Gedenkveranstaltung im Bundestag teilgenommen.

Die Holocaust-Überlebende Anna Strishkova in ihrer Wohnung in Kiew.

Mitten im russischen Krieg: Wie eine Holocaustüberlebende aus Kiew 2022 ihre Familie wiederfand

Anna Strishkowa hat jahrzehntelang vergeblich versucht, ihre Herkunft herauszufinden. Nun halfen ihr ein deutscher Filmemacher, das Stuttgarter Landeskriminalamt und ein ukrainischer Holocaustforscher. Mit Erfolg.

Schümann las einen Text über den 2003 verstorbenen Karl Gorath vor, der als Homosexueller insgesamt drei Konzentrationslager überlebte. Kroymann trug einen Text zu der als „Asoziale“ und „Lesbierin“ verhafteten Mary Pünjer, die später vergast wurde, vor.

Vor 78 Jahren, am 27. Januar 1945, befreiten Soldaten der Roten Armee die Überlebenden des deutschen Konzentrations- und Vernichtungslagers Auschwitz im besetzten Polen. Die Nazis hatten dort mehr als eine Million Menschen ermordet.

RND/kb/dpa

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