Wie Franziska Giffey den Berliner SPD-Männern die Show stiehlt
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Berlins Regierender Bürgermeister Michael Müller und Bundesministerin Franziska Giffey: Neue Impulse für die Partei.
© Quelle: Gregor Fischer/dpa
Berlin. Formell ist es ein Trio, das am Mittwochabend in einem piekfeinen Kongresszentrum in Berlin-Mitte an den Kameras entlangschreitet, doch schon das Mienenspiel der drei Sozialdemokraten macht klar, wer hier die Haupt- und wer die Nebenrolle spielt. Michael Müller und Raed Saleh lächeln gequält, aber Franziska Giffey strahlt übers ganze Gesicht. „Guten Abend allerseits“, ruft die Bundesfamilienministerin in die Menge der wartenden Journalisten. Sie weiß, dass es ihre Rückkehr in die Landespolitik ist, die die Öffentlichkeit elektrisiert.
Schon am Morgen war die Nachricht durchgesickert, dass Bürgermeister Müller den SPD-Landesvorsitz aufgibt. Beim Parteitag am 16. Mai wird er nicht noch einmal kandidieren.
Er habe in vielen Gesprächen die Rückmeldung erhalten, dass die Partei neue Impulse brauche, räumt Müller offen ein. „Ich habe deshalb zwischen Weihnachten und Neujahr entschieden, nicht wieder anzutreten, und danach das Gespräch mit Franziska und Raed gesucht.“ Gemeinsam habe man dann den Plan entwickelt, dass Fraktionschef Saleh und Ministerin Giffey die Hauptstadt-SPD gemeinsam führen sollten – als Doppelspitze.
Der Wechsel im Vorsitz ist gleichzeitig eine Vorentscheidung in der ungleich wichtigeren Frage, wer die SPD in die Abgeordnetenhauswahl 2021 führen wird. Zwar betont Müller gebetsmühlenartig, dass diese Entscheidung erst zu einem späteren Zeitpunkt getroffen werde, doch niemand innerhalb und außerhalb der SPD glaubt, dass Giffey sich den Co-Vorsitz der chronisch zerstrittenen Hauptstadtpartei antut, ohne dafür eine Gegenleistung zu erwarten.
Mit der Partei hält sich Giffey in ihrem Statement dann auch nicht allzu lange auf. Selbstbewusst formuliert die 41-Jährige einen Führungsanspruch – für die Stadt. „Ich bin Berlinerin, und als Berlinerin liebe ich meine Stadt, und ich möchte, dass es meiner Stadt gut geht und dass wir sie gut gestalten“, sagt sie. Sozial gerecht, klimafreundlich, weltoffen und sicher müsse Berlin sein, sagt Giffey. Und sie sei bereit, einen Beitrag dazu zu leisten.
Als Ministerin will Giffey weitermachen
Ihr Ministeramt in der Bundesregierung will sie nicht aufgeben, betont sie auf Nachfrage. „Ich sehe nicht, dass die Übernahme eines Co-Vorsitzes eines Landesverbandes einer Ministertätigkeit im Wege steht.“ Sie habe noch viel vor.
Fast wortgleich begründet Müller, warum er bis zum Ende der Wahlperiode als Bürgermeister weitermachen will. Spekulationen, wonach er 2021 ein Mandat im Deutschen Bundestag anstreben könnte, dementiert er nicht. Aber auch über die Zusammensetzung der Kandidatenliste für die Bundestagswahl werde zu einem späteren Zeitpunkt entschieden.
Sollten die Berliner Genossen mit der Idee geliebäugelt haben, einen früheren Wechsel im Roten Rathaus einzuleiten, um Giffey einen Amtsbonus im Wahlkampf zu verschaffen, müssen sie am Mittwochmorgen erkennen, dass die Koalitionspartner von Grünen und Linkspartei dafür nicht bereitstehen.
„Wir haben uns auf fünf Jahre mit Michael Müller verständigt; und wir haben eine stabile Koalition. Es gibt keinen Grund, daran etwas zu ändern“, sagte etwa Berlins Kultursenator Klaus Lederer (Linke) dem RedaktionsNetzwerk Deutschland (RND) Stunden vor der Pressekonferenz. Der Vorsitzende der Berliner Grünen, Werner Graf, sagte dem RND: „Für uns gilt der Koalitionsvertrag. Den wollen wir erfüllen.“ In Parteikreisen heißt es, man gehe davon aus, „dass Müller das jetzt fertig macht“.
Das sagte der Regierende Bürgermeister am Mittwochabend zu. Auch wenn die Zeit bis zur Wahl noch lang ist.