Der Schatten Putins über den Wahlen in Italien
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Hat Russland rechte italienische Parteien wie die Lega gesponsert? Lega-Chef Matteo Salvini bestreitet dies.
© Quelle: IMAGO/NurPhoto
Rom. Kaum war die US-Geheimdienstbombe geplatzt, trat Lega-Chef Matteo Salvini sogleich die Flucht nach vorn an: Er werde alle, die der Lega unterstellten, Geld aus Moskau entgegengenommen zu haben, mit Klagen überziehen. „Ich habe nie nach Geldern gefragt oder welche erhalten, keine Rubel, Euro, Dinare oder Dollar aus Russland“, erklärte Salvini. Es sei schon komisch, dass jedes Mal, zehn Tage vor den Wahlen, solche Fake News verbreitet würden.
Anlass für Salvinis Ärger ist ein Bericht des US-Geheimdienstes, wonach Moskau seit 2014 – also seit der Annexion der Halbinsel Krim durch russische Truppen – heimlich mindestens 300 Millionen Dollar an ausländische Parteien, Politiker und Think Tanks überwiesen habe, um damit Einfluss auf die Politik in diesen Staaten zu nehmen. Das Ziel dieses Sponsorings besteht laut US-Außenminister Anthony Blinken darin, die westlichen Gesellschaften zu spalten und auf diese Weise die Front der Sanktionen gegen Russland aufzubrechen.
Dass sich gerade Salvini so sehr über den US-Geheimdienstbericht aufregt, erstaunt nicht: Er ist ein großer Bewunderer von Wladimir Putin, und seine Partei steht schon länger im Verdacht, vom Kreml heimlich finanziert zu werden. Im Jahr 2017 hatte die rechtspopulistische Lega mit „Einiges Russland“, der Partei Putins, einen Zusammenarbeitsvertrag „mit Informationsaustausch“ geschlossen. Ein Jahr später wurde ein enger Vertrauter Salvinis im Moskauer Hotel Metropol dabei abgehört, wie er mit zwei weiteren Italienern und drei Russen über einen Gasdeal verhandelte, bei dem – so der Verdacht der Mailänder Staatsanwälte – 65 Millionen Dollar für die Lega abgezweigt werden sollten. Das Geschäft ist nicht zustande gekommen, aber die Ermittlungen sind noch im Gang.
Putin hat mehrere Freunde unter den Spitzenpolitikern
Die Lega ist nicht die einzige Partei in Italien, die – zumindest bis zum russischen Überfall auf die Ukraine – ein ausgesprochen inniges Verhältnis zum Moskauer Machthaber Putin pflegte. Silvio Berlusconi verbindet mit dem „Zar“ seit Jahren eine persönliche Freundschaft, und es fällt ihm bis heute schwer, sich von seinem „amico“ zu distanzieren. Aber auch die von Ex-Premier Giuseppe Conte geführte Fünf-Sterne-Protestbewegung hat ein ambivalentes Verhältnis zu Moskau: Noch im Jahr 2020 wollten die „Grillini“ mit der Putin-Partei ein ähnliches Abkommen schließen wie die Lega (es wurde nichts daraus), und Parteigründer Beppe Grillo, der generell ein Faible für Autokraten hat, war regelmäßig Gast in Russlands Propagandasender „Russia Today“ gewesen.
Der Chef des sozialdemokratischen Partito Democratico Enrico Letta forderte nach der Veröffentlichung des US-Berichts eine umgehende Intervention des parlamentarischen Ausschusses für die nationale Sicherheit: „Die italienischen Bürgerinnen und Bürger müssen noch vor den Wahlen erfahren, welche Parteien von einer ausländischen Macht finanziert worden sind, die Europa feindlich gegenüber steht“, betonte Letta.
Guido Crosetto von den postfaschistischen Fratelli d‘Italia und enger Vertrauter von Parteichefin Giorgia Meloni, schloss sich der Forderung an: Er verlangte „maximale Transparenz“ und erklärte auf Twitter, dass es einem „Hochverrat“ gleichkäme, wenn sich italienische Parteien oder Politiker von Putin hätten finanzieren lassen. Die Fratelli d‘Italia führen derzeit in allen Umfragen mit klarem Vorsprung auf die Sozialdemokraten; Giorgia Meloni hat bei den Parlamentswahlen vom 25. September die besten Chancen, erste Premierministerin von Italien zu werden.
Möglicherweise hat sich Crosetto mit seinem Tweet etwas weit aus dem Fenster gelehnt. Denn laut dem früheren US-Botschafter bei der Nato, Kurt Douglas Volker, haben womöglich auch die Fratelli d‘Italia Geld aus Moskau bekommen. „Ich habe zwar keine Beweise, aber bei uns ist es zu einem Refrain geworden, dass sie in irgend einer Weise unterstützt wurden“, betonte Volker gestern in der Römer Zeitung „La Repubblica“. Die Aussage des US-Diplomaten ist überraschend, weil Parteichefin Giorgia Meloni die von Regierungschef Mario Draghi formulierte Politik der Unterstützung der Ukraine und der Sanktionen bisher unterstützt hat – ganz im Unterschied zu Salvini, Berlusconi und Conte, die Draghi Ende Juli nicht zuletzt wegen dessen kompromissloser Haltung gegenüber Moskau gestürzt hatten.
Meloni kündigte an, dass sie Volker und die „Repubblica“ verklagen werde: „Alle unsere Finanzierungsformen sind verifizierbar; ich bin sicher, dass Fratelli d‘Italia kein Geld von Ausländern entgegennimmt.“ Fest steht aber, dass Meloni im Fall eines Wahlsieges mit den beiden Putin-Freunden Salvini und Berlusconi regieren würde – ein Wahlausgang, der dem Kremlherrscher zweifellos sehr genehm wäre.
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