„Stärker auf Verhältnisse im Land achten“: Enquete-Kommission zum Afghanistan-Einsatz will Lehren ziehen
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Die Bundeswehr beim Abzug aus Afghanistan.
© Quelle: dpa
Berlin. Der Vorsitzende der Enquete-Kommission des Bundestages zu Lehren aus dem Afghanistan-Einsatz, Michael Müller (SPD), hat gefordert, bei vergleichbaren Einsätzen in anderen Ländern wie Irak oder Mali stärker auf die Verhältnisse im Land zu achten. „Vor dem Afghanistan-Einsatz hat man sich offenkundig nicht ausreichend mit Kultur, Geschichte und Gesellschaft des Landes auseinandergesetzt“, sagte er dem RedaktionsNetzwerk Deutschland (RND). „Außerdem wurde der Auftrag häufiger geändert. Und schließlich wurden viele Erfolge an den großen Städten wie Kabul und Kandahar gemessen. Es wurde übersehen, dass viele Veränderungen in der Fläche des Landes gar nicht akzeptiert wurden.“
In der Enquete-Kommission gehe es nun darum, sowohl den militärischen als auch den humanitären Einsatz über die gesamten 20 Jahre genauer unter die Lupe zu nehmen. „Wichtig ist dabei, die richtigen Schlussfolgerungen zu ziehen, um es an anderen Orten besser zu machen“, betonte Müller. „Es sollte nicht so sein wie in Afghanistan, dass sich nach dem Abzug sofort wieder die alten Verhältnisse einstellen.“ Entscheidend sei, dass man Bündnispartner vor Ort habe und nicht alles von außen komme. Sonst seien Veränderungen nicht stabil.
Politiker und Experten
Die Kommission mit dem offiziellen Titel „Lehren aus Afghanistan für das künftige vernetzte Engagement Deutschlands“ konstituiert sich am Montag offiziell und nimmt dann nach Müllers Worten zügig ihre Arbeit auf. Sie besteht aus zwölf Politikerinnen und Politikern sowie zwölf Experten und soll bis zum Sommer 2024 Ergebnisse vorlegen. Das Gremium wird seinerseits Politiker und Experten hören.
Die Kommission ist nicht zu verwechseln mit dem Untersuchungsausschuss des Bundestages, der sich mit der teilweise gescheiterten Evakuierung von Ortskräften der Bundeswehr aus Afghanistan befasst und dem der SPD-Bundestagsabgeordnete Ralf Stegner vorsitzt.
Nächster Fall: Mali
Beide Gremien sind auch formal verschieden. Enquete-Kommissionen sollen Themen grundsätzlich bearbeiten, Untersuchungsausschüsse können Beweismittel anfordern sowie Zeugen und Zeuginnen hören und sollen nicht zuletzt Verantwortliche identifizieren. Oft stecken parteipolitische Interessen dahinter – wobei sie sich in diesem Fall in Grenzen halten, weil keiner der damals politisch Verantwortlichen heute noch im Amt ist, allen voran Außenminister Heiko Maas (SPD) und Innenminister Horst Seehofer (CSU). Insofern halten manche den Untersuchungsausschuss für überflüssig.
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Die Bundeswehr ist derzeit in zehn Auslandseinsätzen aktiv – wobei der Mali-Einsatz unter dem Dach der Vereinten Nationen dem Einsatz in Afghanistan wohl am nächsten kommt. Ziel ist, das westafrikanische Land zu stabilisieren und Islamisten zurückzudrängen. Allerdings verhält sich die malische Militärjunta zunehmend feindselig und hat überdies russische Söldner ins Land geholt, augenscheinlich, um die westlichen Truppen zu vertreiben. Während Außenministerin Annalena Baerbock (Grüne) den Einsatz fortführen will, hat Verteidigungsministerin Christine Lambrecht (SPD) an der Sinnhaftigkeit größere Zweifel.