Warum bei der Debatte zur deutschen Einheit im Bundestag so manches anders war

Ralph Brinkhaus, Vorsitzender der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, bei seiner Rede.

Ralph Brinkhaus, Vorsitzender der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, bei seiner Rede.

Berlin. Es ist erst 14 Tage her, dass der Bundestag den Jahresbericht zum Stand der deutschen Einheit debattierte. Am Samstag treffen sich die Spitzen des Staates anlässlich des 30. Jahrestages zur Feierstunde in Potsdam. Am Freitag nun trat das Parlament erneut zusammen, um über die Einheit zu sprechen. Dabei war manches anders.

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Ein Unterschied bestand darin, dass im Gegensatz zu den sonst üblichen Einheitsdebatten auch prominente Politiker teilnahmen, darunter die Minister Olaf Scholz (Finanzen, SPD) und Peter Altmaier (Wirtschaft, CDU) sowie die Fraktionsvorsitzenden Ralph Brinkhaus (CDU/CSU), Christian Lindner (FDP), Dietmar Bartsch (Linke) und Katrin Göring-Eckardt (Grüne).

Allein an den genannten Personen erkennt man, dass nicht – wie ebenfalls sonst üblich – überwiegend Ostdeutsche ans Pult traten, sondern nicht minder Westdeutsche. Besonders war ferner, dass die Rednerinnen und Redner bisweilen die Grenzen der Parteipolitik überwanden.

Scholz: “Eine Erfolgsgeschichte”

Vizekanzler Scholz, der 2021 in Potsdam für den Bundestag kandidiert, hob das Positive hervor. Die Einheit sei “eine Erfolgsgeschichte”, sagte er – und sie sei “von unten gekommen”, als “ein demokratischer Akt in Deutschland”, einem “der seltenen in unserer Geschichte”.

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Das wäre jedoch “nicht möglich gewesen ohne die Einbindung Deutschlands in die Europäische Union”, fuhr er fort. Von außen werde Deutschland heute als ein Land wahrgenommen, betonte der Sozialdemokrat – trotz fortbestehender Unterschiede bei Löhnen und Gehältern oder der Vertretung in Führungspositionen. Die Deutschen selbst sollten es genauso halten.

Sachsens Justizministerin Katja Meier (Grüne), die als Gastrednerin auftrat, sagte: “Die DDR ist Geschichte, und sie wird es immer mehr.” Und sie fuhr fort: “Was da oben ist und uns regiert, das ist nicht mehr unser Gegner, das sind wir selbst.” In diesem Sinne wünsche sie den Ostdeutschen “Trotz nicht im Sinne von Bockigkeit, sondern im Sinne von dennoch”. Denn, so die Grüne: “Wir sind nicht ausgeliefert, wir können unser Leben frei gestalten.”

Ähnlich äußerte sich die SPD-Abgeordnete Daniela Kolbe, als sie sagte, manche im Osten hätten sich “im Verletztsein ganz schön eingerichtet” – und manche im Westen “in der Gleichgültigkeit”.

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Die Linken-Abgeordnete Simone Barrientos warf hingegen einen “Blick zurück im Zorn” und wies auf den Kahlschlag in der DDR-Kultur hin, auf millionenfach entsorgte Bücher und massenhaft geschlossene Theater. “Da wurde Geschichte begraben”, beklagte sie. Tino Chrupalla von der AfD beschrieb die DDR als Ort der “Mitmenschlichkeit”, der “innig und ehrlich” gewesen sei. Einsamkeit sei erst später “ein Thema geworden”. “Das gab es früher so nicht.”

Brücken schlug sehr bewusst Unionsfraktionschef Brinkhaus – einerseits ins Inland. So würdigte er unter anderem den damaligen und heutigen SPD-Abgeordneten Eberhard Brecht aus Quedlinburg in Sachsen-Anhalt als einen jener Parlamentarier, die 1990 dabei waren.

Zudem rühmte er die “vergessenen Helden” der Transformation mit den Worten: “Nach dem 3. Oktober 1990 fing der Alltag an. Und der Alltag – das habe ich erst spät kapiert als jemand aus dem Westen – der war geprägt von Mühen, von Zweifeln, von Rückschlägen und vielen, vielen Problemen, ob das nun Arbeitslosigkeit oder der Verlust der eigenen Biografie war. Ich möchte mich ausdrücklich dafür entschuldigen, dass wir das im Westen vielleicht zu lange nicht gesehen haben.”

Nach dem 3. Oktober 1990 fing der Alltag an. Und der Alltag – das habe ich erst spät kapiert als jemand aus dem Westen – der war geprägt von Mühen, von Zweifeln, von Rückschlägen und vielen, vielen Problemen, ob das nun Arbeitslosigkeit oder der Verlust der eigenen Biografie war. Ich möchte mich ausdrücklich dafür entschuldigen, dass wir das im Westen vielleicht zu lange nicht gesehen haben.”

Ralph Brinkhaus,

Vorsitzender der CDU/CSU-Bundestagsfraktion

Brücken schlug Brinkhaus andererseits ins Ausland, in dem er Russen und Amerikanern dafür dankte, dass sie 1990 eine keineswegs selbstverständliche Einheit möglich machten. Das klang insofern bemerkenswert, als die Beziehungen zu beiden Großmächten 2020 wesentlich komplizierter sind als seinerzeit. Aus dieser Einheit ergebe sich die Pflicht, für Europa “einen Tacken mehr” zu tun, um jenes Vertrauen zurückzuzahlen, dass die Europäer vor 30 Jahren den Deutschen entgegen gebracht hätten, mahnte der CDU-Politiker.

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Auf der Tribüne hatten unterdessen Veteraninnen und Veteranen der Einheit Platz genommen: der ehemalige Bundestagspräsident Wolfgang Thierse, der letzte DDR-Außenminister Markus Meckel, die spätere Familienministerin Christine Bergmann und die einstige Ostbeauftragte Iris Gleicke (alle SPD). Die Thüringerin Gleicke fährt übrigens regelmäßig ihr Enkelkind besuchen – nach Düsseldorf tief im Westen.

RND

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