„Wir kommen durch diesen Winter“: Kanzler verspricht neue Gas-Importmöglichkeiten ab 2023
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Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) spricht beim Deutschen Arbeitgebertag, veranstaltet von der Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände (BDA), im ehemaligen Flughafen Tempelhof.
© Quelle: Bernd von Jutrczenka/dpa
Berlin. Bundeskanzler Olaf Scholz hat am Dienstagvormittag vor Deutschlands Arbeitgebern gesprochen und sich mit Blick auf die aktuelle politische und wirtschaftliche Lage optimistisch und kämpferisch gezeigt. Schon im Januar 2023 werde es neue Import-Möglichkeiten für Gas geben, sagte der Kanzler.
Heute komme es auf Solidarität und Durchhaltewillen an, so Scholz. Mit dem Krieg in der Ukraine hätten sich wieder Abgründe in Europa aufgetan – Putins Imperialismus drohe, die aktuelle Weltordnung zu zerstören. Die Ukraine preiszugeben, brächte keinen Frieden, zeigte sich der Kanzler überzeugt. Die freiheitliche Welt habe West-Berlin im Kalten Krieg nicht preisgegeben, weil sie sich damit selbst preisgegeben hätte, erinnerte Scholz: „Und deshalb dürfen wir auch heute die Ukraine nicht preisgeben“.
Dank an deutsche Unternehmen
Scholz bedankte sich bei den anwesenden Unternehmern, dass sie die Sanktionen gegen Russland mittragen. „Ich danke der deutschen Wirtschaft für die Solidarität, für die Haltung mit der es möglich ist, dass wir in dieser schweren Situation zusammenstehen“, so Scholz.
Mit Blick auf die Energiekrise sprach Kanzler Scholz beruhigende Worte. Bereits für Januar des kommenden Jahres versprach er neue Import-Möglichkeiten für Gas: „Im Januar des kommenden Jahres werden die ersten dieser neuen Terminals ihre Tätigkeit aufnehmen, werden Pipelineverbindungen ausgebaut und aufgebaut sein, und am Ende des nächsten Jahres haben wir wohl Importmöglichkeiten in Wilhelmshaven, in Stade, in Brunsbüttel, in Lubmin und sind dann in der Lage, all das Gas, was wir brauchen, zu importieren – unabhängig von Russland. Wer hätte gedacht, dass dieses Land das in dieser kurzen Zeit schafft“, sagte Scholz. Die Gasspeicher seien zu 85 Prozent gefüllt, bekräftigte Scholz. Die Regierung werde weitere Maßnahmen ergreifen, damit die Preise wieder sinken.
Auch die Sorge wegen möglicher Stromengpässe beruhigte der SPD-Politiker. „Wir werden dafür Sorge tragen, dass es möglich ist, dass die süddeutschen Atomkraftwerke im Januar und Februar und März noch laufen können, damit es auf keinen Fall zu einem Engpass im deutschen Strommarkt kommt“, sagte er. „Wir kommen durch diesen Winter und das ist eine gute Botschaft in dieser Zeit.“
Die Bundesregierung arbeite nun daran, Entlastungen auch für die Wirtschaft zu erarbeiten. Unternehmen die „in dieser Zeit etwas ganz praktisch für ihre Mitarbeiter tun wollen“, sollten die Möglichkeit nutzen, ihren Mitarbeitern 3000 Euro steuerfrei zur Verfügung zu stellen, erinnerte der Kanzler.
Veränderungen am Strom- und Gasmarkt sollen zudem steigenden Preisen entgegenwirken. Scholz wolle dafür Experten aus Politik und Wirtschaft zusammenbringen und mit ihnen Entscheidungen vorbereiten, die in ganz „kurzer Zeit“ getroffen werden können. Mit dem Ausbau der erneuerbaren Energien solle zusätzlich dafür gesorgt werden, dass das Land wettbewerbsfähig bleibe. Arbeitgeber und Gewerkschaften sollten zudem gemeinsam auf die Herausforderungen der aktuellen Lage reagieren, sagte der Kanzler. Er erinnerte an das bevorstehende zweite Treffen der sogenannten Konzertierten Aktion.
Position der Arbeitgeber zur wirtschaftlichen Lage
Auf dem traditionellen Arbeitgebertag wollen Deutschlands Arbeitgeber an diesem Dienstag in Berlin ihre Positionen zur aktuellen wirtschaftlichen und politischen Lage darstellen. Zu Beginn des Arbeitgebertags sprach Arbeitgeberpräsident Rainer Dulger. Er warnte davor, dass steigende Löhne auch immer automatisch steigende Kosten für die Unternehmen und dadurch auch steigende Preise für die Verbraucher bedeuten würden. Wenn die Politik aber jetzt die Weichen richtig stelle, könnte es Deutschland gelingen, „mit einem blauen Auge“ aus der Krise herauszukommen, sagte Dulger weiter.
Dulger hatte am Morgen bereits angesichts der hohen Inflation und steigender Energiepreise schnelle Hilfe vom Staat für Unternehmen und Beschäftigte gefordert. In einem Fernsehinterview sagte er: „Wir brauchen die Hilfe des Staates, die brauchen wir an einigen Stellen, die muss gezielt sein, und sie muss schnell sein“. Es müssten Entlastungen für die Beschäftigten und für Betriebe her, damit Energie bezahlbar bleibe. Nötig seien Antworten, um am Ende des Tunnels wieder Licht sichtbar zu machen.
Scholz setzt weiterhin auf Globalisierung
Scholz möchte trotz des Krieges in der Ukraine und dessen Folgen zudem weiterhin auf die wirtschaftliche Globalisierung setzt. Er wende sich „gegen all diejenigen, die jetzt die Idee der Deglobalisierung nach vorne stellen“, sagte Scholz in Berlin weiter. „Wir werden das nicht tun.“
Der Kanzler sprach sich für eine weitere Diversifizierung aus. Es gebe viele einflussreiche Länder im Süden Amerikas, in Afrika und ganz besonders in Asien, mit denen weiter zusammengearbeitet werden solle, erläuterte er. „Dann schaffen wir auch die Grundlage dafür, dass wir weiter eine globale Zusammenarbeit in der Weltwirtschaft haben und dass deutsche Unternehmen mit ihren Fähigkeiten und Kompetenzen davon profitieren können“, sagte Scholz. „Seien Sie sicher, das ist die Strategie der Bundesregierung.“ Man wolle sich nicht nur auf sich selber beschränken, sondern die Potenziale der Welt gemeinsam nutzen.
Zuvor hatte Dulger die Deglobalisierung als einen der wesentlichen Preistreiber bezeichnet. „Durch die Corona-Krise, den Ukraine-Krieg und vor allem auch die ungewisse Entwicklung in China reißen Lieferketten ab“, sagte Dulger. „Das treibt die Kosten und das trifft Deutschland besonders.“ Wegen der Deglobalisierung müsse in Zukunft mit anhaltend hohen Inflationsraten gerechnet werden.
Neben Kanzler Olaf Scholz sind auch weitere Vertreterinnen und Vertreter der Bundesregierung auf dem Konvent vertreten – zum Beispiel Wirtschaftsminister Robert Habeck und Finanzminister Christian Lindner. Im Zentrum der Reden und Gespräche stand die aktuelle Lage rund um die Energiekrise und die Inflation sowie die Folgen für die Wirtschaft in Deutschland.
RND/ag/dpa