Wahlrechtsreform landet in Karlsruhe: Unionsfraktion beschließt einstimmig Klage
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ARCHIV - 29.05.2020, Berlin: Abgeordnete nehmen an der 164. Sitzung des Bundestags teil. Trotz der neuen Wahlrechtsreform der Ampel-Koalition setzt das Bundesverfassungsgericht sein Verfahren zur Vorgänger-Reform der großen Koalition aus dem Jahr 2020 fort. (zu dpa "Bundesverfassungsgericht hält an Verhandlung zum Wahlrecht fest") Foto: Britta Pedersen/dpa-Zentralbild/dpa +++ dpa-Bildfunk +++
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Berlin. Die Unionsabgeordneten im Deutschen Bundestag haben bei ihrer Fraktionssitzung einstimmig beschlossen, gegen die Wahlrechtsreform vor dem Bundesverfassungsgericht klagen zu wollen. Das erfuhr das RedaktionsNetzwerk Deutschland (RND) aus Fraktionskreisen. Demnach werden die Abgeordneten eine Normenkontrollklage in Karlsruhe einreichen, um das neue Wahlrecht überprüfen zu lassen.
Der Weg einer Normenkontrollklage steht nur den Regierungen in Bund und Ländern sowie den Abgeordneten des Deutschen Bundestages offen: Ein Viertel der Mitglieder des Parlamentes ist für die Beantragung des Verfahrens nötig – aktuell 184 Abgeordnete. Die Unionsfraktion hat mit 197 Abgeordneten zwar ausreichend Stimmen für eine Klage, kann sich aber nur 13 Abweichler leisten.
Wahlrechtsreform: Ärger in der Union ist groß
Das klare Votum für die Klage war erwartet worden. So zeigte sich Fraktionschef Friedrich Merz (CDU) überzeugt, dass alle Abgeordneten die Klage unterstützen werden. Auch der erste Parlamentarische Geschäftsführer, Thorsten Frei (CDU), sagte am Dienstag in Berlin, die Union werde das Wahlrecht überprüfen lassen.
In der Union ist der Ärger über die Wahlrechtsreform, die in der vergangenen Sitzungswoche beschlossen wurde, groß. Das Gesetz sieht die Reduzierung der Abgeordnetenzahl von derzeit 736 auf dauerhaft 630 Mandate vor. Die Kritik von CDU und CSU betrifft vor allem die Streichung der Grundmandatsklausel, die die Ampel noch kurzfristig in den ursprünglichen Entwurf aufgenommen hatte. Bislang ermöglichte die Regel Parteien, die an der Fünfprozenthürde scheiterten, trotzdem in Fraktionsstärke in den Bundestag einzuziehen, wenn sie drei Direktmandate gewinnen konnten.
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Ein weiterer Kritikpunkt der Union ist der Umgang mit den Wahlkreisen: Künftig müssen Direktmandate von den Zweitstimmenergebnissen der Parteien gedeckt sein. Das hat zur Folge, dass einige Wahlkreisgewinner womöglich nicht einziehen können.
Im schlimmsten Fall kann die Reform dazu führen, dass die CSU trotz mehr als 45 gewonnener Direktmandate aus dem Bundestag fliegt, wenn sie bundesweit weniger als 5 Prozent erreicht. Bei der vergangenen Bundestagswahl erzielte die Regionalpartei nur 5,2 Prozent. Eine Absicherung über die Wahlkreisgewinner gibt es nach der Ampelreform nicht mehr.
Gestrichene Grundmandatsklausel der Knackpunkt
Beides seien „rechtlich problematische Punkte“, betonte CDU-Politiker Frei, und auch die „Hauptangriffspunkte“ bei einer Klage. Unionsfraktionschef Friedrich Merz und CSU-Landesgruppenchef Alexander Dobrindt pochten bereits nach der Abstimmung des Gesetzes auf das Normenkontrollverfahren. In der Fraktionssitzung sprach Merz dem Vernehmen nach von „eklatanten Verfassungswidrigkeiten“.
Erst mit der Streichung der Grundmandatsklausel regte sich auch bei den CDU-Politikern Widerstand. Die CSU hingegen war wegen der Wahlkreisproblematik schon vorher überzeugt von der Verfassungswidrigkeit. Die CDU-Spitze aber sorgte sich vor einer Blamage in Karlsruhe und dem möglicherweise entstehenden Eindruck, dass die Union gegen die Verkleinerung des Bundestages sei. Diese Sorgen sind nun wegen der Änderungen der Ampel offenbar ausgeräumt.
Derweil schlug der SPD-Abgeordnete Axel Schäfer vor, die Fünfprozenthürde abzusenken, um die CSU abzusichern. Dobrindt aber sieht keinen Anlass, auf einzelne Wortmeldungen mit Änderungsvorschlägen aus der Ampel zu reagieren. Dafür müssten die drei Vorsitzenden der Ampelfraktionen schon sehr klar die Bereitschaft bekunden, nochmals grundlegend an das Wahlrecht heranzugehen, sagte er am Dienstag in Berlin.