So sind Mensch und Natur vor Waldbränden geschützt – SPD fordert Löschhubschrauber
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Einsatzkräfte löschen einen Waldbrand.
© Quelle: IMAGO/Markus Klümper
Hannover. Als „mittelprächtig“ bezeichnet Ulrich Cimolino den Schutz der Bevölkerung vor Waldbränden. „Es fehlt bei uns in Deutschland an Aus- und Fortbildung. Und man muss den Leuten beibringen, wie man sich im Wald verhält, allein schon aus Gründen des Selbstschutzes“, sagt der Leiter des Arbeitskreises Waldbrand beim deutschen Feuerwehrverband dem RedaktionsNetzwerk Deutschland (RND).
Der Feuerwehrmann schätzt, dass in neun von zehn Bränden im Forst der Mensch die Ursache ist – beispielsweise durch das Wegwerfen von glühenden Zigarettenstummeln, Grillen oder das motorisierte Fahren und Arbeiten im Wald. Zwar ist laut aktueller Waldbrandstatistik bei etwa der Hälfte der Feuer die Brandursache nicht zu ermitteln. Es könne aber davon ausgegangen werden, dass größtenteils der Mensch Verantwortung trägt und viele Großfeuer „mit gesundem Menschenverstand“ hätten verhindert werden könnten.
Misch- statt Monokulturen: Wie Wälder robuster gegen Brände werden
Eine Möglichkeit, Bränden vorzubeugen? Der Waldumbau. Monokulturen sind anfällig, Mischwälder hingegen resistenter gegen Großfeuer. Eine Neugestaltung ist jedoch mit viel Zeit und hohen Kosten verbunden. Auch müssen Wege und Schneisen in den Wäldern angelegt werden, damit die Feuerwehr Brandnester schneller erreicht und Feuer sich langsamer ausbreiten.
Laut Cimolino ist dieser Waldumbau und dessen nachhaltige Pflege jedoch eine echte Herausforderung. Grund dafür seien die oft kleinteiligen Besitzverhältnisse von deutschen Wäldern mit diversen Eigentümerinnen und Eigentümern und den oft geringen Einnahmen daraus. Erst kürzlich forderten Waldbesitzerinnen und -besitzer finanzielle Hilfen von der Politik, um den Forst für die Folgen des Klimawandels zu wappnen. Cimolino empfiehlt zudem, bei Gebäuden im oder am Wald auf den Bewuchs rund um die Häuser zu achten, um Tragödien wie den verheerenden Böschungsbrand bei Siegburg 2018 zu verhindern.
Wenn es trotz präventiver Maßnahmen zu einem Waldbrand kommt, liegt in Deutschland die Zuständigkeit bei der Bekämpfung der Feuer bei den Bundesländern. Der Bund unterstützt über das Amt für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe (BBK) mit Fahrzeugen für den Zivilschutz und vermittelt sogenannte Engpassressourcen. Damit ist nach Angaben des BKK gegenüber dem RND Hilfe aus dem In- und Ausland wie das Hinzuziehen von Expertinnen und Experten, Brandschutzeinheiten oder Hubschraubern mit Löschkapazitäten gemeint.
Der Vorteil durch die Dezentralisierung: Hierzulande sind die Gemeinden für die Vorhaltung der Feuerwehren zuständig. In kleineren Gemeinden wird dies mit Ehrenamtlichen in Freiwilligen Feuerwehren geleistet, die ortsansässig sind und dadurch schnell an der Einsatzstelle sein können. Im Gegensatz beispielsweise zum Nachbarland Frankreich, wo ein Departement für die Rettungskräfte verantwortlich ist und dadurch nach Angaben des Feuerwehrexperten in vielen kleinen Gemeinden keine Stützpunkte vorhanden sind.
Ehrenamtliche Feuerwehrkräfte teilweise an „absoluter Belastungsgrenze“
Das Problem in Deutschland? Zum Teil sind die Feuerwehren aufgrund des großen Anteils von ehrenamtlichen Helferinnen und Helfern „an der absoluten Belastungsgrenze“, wie es Kreisbrandmeister Jens Heinze aus dem brandenburgischen Landkreis Potsdam-Mittelmark im Gespräch mit dem RND beschreibt. In Brandenburg seien etwa 95 Prozent der Feuerwehrkräfte ehrenamtlich aktiv und müssen die vielen Waldbrände in den Sommermonaten neben dem regulären Berufsalltag bewältigen. Heinze sieht die Feuerwehr im Land „gerüstet, aber nicht gut gerüstet“ für bevorstehende Trockenperioden. „Wir versuchen, uns an die Situation anzupassen, aber man kommt kaum hinterher“, sagt er.
„Wir versuchen, uns an die Situation anzupassen, aber man kommt kaum hinterher.“
Jens Heinze, Brandmeister im Landkreis Potsdam-Mittelmark, zur zunehmenden Dürre
Auch in seinem Zuständigkeitsgebiet erwartet Heinze, dass in den kommenden zwei bis drei Wochen die Waldbrandgefahr in die Höhe schnellt. Aktuell sei der Unterwuchs noch grün, doch bei den erwarteten kommenden Trockenperioden könne sich das rasant ändern. Zumal der Wasserhaushalt ein Defizit aufweise. Größere Brandlagen habe er selbst erlebt – wie zum Beispiel im August 2018, als im Treuenbrietzener Ortsteil Frohnsdorf (im Südwesten Brandenburgs) mehrere Hundert Bewohnerinnen und Bewohner evakuiert werden mussten, da sich dort noch alte Munition unter der Erde befindet.
In einem solchen Fall geschehe die Räumung ohne Vorlauf und erfordere das Zusammenarbeiten mehrerer Kommunen, sofern mehr als 250 Menschen ihr Haus verlassen müssen. Bei einer Großlage übernehme dann der Landkreis. Die Kommunikation mit dem Land und anderen Bundesländern läuft über das Koordinierungszentrum Krisenmanagement (KKM) als Schnittstelle im Innenministerium.
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Aus den Erfahrungen 2018 habe man hinsichtlich Ad-hoc-Alarmierungen und der Vorbereitung von Bereitschaftsdiensten viel gelernt. Herausforderungen sieht Heinze dennoch zur Genüge. Etwa müssten Wasserfördersysteme ausgebaut werden, um Löschwasser über größere Distanzen zu transportieren. Aktuell würden zahlreiche Löschbrunnen in den Wäldern gebohrt, der Grundwasserspiegel sinke jedoch und erschwere die Versorgung, so Heinze. Zudem fehle aufgrund der kleinteiligen Strukturen mit zahlreichen Waldbesitzern eine zentrale, taktische Steuerung von Wasserentnahmestellen und damit die Basis für ein flächendeckendes Löschwassernetz. Und: Neben ausreichendem Personal brauche es dringend finanzielle Mittel, um Fahrzeuge wie Hubschrauber oder Flugzeuge für die Waldbrandbekämpfung anzuschaffen.
Dem Katastrophenschutz fehlen Fahrzeuge – auch bei der Brandbekämpfung
So sieht es auch Ingo Schäfer (SPD), der die Ausstattung der Feuerwehren mit entsprechenden Gerätschaften kritisiert. Schäfer ist Mitglied im Innenausschuss und dort verantwortlich für den Bevölkerungsschutz und die Katastrophenhilfe. „Wir brauchen die Möglichkeit, große Brände aus der Luft zu löschen. (...) Es ist doch ein Unding, dass wir Waldbrände in Brandenburg nicht aus der Luft löschen können, die mit Kampfmittelrückständen verseucht sind“, sagt er dem RND.
Dafür würden mittelgroße Lastenhubschrauber benötigt, die im Notfall Wasserbehälter mit einem Fassungsvermögen von mindestens 3000 Litern tragen und abwerfen können. Im Bundesgebiet müssen laut Schäfer mindestens acht Hubschrauber vorhanden sein, die im Ernstfall einen großen Waldbrand löschen können. Und auch Tanklöschfahrzeuge würden aktuell im Katastrophenschutz fehlen.
Einige Bundesländer hätten dagegen die Zeichen der Zeit erkannt. So zum Beispiel auch Brandenburg, wo in diesem Jahr drei Dutzend Löschfahrzeuge mit großen Wassertanks für die Waldbrandbekämpfung beschafft werden konnten. Dahingegen gibt es auch Regionen, in denen deutlich zu wenig getan wird. „In Nordrhein-Westfalen haben wir derzeit vier sogenannte Bambi Buckets – Wasserbehälter, die 820 Liter fassen können. Das ist ein Tropfen auf den heißen Stein“, so Schäfer. „Und weder Bundespolizei noch Bundeswehr haben momentan die Fähigkeiten, Waldbrände aus der Luft zu löschen.“
Feuerwehrexperte: Es fehlt an einheitlichen Richtlinien beim Katastrophenalarm
Im Falle eines sehr großen Waldbrandes sieht auch Feuerwehrexperte Cimolino die gemeinschaftliche Gefahrenabwehr erschwert – wegen der Zuständigkeit der einzelnen Bundesländer. „Es fehlt bei uns an einheitlichen Richtlinien, wenn es um den Katastrophenalarm geht.“ In einigen Bundesländern, wie zum Beispiel auch in Nordrhein-Westfalen, Bayern oder Niedersachsen, seien seiner Ansicht nach entsprechende Grundlagen für die überörtliche Hilfe mit größeren Einheiten („Bereitschaften“) im Ernstfall zwar vorhanden, würden aber jeweils anders bezeichnet. In anderen Regionen dagegen würden diese fehlen.
Das erschwere es, Feuerwehren aus dem gesamten Bund für ein Krisengebiet passgenau und schnell anzufordern sowie dann effektiv und effizient einsetzen zu können. Und: „Es muss eine einheitliche Taktik und Ausbildung in der Waldbrandbekämpfung her“, so Cimolino. „Auch muss der Einsatz von Luftfahrzeugen erleichtert werden und im Katastrophenfall für die Gemeinden kostenfrei möglich sein.“
Ist das Bewusstsein für Krisen in der Bevölkerung zu gering?
Zudem betont er, dass die Akzeptanz und das Bewusstsein für Krisensituationen in der Bevölkerung zu gering seien. „Auch bei uns kann es zu Ereignissen kommen, die einen privaten Vorrat an Lebensmitteln und anderen Gütern des täglichen Bedarfs erfordern.“ Das könne schließlich auch bei Waldbränden der Fall sein, wenn es zu großflächigen Sperrungen kommt.
Zuletzt ist es auch in Deutschland immer wieder zu überdurchschnittlichen Waldbrandjahren gekommen. So ist es der aktuellen Waldbrandstatistik der Bundesanstalt für Landwirtschaft und Ernährung zu entnehmen. 2020 wurden 1360 Großfeuer im Bundesgebiet gemeldet, die zu einer geschätzten Schadenssumme von 2,19 Millionen Euro führten. Nur bei rund 2 Prozent der Fälle waren laut Statistik natürliche Ursachen für die Brände verantwortlich.
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