Vor der Grenzschließung für Europäer: So erlebte ich meinen Flug in die USA

Eine Boeing 747 der Lufthansa startet auf dem Flughafen Frankfurt. Ab Freitag gilt für die USA ein Einreiseverbot für Europäer. Von den Reisebeschränkungen infolge der Coronapandemie ist vor allem die Luftfahrtbranche betroffen, allein die Lufthansa hat bis in den April hinein bereits mehr als 30.000 Flüge gestrichen.

Eine Boeing 747 der Lufthansa startet auf dem Flughafen Frankfurt. Ab Freitag gilt für die USA ein Einreiseverbot für Europäer. Von den Reisebeschränkungen infolge der Coronapandemie ist vor allem die Luftfahrtbranche betroffen, allein die Lufthansa hat bis in den April hinein bereits mehr als 30.000 Flüge gestrichen.

Washington. “Hi guys!” Der Einwanderungsbeamte am Washingtoner Flughafen Dulles wirkt extrem entspannt. In der Eingangshalle, wo sich normalerweise hunderte Reisende durch ein Labyrinth von Ordnungsbändern zur Passkontrolle drängen, herrscht gähnende Leere. Der Uniformierte blättert kurz durch meine Papiere, nimmt Foto und Fingerabdrücke und rammt seinen Stempel in den weinroten Ausweis: “Have a nice day!”

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Wie? Was? Das war es? Keine fünf Minuten hat die Einreise, die ansonsten durchaus eine Stunde verschlingen kann, gedauert. Keine Fragen zur Reiseroute oder zu möglichen Coronakontakten, erst recht kein Gesundheits- oder Fiebercheck. Nichts. Dabei hat die Europäische Union nach Aussagen von US-Präsident Donald Trump doch bei der Eindämmung des tückischen Virus so dramatisch versagt, dass er nun beispiellose Maßnahmen zum Schutz der eigenen Bevölkerung ergreifen muss: Am heutigen Freitagabend, um 23.59 Uhr (Ortszeit), gehen die Schotten hoch. Dann darf – zunächst für 30 Tage – kein Besucher aus dem europäischen Festland mehr in die USA einreisen. Drastischer als mit dieser einseitigen Einmauerung könnte man den Zerfall der transatlantischen Wertegemeinschaft kaum illustrieren.

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Doch noch ist Donnerstag. Und das ist ein verdammt langer Tag. Morgens um drei Uhr deutscher Zeit hat Trump den Einreisestopp verkündet. Kurz darauf reissen den in Deutschland urlaubenden Korrespondenten die brummenden Eilmeldungen auf dem Handy aus dem Schlaf. Viel Zeit zum Überlegen bleibt nicht. Der eigentlich geplante Rückflug nach Washington liegt hinter dem Stichtag, die Transatlantikflüge davor füllen sich in Windeseile, bei der Lufthansa läuft wie üblich nur ein Band. Also wird schnell ein neues Ticket gebucht. Schließlich will man nicht vor Trumps Mauer versauern.

Ein Hauch von Saigon im April 1975

Am Gate Z 18 des Frankfurter Flughafens herrscht ein paar Stunden später großes Gedränge, aber keine Panik. Fast alle Passagiere des United-Flugs UA 988 sind US-Amerikaner – einige sind in Deutschland stationierte Soldaten, andere Geschäftsleute und wieder andere Reisende, die aus verschiedenen Ecken Europas mehr oder weniger überstürzt abgereist sind, nachdem Trump seine Landsleute wegen der Coronapandemie vor Auslandsreisen gewarnt hat. Die Stimmung ist eigenartig. Ein bisschen fühlt es sich an wie bei der Evakuierung der amerikanischen Botschaft in Saigon im April 1975.

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Die Amerikaner dürfen zwar auch in den kommenden Wochen jederzeit zurück in ihre Heimat. Sie müssen aber schlimmstenfalls befürchten, nach der Einreise zunächst in Quarantäne zu wandern. Reisende aus den Schengen-Staaten werden hingegen gar nicht mehr ins Land gelassen. “Deutschland hat ein paar Probleme”, hat Trump zur Begründung des Reiseverbots gesagt. Das stimmt zwar grundsätzlich. Die Experten sind sich jedoch einig, dass die Probleme der USA in der Coronakrise durch die chaotische Regierungspolitik ungleich größer sind. Als Hinweis darauf könnten schon die Sterbezahlen dienen: In Deutschland sind bislang fünf Tote zu beklagen, in USA haben trotz einer niedrigeren Infiziertenzahl schon 40 Menschen ihr Leben verloren. Längst verbreitet sich das Virus im ganzen Land, sodass eine Einreisesperre kaum eine dämpfende Wirkung haben dürfte. Doch ohnehin geht es Trump nach Meinung vieler Beobachter mehr darum, von den eigenen Fehlern abzulenken, fremdenfeindliche Ressentiments zu bedienen und eine neue Brechstange im Handelskrieg mit Europa einzuführen.

“Sind Sie sicher, dass Sie fliegen wollen?”

Inzwischen ist die United-Crew eingetroffen, die sich betont locker gibt und gegenseitig Luftküsschen zuwirft. Niemand trägt einen Mundschutz, auch nicht beim Bodenpersonal. Trotzdem schaut eine Angestellte am Schalter den deutschen Fluggast sehr ernst an: “Sind Sie sicher, dass Sie fliegen wollen? Das wird ja nicht empfohlen.” Sicher ein wichtiger Hinweis für blauäugige Urlauber, die glauben, sie könnten in New York die Metropolitan Opera besuchen oder in Washington das Kapitol besichtigen. Das geht nämlich nicht – coronabedingt.

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Umso lieber blättert man im Flugzeug durch das Bordmagazin mit seinen schönen bunten Bildern aus aller Welt. Für die Kirschblüte in Japan wird da geworben. Für eine Christo-Ausstellung im Pariser Centre Pompidou. Und vor allem für die herrlichen Olivenbäume im süditalienischen Apulien. Das Heft ist tatsächlich vom März 2020 und wirkt doch wie eine Reminiszenz an weit entfernte Zeiten.

Notstand in der Hauptstadt Washington

Gut 18 Stunden nach Trumps Alarmrede habe ich wieder Washingtoner Boden unter den Füßen. Ich habe es rechtzeitig zurück geschafft in das Land, das nach Darstellung seines Präsidenten in der aktuellen Krise optimal aufgestellt ist. Es ist frühsommerlich warm, und am Jefferson-Memorial strahlen die Kirschbäume in verschwenderischem Weiß und Rosa. Nur die Straßen der US-Hauptstadt sind deutlich leerer als vor einer Woche.

Kein Wunder: Die Bürgermeisterin hat am Vormittag den Coronanotstand ausgerufen.

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