Feine-Sahne-Fischfilet-Sänger Monchi hat 65 Kilo abgenommen: „Es ist ein krasser Kampf“
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Jan Gorkow, besser bekannt unter seinem Spitznamen Monchi, ist Sänger der Punkband Feine Sahne Fischfilet.
© Quelle: Bastian Bochinski
Moin Monchi – wir erreichen Sie in der Corona-Quarantäne in Vorpommern. Sie haben sich sehr verändert in den vergangenen zwei Jahren. Wie fühlt es sich für Sie in diesen Tagen an, jetzt auf Sport und ausgedehnte Radtouren verzichten zu müssen?
Ich merke, dass ich sehr, sehr, sehr gerne Sport machen würde, einfach rauskommen. Das ist schon ein absurdes Gefühl für mich. Zu Hause liegen zu müssen und Netflix gucken, das hätte mich früher am wenigsten gestört, aber jetzt ist das sehr nervig und anstrengend. Dazu kommt: Ich bin bei meiner Familie in Quarantäne, da kommen immer die guten Sachen auf den Tisch. Familie bedeutet für mich Essen, schon immer.
Sie haben in den vergangenen Jahren 65 Kilo abgenommen, von einem Maximalgewicht von 182 Kilo. Und das während der Zeit, in der sich viele andere Menschen Lockdownplauzen angefressen haben. Wollten Sie mal wieder alles anders machen als die anderen?
Ja, das habe ich natürlich gesehen. Ich hatte nun gerade abgenommen, hatte angefangen, regelmäßig ins Fitnessstudio zu gehen, und dann machte alles zu und die Leute fraßen sich Corona-Plauzen an. Ich musste mal wieder einen anderen Weg gehen als viele andere. Aber dieser Weg war auf jeden Fall besser für mich. Wenn ich mir noch mehr Kilos angefressen hätte, dann wäre der erste Herzinfarkt nicht mehr weit gewesen. Ich meine, ich war 2019 nur noch 18 Kilo von der 200-Kilo-Marke entfernt. Ich hatte einen Body-Mass-Index von 50, genau 49,3, und Adipositas Typ 3. Ich hatte mir eine akute Lebensgefährdung angefressen.
Jan Gorkow alias Monchi
Über Jan Gorkow und seine Band Feine Sahne Fischfilet gibt es Tausende Texte, drei Erwähnungen im Verfassungsschutzbericht des Landes Mecklenburg-Vorpommern, und den Dokumentarfilm „Wildes Herz“, gedreht von Ex-„Polizeiruf“-Kommissar Charly Hübner. Über die Ultra-Jugend des heute 34-jährigen Sohns eines Bauunternehmers und einer Zahnärztin aus Jarmen in Vorpommern ist der Polizei und auch der Öffentlichkeit Vieles bekannt, spätestens seit dem Song „Niemand wie ihr“. Über die Selbstzweifel eines extremen Extrovertierten aber gibt erst sein autobiografisches Buch „Niemals satt“ Auskunft.
„Niemals satt“ ist eine sehr ehrliche, selbstkritische, stellenweise äußerst drastische Bestandsaufnahme. In einem Kapitel schreiben Sie über Ihre Jugend in Vorpommern. Ein Kapital heißt: „Irgendwann war ich fett, obwohl ich noch gar nicht fett war“. Seit Ihrer Jugend heißen Sie „Monchi“. Monchichis sind wuschelige, flauschige Tierchen – und sie sind nicht schlank. Wäre alles anders gekommen, wenn Sie einen anderen Spitznamen gehabt hätten – Bugs Bunny oder so?
So als selbsterfüllende Prophezeiung? Ja nun, die Leute haben mich „Dicker“ genannt, „Big Man“ und irgendwann „Monchi“, das macht schon etwas mit einem. Der Name Monchi gefällt mir bis heute. Viele andere Spitznamen aus meinem Bekanntenkreis sind deutlich erbärmlicher. „Monchichi“ fand ich meistens süß – aber klar, wenn ich schlank gewesen wäre, wär ich sicher nicht so genannt worden. Und in der Rolle richtet man sich dann ein. Und später ging das so weiter: Wenn du der Fetteste bist, fallen zehn Kilo mehr niemandem mehr auf. Dir selbst auch nicht. Ich habe mir immer gesagt: Es ist scheißegal, ich fress einfach, fress einfach, fress einfach und achte einfach gar nicht auf mich. Ich habe auf vieles einfach komplett geschissen. Dass das nicht gut sein kann, was ich mir selbst angetan habe, ist eigentlich sonnenklar. Aber es hat trotzdem sehr lange gedauert, biss ich daran etwas geändert habe.
Ist es irgendwie auch eine Art Stolz – so der Gedanke: Ich kann das alles meinem Körper zumuten und der funktioniert immer noch? Sie haben ja nie passiv in der Ecke gehangen, haben das Leben nicht an sich vorbeiziehen lassen. Sondern Sie haben sich und ihren Körper auf der Bühne präsentiert – als Markenzeichen.
Ich habe gelernt, dass nichts so polarisiert wie ein Körper, der ungewöhnliche Maße hat. Ich habe auf der Hauptbühne bei Rock am Ring meinen Bauch hochgerissen und die Leute fanden es entweder geil oder haben sich davor geekelt. Ich habe auch nicht abgenommen, um irgendwie besser auszusehen, sondern ich habe für mich eine lebensverlängernde Maßnahme getroffen. Und ich bin immer noch mittendrin. In meinem Kopf bin ich den 180 Kilo näher als den 100 Kilo. Wenn ich jetzt auf Lesereise gehe, wenn ich im Sommer mit der Band wieder auf Tour gehe, habe ich einfach Angst vor dem Jojo-Effekt. Manchmal habe ich das Gefühl, dass die Menschen in meinem Umfeld meine Nöte besser verstehen würden, wenn sie es mit einem Alkoholabhängigen zu tun hätten und nicht mit einem Süßigkeitensüchtigen. Wenn ich das wäre, wäre es tausendmal beschissener, aber es wäre vielleicht einfacher, den Verzicht durchzuziehen. Essen muss nun mal jeder. Es ist einfach ein krasser Kampf, auf bestimmte Sachen zu verzichten. Süßigkeiten ziehen mich immer noch magisch an.
Im April beginnt die Lesereise zu „Niemals satt“, im Sommer eine Open-Air-Tour mit „Feine Sahne Fischfilet“. Sie haben durch Sport und Intervallfasten so viel Gewicht verloren. Aber wie wird es auf Tour sein – bleibt da Zeit für Sport? Können Sie nach einer exzessiven Bühnenshow sagen: Es ist nach 20 Uhr, ich darf nichts mehr essen?
Das wird wahnsinnig schwierig. Überhaupt, dieses Maß finden, in jeglicher Hinsicht. Soll ich Bambule machen und danach einen Smoothie trinken? Soll ich alles geben, total abreißen, und gleichzeitig darauf achten, auf keinen Fall von einem Duplo-Riegel abzubeißen? Das beschäftigt mich schon sehr. Ich hätte ja auch ein Siegerbuch schreiben können. Guckt alle her, ich habe 60 Kilo abgenommen mit Sport und Intervallfasten. Kauft alle die Monchi-Formel und sagt mir, was ich für ein toller Mensch bin. Ich bin ja nicht komplett neu. Ich habe vielleicht punktuell gewonnen und Sachen verbessert. Aber das kann innerhalb von kürzester Zeit zurückschlagen. Wenn ich jetzt nach der Corona-Quarantäne auf die Waage steige, weiß ich jetzt schon, dass da wieder fünf Kilo mehr drauf sind. Das geht ganz schnell.
Wir leben in Deutschland im Paradies und der Krieg und das Elend ist ganz nah.
Warum haben Sie dieses sehr persönliche Buch geschrieben? Sie haben schon gesagt, es ist kein Ratgeber „Abnehmen mit Feine Sahne“. Was ist es dann für Sie?
Ich habe schon vor ein paar Jahren angefangen, Geschichten aufzuschreiben. Mir gehen so viele Sachen im Kopf rum. Wenn ich anfange zu reden, kann ich nicht mehr aufhören und die Gefahr ist, dass ich dann alle überfordere. Schließlich dachte ich, dass die 182 Kilo und wie ich von ihnen weggekommen bin, einen roten Faden für eine Geschichte ergeben könnten. Dann kommt bestimmt mein Narzissmus dazu. Aber ich wollte kein Buch schreiben über die Band und unseren Erfolg. Ich habe erst in den vergangenen Jahren erkannt, wie viele Sachen bei mir miteinander zusammenhängen, positiv wie negativ, familiär und persönlich.
Es gibt einen Satz in dem Buch, bei dem ich gestutzt habe. „Scheiß auf Punk. Ich war nie Punk.“ Was denn bitte sonst?
Von meiner Attitüde her passe ich vielleicht in die Schublade Punk. Aber eigentlich passe ich in keine Schublade. Es gibt nichts, was mich weniger interessiert als, ob ich jetzt Punk bin oder nicht. Ich habe mich selber nie so definiert, auch wenn ich vielleicht den Habitus eines Punks habe.
Die Band hat zwei Hilfskonvois an die polnisch-ukrainische Grenze begleitet. Wie gehen Sie damit um, dass wieder Krieg mitten in Europa herrscht?
Es hat mich kurz gelähmt. Und dann musste ich versuchen, nicht in dieser Schockstarre zu verharren. Ich kann mir das nicht täglich reinziehen, all diese Nachrichten, all das Leid. Das macht mich nur krank. Und fetter. Ich will nicht in so einen Weltschmerz verfallen, aber auch nicht komplett die Augen verschließen, sondern versuchen, was zu reißen. Wir kannten Leute sowohl auf der polnischen als auch auf der ukrainischen Seite und haben versucht, zu helfen. Wir konnten innerhalb kurzer Zeit viel Geld sammeln und hochwertige medizinische Güter hinbringen. Das hat mich aus der Schockstarre rausgebracht. Wir leben in Deutschland im Paradies und der Krieg und das Elend ist ganz nah. Wenn du Leichensäcke an die Grenze bringst, als Spenden, dann muss man sich damit auseinandersetzen: Die Leichensäcke und alles, was damit verbunden ist, kommen näher. Das ist bitter, aber wahr.
Welche Fehler haben wir in diesem Paradies gemacht? Nicht weit weg von Ihrem Heimatort kommen die Ostseepipelines Nord Stream 1 und 2 an. Ministerpräsidentin Manuela Schwesig hat ihre massive Unterstützung für Nord Stream 2 jetzt als Fehler bezeichnet. Vergangenes Jahr im Wahlkampf waren noch alle im Land dafür. Haben viele etwas nicht sehen wollen?
Ich weiß nicht. Dafür bin ich zu wenig in der Politik drin, als dass ich jetzt etwas raushauen und jemanden kritisieren möchte. Ich kenne so viele Leute in Vorpommern, die keine Arbeit haben oder schlecht bezahlte Arbeit. Hätte man diesen Krieg absehen können, wären bestimmt Entscheidungen anders getroffen worden. Mir geht es immer darum, etwas vor Ort zu machen. Das hilft mehr, als über die große Weltpolitik zu reden. Da fühle ich mich schnell hilflos.