Wie die AfD bei den Identitären um Kandidaten wirbt

Im Haus „Flamberg“ in Halle sitzt die „Identitäre Bewegung“. Auch die AfD hat dort ein Büro.

Im Haus „Flamberg“ in Halle sitzt die „Identitäre Bewegung“. Auch die AfD hat dort ein Büro.

Halle/Saale. Das Haus in der Adam-Kuckoff-Straße 16 in Halle an der Saale trägt einen martialischen Namen: „Flamberg“, nach einem beidhändig geführten Schwert, mit dem die Ritter im Mittelalter Breschen in die Front der Feinde schlugen. Das „Patriotische Zentrum“ beherbergt die vom Verfassungsschutz als rechtsradikal eingestufte „Identitäre Bewegung“.

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Zudem sind hier untergebracht: ein Büro des Antaios Verlags von Götz Kubitschek, Mitbegründer der neurechten Denkfabrik „Institut für Staatspolitik“ (IfS), die vom IfS initiierte Bewegung „Ein Prozent“ sowie ein Bürgerbüro der AfD. Eine Zusammenarbeit mit der „Identitären Bewegung“ widerspricht zwar den bundesweiten Vorgaben der Partei. Hans-Thomas Tillschneider, AfD-Landtagsabgeordneter in Sachsen-Anhalt, unterstützt dennoch das neurechte Zentrum.

Männlich, um die 50 Jahre alt

Beim sechsten „Staatspolitischen Salon“ in der Bar des umstrittenen Zentrums spricht Tillschneider über kommunale Politik. Veranstaltet wird der Salon von „Sezession“, einer Zeitschrift des Antaios Verlags. Zum konspirativen Treffen wird nur denen Einlass gewährt, die sich zuvor angemeldet haben. Sie müssen läuten, ihren Namen nennen und werden durch einen schmalen, gefliesten Gang mit kahlen weißen Wänden in einen engen Erdgeschossraum geleitet.

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Dort sind die Rollläden geschlossen, die Luft ist stickig, es riecht nach Schweiß, Bier und Leder: Etwa 60 Menschen sitzen auf Klappstühlen, die Wände sind grasgrün gestrichen. Die Mehrheit der Anwesenden ist etwa 50 Jahre alt. Bis auf zwei Frauen sitzen nur Männer unter den an die Decke genagelten Fahnen Sachsen-Anhalts, Halles und der Identitären Bewegung. Eine der Frauen ist die Studentin Melanie Schmitz, kantiges Gesicht, kurzer Pony, stark geschminkte Augen. Sie gilt als Influencerin der neuen Rechten im sozialen Netzwerk Instagram – und wird vom Verfassungsschutz überwacht.

An der Stirnseite des etwa 50 Quadratmeter großen Raums steht eine Bar aus dunklem Holz. Mario Müller, Chef der Kontrakultur Halle, hat seine blassen, tätowierten Arme auf den Tresen gestützt. Er verkauft Bier an die Gäste. Sie kommen aus Halle, Leipzig, Berlin und aus Gemeinden im benachbarten Saalekreis. Und sie interessieren sich für Kommunalpolitik, einige können sich vorstellen, bei den Kommunalwahlen im Frühjahr 2019 zu kandidieren.

Hundert Kandidaten fehlen

„Wir brauchen eine grundlegende Wende“, analysiert Tillschneider. Der Politiker steht im braunen Pullover hinter dem massiven, dunkelbraunen Rednerpult. Die AfD müsse näher an die Menschen herantreten, Höcke und Gauland seien „Luftgestalten“, ihnen fehle der Unterbau. „Die AfD muss auf kommunaler Ebene Gesicht zeigen“, sagt Tillschneider. Zustimmendes Nicken aus dem Publikum. Bislang fehlt der Partei ein einheitliches kommunales Programm.

Für die bevorstehenden Kommunalwahlen in Sachsen-Anhalt habe die AfD offene Listen geplant. Wer sich aufstellen lässt, muss nicht zwingend Parteimitglied sein. Es wird immer wieder deutlich, dass die Rechtspopulisten sich schwer tun, Personal zu finden. 150 Kandidaten bräuchte Tillschneider im Saalekreis, um in allen Kommunen Listen zu füllen, bislang stünden aber nur etwa 50 für eine Wahl bereit. Nicht nur Politiker sind rar, auch um Mitarbeiter auf Bundes- und Landesebene wirbt die AfD offensiv.

„Irgendwann sind andere auf uns angewiesen“

Widersprüchlich klingen die Pläne, die Tillschneider für die Kommunalpolitik hegt: Migranten sollten keinen Anspruch mehr auf einen Betreuungsplatz in Kitas haben, auch Arbeitslose könnten ihren Nachwuchs selbst betreuen, findet der Landespolitiker. Mit den Einsparungen will er die kommunalen Haushalte entlasten. Wenn die AfD erst Kommunalpolitik mache, könnten die Verantwortlichen Flüchtlinge so unterbringen, dass „die Flüchtlingsströme rückwärts laufen“, ruft Tillschneider. Gelächter erschallt im stickigen Raum.

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Götz Kubitschek, der sich während des Vortrags zu den führenden Köpfen des rechten Hauses in Halle gesellt hat, fasst zusammen: „Wir müssen jetzt destruktiv sein. Irgendwann sind andere auf uns angewiesen und müssen mit uns zusammenarbeiten – oder wir sind so mächtig, dass wir unsere Standpunkte alleine durchsetzen können.“ Auf die Frage, inwieweit sich die AfD auch kooperativ zeigen soll, antwortet Tillschneider jedoch: „Wir müssen uns auch mit der CDU anfreunden, solange wir dabei unsere Standpunkte nicht verraten.“

Von Ole Ziemniak

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