Ein Nachruf

Werner Schulz ist tot: leidenschaftlich bis zuletzt

Der verstorbene Grünen-Politiker Werner Schulz.

Der verstorbene Grünen-Politiker Werner Schulz.

Berlin. Es ist erst gut zwei Monate her, dass Werner Schulz beim Empfang der Grünen-Bundestagsfraktion in Berlin Prenzlauer Berg erschien – und sich präsentierte wie stets. Der 72-jährige Zwickauer, der von 1990 bis 2005 zunächst dem Bundestag und von 2009 bis 2014 dem Europaparlament angehörte, kam rasch auf den russischen Angriff auf die Ukraine zu sprechen und zog – gewohnt eigensinnig – den Sinn der westlichen Sanktionen gegen Moskau in Zweifel. Womöglich wäre es besser, die Rüstungsproduktion in Deutschland anzukurbeln und mehr Waffen nach Kiew zu liefern, sagte er.

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Auch auf den kurz zuvor gestorbenen Hans-Christian Ströbele kamen wir zu sprechen, dem Schulz 2002 erfolgreich den aussichtsreichen zweiten Platz auf der grünen Landesliste streitig machte. Das sei natürlich traurig, sagte der Überlebende.

„Er war Wegbereiter und Verteidiger der Demokratie“

Nun ist er selbst ausgerechnet bei einer Veranstaltung von Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier zum 9. November in Schloss Bellevue überraschend zusammengebrochen und konnte auch vom anwesenden Präsidenten des Zentralrats der Juden in Deutschland und Arzt, Josef Schuster, nicht mehr gerettet werden. Die Todesnachricht sorgte für Bestürzung. Die ostdeutsche grüne Bundestagsvizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt sagte: „Dieses Land und meine Partei haben Werner Schulz enorm viel zu verdanken. Er war ein Streiter für die Rechte von Bürgerinnen und Bürger. Er war Wegbereiter und Verteidiger der Demokratie. Er war ein Vorbild. Werner Schulz wird fehlen.“

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„Dieses Land und meine Partei haben Werner Schulz enorm viel zu verdanken. Er war ein Streiter für die Rechte von Bürgerinnen und Bürger. Er war Wegbereiter und Verteidiger der Demokratie. Er war ein Vorbild. Werner Schulz wird fehlen.“

Katrin Göring-Eckardt,

Bundestagsvizepräsidentin

Der gelernte Diplomingenieur, den es aus Sachsen bald nach Berlin verschlug, schloss sich in den 1970er-Jahren der DDR-Opposition an. Geprägt durch die Niederschlagung des „Prager Frühlings“, wandte er sich wie so viele gegen die Ausbürgerung des Liedermachers Wolf Biermann, verlor kurz vor der Dissertation seine Stelle an der Humboldt-Universität und war dann als Mitglied des Pankower Friedenskreises Akteur der Friedlichen Revolution. Vom Neuen Forum gelangte Schulz zu den Grünen.

Werner Schulz erhält 2015 von Bundespräsident Joachim Gauck im Schloss Bellevue einen Verdienstorden der Bundesrepublik Deutschland. Nun ist er bei einer Veranstaltung im Schloss Bellevue gestorben.

Werner Schulz erhält 2015 von Bundespräsident Joachim Gauck im Schloss Bellevue einen Verdienstorden der Bundesrepublik Deutschland. Nun ist er bei einer Veranstaltung im Schloss Bellevue gestorben.

Das Unangepasste machte sein Charisma aus

So kantig Schulz‘ Gesicht war, so kantig blieb er freilich auch dort. 1990 wurde Schulz Sprecher der ostdeutschen grünen Bundestagsgruppe, nachdem die seinerzeit von Ströbele geführten und vereinigungskritischen West-Grünen den Wiedereinzug ins Parlament verpasst hatten. Nach 1994 rieb sich Schulz als Parlamentarischer Geschäftsführer am grünen Frontmann Joschka Fischer. Fischer erwartete Unterordnung. Schulz gewährte sie nicht.

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2005 lehnte der Ost-Grüne schließlich vehement den Versuch des damaligen Kanzlers Gerhard Schröder (SPD) ab, mithilfe einer fingierten Vertrauensfrage Neuwahlen einzuleiten. Dabei zog er eine Parallele zur Volkskammer der DDR, wo ebenfalls Abgeordnete „eingeladen“ worden seien, sich dem Willen der Partei anzuschließen. Wie andere einstige Dissidenten neigte Schulz dazu, übers Ziel hinauszuschießen. Das Unangepasste machte sein Charisma aus.

2014 hatte Werner Schulz das Rentenalter erreicht und genug von der Berufspolitik. Das Feuer der Leidenschaft brannte weiter. Erst am 6. September beim grünen Fraktionsempfang, als der Rentner schon etwas abseits stand, konnte man es sehen.

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