Wann reagiert die EU? Im Mittelmeer geht es nicht mehr nur um Gas

Das türkische Forschungsschiff “Oruc Reis” ankert vor der Küste Antalyas im Mittelmeer.

Das türkische Forschungsschiff “Oruc Reis” ankert vor der Küste Antalyas im Mittelmeer.

Noch ist es ein Nervenkrieg, den sich die verfeindeten Nachbarn Griechenland und Türkei im östlichen Mittelmeer liefern. Dass daraus schnell ein militärischer Konflikt werden könnte, zeigt ein Zwischenfall aus der vergangenen Woche, als eine türkische und eine griechische Fregatte miteinander kollidierten. Wie zu erwarten, geben sich beide Seiten gegenseitig die Schuld an dem Zusammenstoß. Er hatte, außer Schäden an beiden Schiffen, zum Glück bisher keine weiteren Folgen.

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Aber die Situation bleibt brenzlig. Bis zum 23. August will der türkische Staatschef Recep Tayyip Erdogan die umstrittene Erdgassuche fortsetzen. Erst für die Zeit danach soll er Verhandlungsbereitschaft signalisiert haben. Auch Griechenland ist zum Dialog bereit. Doch man sollte sich keine Illusionen über die Erfolgsaussichten solcher Verhandlungen machen. Bereits 2002 nahmen Athen und Ankara Sondierungen über eine Abgrenzung der beiderseitigen Wirtschaftszonen auf. Die Türkei brach diese Gespräche im März 2016 nach dem 60. Treffen ab.

Ein Blick auf die Landkarte zeigt, wie kompliziert die Materie ist. Die Ägäis ist gespickt mit griechischen Inseln, von denen manche nur wenige Kilometer vor der türkischen Küste liegen. Für das griechische Inselchen Kastelorizo vor der türkischen Südküste, das gerade mal zwölf Quadratkilometer groß ist, beansprucht Griechenland unter Berufung auf die UN-Seerechtskonvention eine Wirtschaftszone von 40.000 Quadratkilometern.

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Zugeständnisse sind unwahrscheinlich

Soll es zu einer tragfähigen Einigung im Streit um die Wirtschaftszonen kommen, müssen beide Seiten politisches Augenmaß beweisen und einander Zugeständnisse machen. Aber das ist unwahrscheinlich. Denn Erdogans Gasexplorationen sind nur Mosaiksteinchen eines größeren Bildes.

Die Türkei greift nach der politischen und militärischen Vorherrschaft im östlichen Mittelmeer. “Mavi Vatan” lautet Erdogans Motto, blaues Vaterland. Der türkische Staatschef schwelgt in neoosmanischen Großmachtfantasien. Deshalb führt er Krieg in Syrien, deshalb unterstützt er das islamistische Regime des libyschen Übergangspremiers Fayiz as-Sarradsch mit Waffen und Söldnern. Damit setzt sich Erdogan über das Waffenembargo der Vereinten Nationen ebenso hinweg, wie er im Gasstreit mit Griechenland und Zypern die UN-Seerechtskonvention ignoriert.

Inzwischen stellt Erdogan auch den Vertrag von Lausanne und damit die Grenzen Griechenlands infrage, die der 1922 geschlossene Vertrag regelte.

Die Griechen verdienen in diesem Konflikt den Beistand ihrer europäischen Partner. Aber viel ist davon bisher nicht zu merken. Die EU palavert und laviert. Sie droht Ankara mit Sanktionen, schreckt aber davor zurück, sie anzuwenden. Vor allem Berlin setzt auf Beschwichtigung, aus Angst, der Schleusenwärter Erdogan könnte Europa mit einer neuen Migrantenwelle überfluten.

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Macron spricht jetzt Erdogans Sprache

Das ist eine kurzsichtige Appeasement-Politik. Denn es geht um viel mehr als einen Streit um Gasvorkommen, von denen keiner zuverlässig weiß, wie groß sie sind, ob sie sich wirtschaftlich ausbeuten lassen und überhaupt benötigt werden. Es geht darum, wie die EU einem Beitrittskandidaten begegnet, dessen Regierung im Inneren die Demokratie demontiert, das Völkerrecht missachtet, Unfrieden in der Region stiftet und mit fast allen Nachbarn im Streit liegt.

Der französische Präsident Emmanuel Macron scheint zu den wenigen zu gehören, die verstanden haben, worum es in diesem Konflikt wirklich geht. Er verstärkt jetzt die Präsenz der französischen Kriegsmarine im östlichen Mittelmeer. Das ist vermutlich die einzige Sprache, die Erdogan versteht.

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