Warum Amerika Michelle Obama liebt – und ihr Millionen gönnt

Michelle Obama verdient mit ihrem Buch Millionen – doch ihre Popularität sinkt angesichts des extremen Wohlstandes keineswegs.

Michelle Obama verdient mit ihrem Buch Millionen – doch ihre Popularität sinkt angesichts des extremen Wohlstandes keineswegs.

Washington D. C. Es sind Zahlen, die viele Amerikaner großartig finden. Etwa 60 Millionen Euro als Honorar, das vorab fällig wurde, und zusätzlich ein hoher zweistelliger Millionenbetrag für die weltweite Präsentation. Mit ihrem neuen Buch „Becoming“ gelingt Michelle Obama der Sprung in die Riege der Reichen.

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Die Plauderrunden über ihr Leben, ihre Familie und ihre politischen Vorstellungen füllen Stadien der Superlative. Viele Menschen sind von der früheren First Lady offenbar so begeistert, dass sie bereitwillig für ein Ticket in den vorderen Reihen mehrere Tausend Euro zahlen. Tatsächlich erhält die Autorin von den Organisatoren der ungewöhnlichen Buchvorstellung 800 000 Dollar – pro Auftritt.

Es ist der vorläufige Höhepunkt in einem Leben, das bereits jetzt so unfassbar reich an spektakulären Erlebnissen und unvorhergesehenen Entwicklungen ist. Der monetäre Reichtum erscheint da nur noch als ein ­i-Tüpfelchen. Kein Wunder, dass so mancher US-Bürger der 54-Jährigen mittlerweile – fast – alles zutraut. Seit Wochen muss Obama bei nahezu jedem öffentlichen Auftritt erklären, warum sie nicht mit dem Gedanken spielt, für das Amt des Staatsoberhauptes zu kandidieren.

„Sie ist eine von uns“

Dagegen schütteln in Berlin viele den Kopf über dieses Phänomen: „Wenn selbst die Obamas so gierig sind, zeigt das, wie weit Amerika sich von Europa wegentwickelt hat“, sagt Karl Lauterbach. Der hochrangige SPD-Politiker kann diese Summen nicht nachvollziehen. Die Ehefrau von Barack Obama, der für mehr soziale Gerechtigkeit angetreten war und sich weiterhin gegen die wachsende materielle Spaltung engagiert, enteilt in Sieben-Meilen-Stiefeln dem Leben der Durchschnittsbürger. Und wie reagieren ihre Landsleute?

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Anders, als es Lauterbach vermutet, sinkt Obamas Popularität angesichts ihres extremen Wohlstandes keineswegs. Ob das tiefere Geheimnis der anhaltenden Sympathie vielleicht darin liegt, dass Obamas Lebensweg auf doppelte Art und Weise auf ihre Landsleute wirkt? Durch ihre Herkunft aus bescheidenen Verhältnissen können sich viele US-Bürger mit ihr identifizieren. „Sie ist eine von uns“, sagen Afroamerikaner, Latinos und Weiße gleichermaßen, da ihre Startbedingungen alles andere als vielversprechend waren.

Ein Paradebeispiel für den „American Dream“: Michelle Obama stammt aus einfachen Verhältnissen und hat – gegen alle Widerstände – hart für ihre Karriere gearbeitet.

Ein Paradebeispiel für den „American Dream“: Michelle Obama stammt aus einfachen Verhältnissen und hat – gegen alle Widerstände – hart für ihre Karriere gearbeitet.

Zugleich wirkt Michelle Obama als Projektionsfläche: Ihr Werdegang wirkt offenbar motivierend, da sie es aus eigener Kraft von unten nach ganz oben geschafft hat. Ein Paradebeispiel für den „American Dream“. Da erstaunt es nicht weiter, dass sich ihr Buch „Becoming“ bereits zwei Millionen Mal verkauft hat.

Der warme Geldregen, der so plötzlich auf die prominente Familie fällt, erscheint vielen ihrer Landsleute als eine Art ausgleichende Gerechtigkeit nach all den Hürden, die ihr in den Weg gestellt wurden. So manche erinnern sich daran, dass die ehemalige First Lady ausgerechnet 1964 geboren wurde – in dem Jahr, als den Afroamerikanern in den USA die vollen Bürgerrechte zugesprochen wurden. Geschichte, die längst vergangen erscheint, kann manchmal so nah sein.

Keiner nimmt Anstoß an den hohen Millionenbeträgen

Ein Stimmungsbild, das auch von US-Bürgern bestätigt wird, die weder mit einem Vermögen gesegnet sind noch übermäßige Sympathien für die Demokratische Partei hegen. Das zeigt sich beispielsweise in diversen Gesprächen mit Amerikanern in Winchester, Virginia, und in Cumberland, Maryland. Keiner nimmt Anstoß an den hohen Millionenbeträgen.

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Aufmerksam regis­triert wird vielmehr die Ankündigung, dass etwa 10 Prozent der Einkünfte aus dem Ticketverkauf gespendet werden. „Ich bin beeindruckt, dass sich Frau Obama an den Grundsätzen der Bibel orientiert und den Zehnten ihren Mitmenschen abgibt“, sagt Deborah Keller, die in einer kleinen Pizzeria hinter dem Tresen steht und nicht viel mehr als den Mindestlohn verdient.

Bei den Präsidentschaftswahlen habe sie für Donald Trump und bei den Zwischenwahlen für die Kandidaten der Demokraten gestimmt. „Frau Obama stammt aus kleinen Verhältnissen und hat sich hochgekämpft“, sagt Keller. Im Übrigen hätten fast alle First Ladys in den vergangenen Jahrzehnten nach ihrer Zeit im Weißen Haus Bücher veröffentlicht.

Schwerer zu ertragen sind Exzesse, die sich im Verborgenen abspielen

Dass es ausgerechnet Obama zu einem finanziellen Erfolg der Sonderklasse bringt, spiegele die besondere Situation wider: Als Nachfahrin von Sklaven wuchs sie in einer bescheidenen Ecke von Chicago auf. Durch eigene Leistung habe sie an Eliteuniversitäten studiert: Princeton und Harvard und dann noch den Dr. jur. geschafft. Die Frau gebe nicht auf, sie arbeite hart und rackere sich ab, sagt Keller. Dass sie nun auch noch die Kraft aufbringe, in aller Öffentlichkeit über die Herausforderung einer modernen Ehe zu sprechen, sei bewundernswert.

Tatsächlich fliegen ihr die Herzen zu, da sie ganz offen über Paartherapie, Fehlgeburten und künstliche Befruchtung spricht und davon erzählt, welchen Belastungen auch Beziehungen ausgesetzt sind, die als erfolgreich gelten. Themen, die gerade in Amerika oftmals nur hinter vorgehaltener Hand zu hören sind.

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Und doch: Wie lässt sich der Gegensatz zwischen dem fast unvorstellbaren Reichtum und dem Leben als Mindestlöhnerin aushalten? Deborah Keller lächelt verlegen und sagt: „Ganz Amerika hat den Lebensweg von Frau Obama verfolgt. Sie hat sich Respekt erarbeitet.“ Schwerer zu ertragen seien die Exzesse, die sich im Verborgenen abspielen: „Schauen Sie doch mal an die Wall Street.“ An den Börsen werde ungleich mehr Geld verdient – ganz ohne dass diese Reichen einen harten Lebensweg hinter sich gebracht hätten.

Stefan Koch

Stefan Koch

Zur Person: Stefan Koch arbeitet als USA-Korrespondent des RND in Washington.

Von Stefan Koch

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